Atomfetischismus und Atomerpressung

- Die theoretische Basis des modernen Revisionismus und der Wegweiser seiner Politik


Der Kern der Theorie der Führer der KPdSU über Krieg und Frieden ist die These, daß das Auftreten nuklearer Waffen alles verändert hätte und somit auch die Gesetze des Klassenkampfs.

Im Offenen Brief des ZK der KPdSU heißt es: "Die Entwicklung von Raketen- und Atomwaffen in der Mitte unseres Jahrhunderts hat die früher gültigen Vorstellungen vom Krieg verändert." Wie hat sie sie denn nun verändert?

Die Führer der KPdSU sind der Ansicht, daß es mit dem Auftreten nuklearer Waffen den Unterschied zwischen gerechten und ungerechten Kriegen bereits nicht mehr gäbe. Sie sagen: "Die Atombombe hält sich nicht an das Klassenprinzip." "Die Atombombe fragt nicht danach, wer Imperialist und wer Werktätiger ist-sie fällt überall hin, und deshalb würden auf einen Monopolisten Millionen Arbeiter vernichtet werden." (35)

Die Führer der KPdSU sind der Ansicht, daß mit dem Auftreten nuklearer Waffen die geknechteten Massen und unterdrückten Nationen die Revolution aufgeben, auf gerechte revolutionäre Volkskriege und nationale Befreiungskriege Verzichten müssen, denn sonst würde die Menschheit vernichtet. Sie sagen, daß "jeder beliebige kleine lokale Krieg' der Funke sein kann, der den Brand des Weltkrieges hochschlagen läßt", und: "Heute kann jeder Krieg, selbst wenn er als gewöhnlicher, nicht als nuklearer Krieg beginnt, zu einem Verheerenden Raketen- und Kernwaffenkrieg werden." (36) Das würde bedeuten, daß "wir unsere Arche Noah, den Erdball, vernichten".

Die Führer der KPdSU sind der Meinung, daß die sozialistischen Staaten vor imperialistischen nuklearen Erpressungen und Kriegsdrohungen auf die Knie fallen müssen, aber keinen Widerstand leisten dürfen. Chruschtschow hat gesagt: "Zweifellos würde das System des Kapitalismus, das die Kriege hervorbringt, an einem thermonuklearen Weltkrieg, sollten ihn die imperialistischen Besessenen vom Zaun brechen, unvermeidlich zugrunde gehen. Wäre aber eine thermonukleare Weltkatastrophe ein Gewinn für die sozialistischen Länder, für den Kampf um den Sozialismus in der ganzen Welt? Nur wer bewußt vor den Tatsachen die Augen verschließt, kann das annehmen. Was die Marxisten-Leninisten betrifft, so können sie sich nicht vorstellen, daß die kommunistische Zivilisation auf den Trümmern von Zentren der Weltkultur, auf verwüstetem und durch thermonukleare Niederschläge verseuchtem Boden aufgebaut werden sollte. Wir sprechen schon gar nicht davon, daß die Frage des Sozialismus für viele, Völker überhaupt fortfallen müßte, da sie physisch vom Angesicht unseres Planeten verschwinden würden." (37)

Kurz gesagt, sind nach Ansicht der Führer der KPdSU mit dem Auftreten von Kernwaffen die Widersprüche zwischen dem sozialistischen und dem imperialistischen Lager, die Widersprüche zwischen Proletariat und Bourgeoisie in den kapitalistischen Ländern, die Widersprüche zwischen den unterdrückten Nationen und dem Imperialismus alle verschwunden. Heute gebe es überhaupt keine Klassengegensätze mehr in der Welt. Sie betrachten die Widersprüche in der Welt von heute nur als einen einzigen Widerspruch, nämlich den von ihnen erfundenen Widerspruch zwischen dem, was sie das gemeinsame Überleben'des Imperialismus und der unterdrückten Klassen und Nationen nennen, einerseits und ihrer völligen Vernichtung andererseits.

Marxismus-Leninismus, Deklaration und Erklärung, Sozialismus und Kommunismus, alles haben die Führer der KPdSU restlos über Bord geworfen.

Man sehe nur, wie freimütig es die "Prawda" ausgedrückt hat: "Wenn der Kopf abgeschlagen wird, was nützen da Prinzipien?" (38)

Das ist gleichbedeutend mit der Behauptung, daß alle Revolutionäre, die für die russischen Revolutionen, für den Sieg der Oktoberrevolution unter den Säbeln der Reaktionäre starben, alle Kämpfer, die im antifaschistischen Krieg heldenhaft ihr Leben gaben, alle Helden, die im Kampf gegen den Imperialismus und um die Erringung der nationalen Unabhängigkeit ihr Blut vergossen haben, daß die Märtyrer der Revolutionen aller Zeiten Narren waren. Hatten sie es nötig, um der Prinzipien willen ihren Kopf zu verlieren?

Das ist von Anfang bis Ende die Philosophie von Verrätern. Das ist eine schamlose Feststellung, wie sie nur in den Bekenntnissen von Verrätern zu finden ist.

Geleitet von dieser "Theorie" des Atomfetischismus und der Atomerpressung, behaupten die Führer der KPdSU, daß der Weg zur Verteidigung des Weltfriedens nicht darin bestehe, alle Friedenskräfte unserer Zeit zur breitesten Einheitsfront gegen den USA-Imperialismus und seine Lakaien zusammenzuschließen, sondern darin, alle Fragen durch Zusammenarbeit der beiden nuklearen Großmächte, USA und UdSSR, zu- lösen.

Chruschtschow sagte: "Wir (die USA und die Sowjetunion) sind die mächtigsten Staaten der Welt. Wenn wir für den Frieden zusammenstehen, wird es keinen Krieg geben. Wenn es dann doch noch einen Besessenen gibt, der einen Krieg vom Zaun zu brechen versucht, sollte es genügen, wenn wir ihm mit dem Finger drohen, um ihn zum Schweigen zu bringen." (39)

Jedermann ersieht hieraus klar, wie weit die Führer der KPdSU gegangen sind, um aus Feinden Freunde zu machen.

Um ihre eigenen Fehler zu verdecken, kommt es den Führern der KPdSU auch nicht darauf an, mit Lügen und Verleumdungen die richtige Linie der KP Chinas anzugreifen. Steif und fest bleiben sie dabei: Da die KP Chinas für die Unterstützung der nationalen Befreiungskriege und der revolutionären Bürgerkriege aller Völker eintritt, will sie einen nuklearen Weltkrieg provozieren.

Das ist eine phantastische Lüge.

Die KP Chinas vertritt seit jeher den Standpunkt, daß die sozialistischen Länder die revolutionären Kämpfe aller Völker, darunter auch nationale Befreiungskriege und revolutionäre Bürgerkriege, aktiv unterstützen müssen. Wer nicht so handelt, entzieht sich seiner proletarisch-internationalistischen Pflicht. Wir sind auch der Meinung, daß die geknechteten Massen und unterdrückten Nationen nur durch ihren eigenen, entschlossenen revolutionären Kampf die Freiheit erringen können und daß niemand anders es für sie tun kann.

Wir sind seit jeher der Meinung, daß die sozialistischen Staaten, um die nationalen Befreiungskriege und revolutionären Bürgerkriege der Völker zu unterstützen, keine Atomwaffen anwenden sollen und es auch nicht nötig haben.

Wir sind seit jeher der Meinung, daß die sozialistischen Staaten die nukleare Überlegenheit erreichen und aufrechterhalten müssen. Nur so kann man den Imperialismus in Schranken halten, daß er es nicht wagt, einen Atomkrieg zu entfesseln; nur so kann das vollständige Verbot der Kernwaffen herbeigeführt werden.

Wir sind stets der Meinung, daß Kernwaffen in den Händen eines sozialistischen Staats immer nur Verteidigungswaffen zur Abwehr imperialistischer nuklearer Drohungen sein können. Ein sozialistischer Staat darf auf keinen Fall als erster Atomwaffen anwenden, mit solchen herumspielen, sich auf Atomerpressungen einlassen oder mit Atomwaffen hasarieren.

Wir sind gegen die falsche Handlungsweise der Führer der KPdSU, die sich weigern, die revolutionären Kämpfe der Völker zu unterstützen. Wir sind auch gegen ihre falsche Einstellung zur Frage der Kernwaffen. Anstatt über ihre eigenen Fehler nachzudenken, beschuldigen die Führer der KPdSU uns, "den direkten Aufeinanderprall" (40) der Sowjetunion mit den USA zu wollen, die Sowjetunion und die USA in einen Atomkrieg stürzen zu wollen.

Unsere Antwort ist: Nein, Freunde. Ihr solltet eure sensationshaschende Verleumderei aufgeben. Die KP Chinas ist nicht nur in Worten konsequent gegen einen "direkten Aufeinanderprall" der Sowjetunion mit den USA, sondern bemüht sich auch in ihren Taten, einen direkten bewaffneten Konflikt der beiden Großmächte UdSSR-USA zu vermeiden. Im Korea-Krieg gegen die Aggression der USA, wo wir mit den koreanischen Genossen Schulter an Schulter kämpften, und Im Kampf gegen die USA in der Straße von Taiwan haben wir jedesmal die notwendigen schweren Opfer auf uns selbst genommen und in der vordersten Verteidigungslinie des sozialistischen Lagers gestanden, um die Sowjetunion in der zweiten Linie lassen zu können. Haben die Führer der KPdSU noch die geringste Spur proletarischer Moral, wenn sie heute derartige Lügen auskochen?

Tatsächlich sind es nicht wir, sondern die Führer der KPdSU, die immer damit prahlen, Atomwaffen anwenden zu wollen, um diesem oder jenem Land im antiimperialistischen Kampf beizustehen.

Jedermann weiß, daß die unterdrückten Völker und Nationen keine Atomwaffen haben, daß es für sie unmöglich und auch gar nicht notwendig ist, zur Durchführung der Revolution nukleare Waffen anzuwenden. Auch die Führer der KPdSU geben zu, daß es in den nationalen Befreiungskriegen und in den Bürgerkriegen oft keine klare Gefechtslinie zwischen den beiden Seiten gibt und die Anwendung nuklearer Waffen daher gar nicht in Betracht kommt. Wir möchten nun die Führer der KPdSU fragen: Warum hat es dann ein sozialistischer Staat notwendig, die Völker in ihrem revolutionären Kampf mit Kernwaffen zu unterstützen?

Wir möchten die Führer der KPdSU weiter fragen: Auf welche Weise kann denn ein sozialistischer Staat die unterdrückten Völker oder Nationen in ihrem revolutionären Kampf mit Atomwaffen unterstützen? Würde er Kernwaffen dort anwenden, wo ein nationaler Befreiungskrieg oder ein revolutionärer Bürgerkrieg im Gang ist, und so das revolutionäre Volk ebenso wie die Imperialisten nuklearen Schlägen aussetzen? Oder soll ein sozialistischer Staat als erster Atomwaffen gegen einen imperialistischen Staat einsetzen, der irgendwo einen konventionellen Aggressionskrieg führt? Offensichtlich ist es in diesen beiden Fällen für einen sozialistischen Staat absolut unzulässig, nukleare Waffen anzuwenden.

Tatsache ist, daß die Führer der KPdSU, wenn sie mit ihren Atomwaffen herumfuchteln, die Völker in ihrem antiimperialistischen Kampf gar nicht wirklich unterstützen wollen.

Um sich billig Prestige zu verschaffen, geben sie manchmal leere Erklärungen ab, die sie niemals einzulösen gedenken.

Manchmal, wie zum Beispiel während der karibischen Krise, lassen sie sich zu hintergründigen Zwecken in opportunistische Spekulationen, in ein unverantwortliches nukleares Hasardspiel ein.

Sobald aber ihre Atomerpressung durchschaut und mit Atomerpressung beantwortet wird, weichen sie gleich Schritt um Schritt zurück, fallen vom Abenteurertum ins Kapitulantentum und verlieren bei ihrem nuklearen Glücksspiel alles.

Wir möchten darauf hinweisen, daß das große Sowjetvolk und die große sowjetische Rote Armee früher eine gewaltige Macht zur Erhaltung des Weltfriedens waren, es heute noch sind und es auch weiterhin sein werden. Aber die auf Atomfetischismus und Atomerpressung aufgebauten militärischen Theorien Chruschtschows sind völlig falsch.

Chruschtschow sieht nur Atomwaffen. Seine Ansicht ist: "Die Luftwaffe und die Kriegsflotte haben bei der gegenwärtigen Entwicklung der Kriegstechnik ihre frühere Bedeutung verloren. Diese Waffenart wird nicht reduziert, sondern ersetzt." (41)

Die Truppeneinheiten und Soldaten, die auf dem Boden Kampfaufträge ausführen, sind selbstverständlich noch unwichtiger. Er meint: "Heutzutage wird die Verteidigungsfähigkeit des Landes nicht dadurch bestimmt, wieviel Soldaten wir unter Waffen haben, wieviel Menschen die Uniform eines Soldaten tragen." Seiner Meinung nach "hängt die Verteidigungsfähigkeit des Landes in entscheidendem Maße davon ab, welche Feuerkraft und welche Beförderungsmittel diesem Land zur Verfügung stehen". (42)

Was die Volksmiliz und die Volksmassen anbetrifft, sind sie überhaupt nicht der Rede wert. Ein berühmter Ausspruch Chruschtschows ist: Für uns, die wir moderne Waffen haben, sind Milizionäre keine Truppen mehr, sondern ein. Haufen Fleisch. (43)

Diese ganze Sammlung von Chruschtschows militärischen Theorien steht in völligem Widerspruch zur marxistisch-leninistischen Lehre von Krieg und Armee. Seinen falschen Theorien zu folgen, würde notwendigerweise dazu führen, die Armee zu zersetzen und sich selbst moralisch zu entwaffnen.

Offensichtlich würde sich ein sozialistischer Staat, der Chruschtschows falsche Militärstrategie akzeptiert, in eine äußerst gefährliche Lage bringen.

Mag sich auch Chruschtschow selber Titel wie "großer Friedenskämpfer" geben, mag er sich selber einen Friedenspreis verleihen und Heldenmedaillen anstecken, kann er doch, wie sehr er sich auch herausstreicht, auf keinen Fall seine gefährliche Manier, leichtsinnig mit nuklearen Waffen zu spielen, oder seine kriecherische Unterwürfigkeit vor imperialistischen Atomerpressungen verdecken.

 

aus: Ein Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung - Antwort des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas auf den Brief des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion vom 30.März 1963“, Zwei Linien in der Frage von Krieg und Frieden, 5. Kommentar zum Offenen Brief des ZK der KPDSU, 19. November 1963

 


(35) Offener Brief des ZK der KPdSU an alle Parteiorganisationen, an alle Kommunisten der Sowjetunion (14. Juli 1963)

(36) N. S. Chruschtschow, Rede im Rundfunk und Fernsehen, 15. Juni 1961

(37) N. S. Chruschtschow, Begrüßungsansprache auf dem VI. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 16. Januar 1963

(38) "Linker als gesunder Menschenverstand", "Prawda" (Moskau), 16. August 1963

(39) N. S. Chruschtschow, Gespräch mit C. L. Sulzberger am 5. September 1961, veröffentlicht in der "Prawda" vom 10. September 1961

(40) "Die Generallinie der kommunistischen Weltbewegung und das Spalterprogramm der chinesischen Führung", redaktioneller Artikel, "Kommunist" (Moskau), Nr. 14, 1963

(41) N. S. Chruschtschow, Rede vor dem Obersten Sowjet der UdSSR, Januar 1960

(42) N. S. Chruschtschow, Rede vor dem Obersten Sowjet der UdSSR, Januar 1960

(43) N. S. Chruschtschow, Ansprache auf der Bukarester Beratung der Bruderparteien vom 24. Juni 1960