Aufruf der Initiative Berliner Bankenskandal     (Stand 8.7.2002)

Am 9.4.2002 hat das Berliner Abgeordnetenhaus die Risiken aus dem hoch-spekulativen, größtenteils sittenwidrigen und kriminellen „Immobiliendienstleistungsgeschäft“ der Bankgesellschaft Berlin in Höhe von bis zu 21,66 Milliarden Euro übernommen.

Unsere Initiative vereint zivilgesellschaftliche und soziale Akteure mit engagierten Fachleuten. Wir wollen das politisch gestützte System der privaten Bereicherung auf unsere Kosten beenden. Wir wissen: Nur eine breite soziale Bewegung von unten kann die etablierte Politik zu einem radikalen Kurswechsel zwingen. Dazu möchten wir einen Beitrag leisten und dem berechtigten Zorn der Bürgerinnen und Bürger eine Stimme geben.

Wir Stellen fest:

Eine zwingende politische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit dieses „Blankoschecks“ wurde – wie der Landesrechnungshof zu Recht schreibt – weder hinreichend untersucht, noch vollständig belegt. DAS LAND HAFTET DAMIT FÜR RISIKEN, FÜR DIE ES NICHT HAFTEN MÜSSTE.

Die Folgen für die Berlinerinnen und Berliner sind unannehmbar. Das Land Berlin haftet für nahezu 40 Mrd. Euro. Diese Summe ergibt sich aus den 21 Mrd. Euro, die das Abgeordnetenhaus ausdrücklich „abgeschirmt“ hat, plus 8 Mrd. Euro als Rückzahlungssumme in 25-30 Jahren und plus weitere 8 Mrd. Euro an Risiken außerhalb der Fonds. Hinzu kommen die Verlustzuweisungen der Fondszeichner, die zu massiven Steuerausfällen in Milliardenhöhe – auch in Berlin – führten. Bei einem Verkauf der Bankgesellschaft an private Investoren drohen weitere Risiken.

Während für 2003 allein 300 Millionen Euro für die Sicherung der Fondsrenditen im Haushalt eingeplant sind, werden im gleichen Jahr die Ausgaben z.B. im Sozialbereich um 150 Millionen Euro abgesenkt. Bei den Kitas werden 69 Millionen Euro weggekürzt. Das uns abverlangte „Sparen“ bedeutet schon jetzt den Verzicht auf die Erfüllung elementarer staatlicher Aufgaben in unserer Gesellschaft. Über die Bankgesellschaft reden, heißt über Sozialkürzungen reden. Das private Verlustrisiko der Anleger soll abgewälzt werden auf uns, auf die Bürgerinnen und Bürger Berlins. Eine Verbindung unseres Protestes mit allen Protesten aus Gewerkschaften, Initiativen und Projekten gegen die Kahlschlagspolitik ist daher dringend geboten. In Anbetracht der Streichungen bei Schulen, Universitäten, Kitas, Schwimmbädern, Jugend-, Sozial- und Kulturprojekten und voraussichtlichen Kürzungen im Öffentlichen Dienst muss mit Kompetenz und Entschlossenheit alles getan werden, um sittenwidrig und kriminell verursachte Schäden von den Steuerzahlern abzuwenden und alle Verantwortlichen in die Haftung einzubeziehen.

Die Risikoübernahme stellt eine politische Bankrotterklärung der rot-roten Koalition dar. Wie zuvor schon Schwarz-Rot oder Rot-Grün haben auch die verantwortlichen Politiker der rot-roten Koalition die Interessen der Berliner Bürgerinnen und Bürger missachtet und die Interessen einer Minderheit über die Haushaltsinteressen Berlins gestellt. EINE SOLCHE „POLITIK“ IST TEIL DES PROBLEMS, NICHT TEIL DER LÖSUNG. Die Stadt wird an die Banken und Fondsanleger verpfändet, die Aufklärung verschleppt und unmöglich gemacht.

Das Versagen der Berliner Politik zeigt sich insbesondere an folgenden Punkten:

- Die „Risikoübernahme“ ist die teuerste mögliche Form des Krisenmanagements für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Berlin. Weder die privaten Miteigentümer der Bankgesellschaft, noch der Sicherungsfonds der Sparkassen, noch die anderen Großbanken und schon gar nicht die privaten Fondsanleger werden mit zur Kasse gebeten.

- Der Senat hat nicht einmal versucht, die Landesbank aus dem Konzernverbund herauszulösen. Dadurch wird die alles umfassende Schuldenfalle weiter festgezurrt, bei der eine öffentlich-rechtliche Bank für die Risiken von Privatbanken haftet.

- Das Gesetz zur „Risikoübernahme“ ist verfassungswidrig, denn es hebelt das parlamentarische Recht der Haushaltshoheit weiter aus. Auch die Grundsätze der Haushaltsführung und der angemessenen Lastenverteilung werden verletzt: Die öffentlichen Dienstleistungen werden ausgezehrt, die Schulden werden unverantwortlich ausgedehnt.

- Die sittenwidrige, ja kriminelle Konstruktion der Immobilienfonds wurde nicht angetastet. Im Gegenteil, auch nach bekannt werden des Bankenskandals wurden solche Fonds noch neu aufgelegt! Wer z.B. beim Fonds LBB 9 100.000 Mark einzahlte und unter den Spitzensteuersatz fiel, erhielt sofort 46.000 vom Finanzamt als Verlustzuweisung zurück. Die Bankgesellschaft garantiert auf bis zu 29 Jahre bis zu 8 % Zinsen und nach 29 Jahre bekommt der Zeichner noch 115.000 Mark ausgezahlt. Dank staatlicher Garantie bereichern sich Banker, Politiker und Manager weiterhin auf Kosten des Steuerzahlers auf scheinbar legale Weise. Politische Korruption ist dafür der angemessene Begriff.

- Strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen reichen keineswegs aus. Erstens ist ein Großteil der Straftaten nach 5 Jahren verjährt, zweitens greift der Ermittlungsauftrag der Staatsanwaltschaft zu kurz: sie prüft weder die zivilrechtliche Haftung noch ob und in welcher Höhe die Renditen für kriminelle und sittenwidrig aufgelegte Fonds weiterbezahlt werden müssen.

- Der Senat versucht den Bankenskandal von der Tagesordnung abzusetzen. Deswegen soll die Bankgesellschaft noch in diesem Jahr verkauft werden. Deshalb lehnt er eine unabhängige Expertenkommission ab.

Wir fordern vom Senat und dem Abgeordnetenhaus:

1. Alle Geschäfte, die zu Lasten des Landes gehen, müssen sofort eingestellt werden (Grundstücksgeschäfte der IBAG, weiterer Verkauf der Immobilienfonds).

2. Einsetzung einer wirklich unabhängigen Expertenkommission mit dem Ziel, die Kosten des Bankenskandals für das Land Berlin zu minimieren. Alle politischen Handlungsmöglichkeiten müssen ausgelotet, ein erster Bericht bis zum Oktober 2002 vorgelegt werden. Die Kommission muss das Recht haben, sämtliche Unterlagen einzusehen und Beteiligte anzuhören. Insbesondere muss geprüft werden, inwieweit aufgelegte Fonds sofort gekündigt und gewährte Steuerabschreibungen zurückgefordert werden können.

3. Die Haushaltsmittel, die in Folge der Risikoübernahme an die Bank fließen, müssen vom Senat und Abgeordnetenhaus kontrolliert werden. Deswegen darf die im Gesetz vorgesehene Controlling-Gesellschaft nicht von der Bankgesellschaft abhängig sein. Sie muss ein uneingeschränktes Einsichtsrecht in alle Unterlagen der Bankgesellschaft und ihrer Töchter erhalten. Im Falle eines Verkaufs muss die Gesellschaft ihre Arbeit fortsetzen, sofern der Erwerber nicht auf die Inanspruchnahme der Risikoabschirmung verzichtet. Wichtigstes Ziel ist es, die Haushaltsrisiken von 21,66 Milliarden Euro entscheidend zu vermindern.

4. Einen oder mehrere ehemalige Bundesverfassungsrichter zu beauftragen, ein Gutachten zu erstellen, um zu klären, ob die Risikoübernahme mit der Verfassung von Berlin und dem Grundgesetz vereinbar ist.

5. Die Landesbank muss aus der unbeschränkten Haftung für private Risiken entlassen werden, die öffentlich-rechtliche Berliner Sparkasse muss als Dienstleisterin der Berliner Bevölkerung und als Instrument der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen erhalten bleiben.

6. Das Land Berlin als Hauptaktionär der Bankgesellschaft muss eine fordernde Rolle übernehmen. Zusammen mit den Banken, Aktionären, Fondseignern und dem Senat müssen die Immobilienfonds im Interesse des Landes und zur Entlastung des Steuerzahlers neu verhandelt werden (Rücknahme der Mietgarantien, Neuverteilung des Insolvenzrisikos etc.).

7. Es muss geprüft werden, inwieweit bei Beschäftigten des Landes Dienstpflichtverletzungen vorliegen und deshalb Disziplinarverfahren eingeleitet werden müssen.

UM UNSEREN FORDERUNGEN NACHDRUCK ZU VERLEIHEN, WERDEN WIR

1. EINE LISTE PROMINENTER FONDSZEICHNER VERÖFFENTLICHEN
100 Politiker, Manager, Banker, Hochschullehrer, Pfarrer, Unternehmer, Künstler, Journalisten etc. mit der Aufforderung, ihr Verhalten angesichts des Bankenskandals zu korrigieren und ihre Fondsanteile in 2002 entschädigungslos zurückzugeben, da sie ihr investiertes Eigenkapital bereits über Verlustzuweisungen der letzten Jahre zurückerhalten haben.

2. EINE VIELZAHL DER FONDSEIGNER ANSCHREIBEN UND GEGEBENENFALLS VERÖFFENTLICHEN (Juli/August 02) mit der o.g. Forderung.

3. in der Aktionärsversammlung der Berliner Bankgesellschaft intervenieren (19.7.02 im ICC Berlin, 10 – 18 Uhr).

4. ZU EineR Protestversammlung vor dem ICC AUFRUFEN (19.07.02, 15.00 Uhr)

5. Ein lösungsModell entwickeln und einen neuen Aushandlungsprozess zwischen Aktionären, Fondseinlegern, Berliner Bankgesellschaft, Senat und Steuerbürgern einleiten (in Form eines Anhörungs- und Beteiligungsverfahrens).

6. UNSEREN PROTEST MIT ALLEN PROTESTEN AUS GEWERKSCHAFTEN, INITIATIVEN UND PROJEKTEN GEGEN DIE KAHLSCHLAGSPOLITIK VERBINDEN.

7. GRUNEWALD- UND DAHLEM-SPARZIERGÄNGE zu den Skandalverantwortlichen und Fondszeichnern organisieren, um strukturelle und persönliche Verstrickung deutlich zu machen.

8. EXPERTISEN von einer von uns eingesetzten hochkarätigen Expertenkommission erarbeiten lassen (z.B. zur Vereinbarkeit der Risikoübernahme mit dem EU-Wettbewerbsrecht, Verfassungsvereinbarkeit, Rechtliche Handlungsspielräume für Neuauslegung von Fondsbedingungen)

9. DIE AUFKLÄRUNG VORANTREIBEN, indem wir Diskussionen und öffentliche Foren organisieren.


 

(Es folgt die sog. Liste der Erstunterzeichner)

 

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