Internet Statement 2001-19

 

Der Zusammenbruch der Berliner Bankgesellschaft

Der Skandal der Bankgesellschaft Berlin ist nicht nur wegen seines Ausmaßes der Beachtung wert, das wahrscheinlich weit die zuerst genannten 4 Milliarden DM übertrifft, sondern auch wegen der Enthüllungen über den Berliner Banken-, Immobilien- und Regierungssumpf, die er in reichem Umfang bietet. Sie betreffen auch die Zustände in der deutschen high society überhaupt.

Auch wenn die Koalition von CDU und SPD jetzt beendet wird, werden alle praktischen Fragen, die sich aus dieser Bankenpleite ergeben, sich genauso stellen wie vorher, eine Änderung der Regierung unter den gegenwärtigen Bedingungen besagt praktisch nichts.

Hier ein paar Highlights aus den bisherigen öffentlichen Aufdeckungen:

- Die Bankgesellschaft, die mehrheitlich dem Land Berlin gehört, praktiziert bspw. folgende Variante der Immobilienfonds:

"Der 'Gardelegen-Fonds' ist eine ganz besondere Art der Geldanlage, ein Schlaraffenland für ausgesuchte Anleger. Das heißt: Gewinne werden gutgeschrieben, für Verluste wird jedoch nicht gehaftet. Es springt die Immobilientochter IBG [Immobilien- und Baumanagement GmbH] der Bankgesellschaft ein, mietet die leerstehenden Büroräume und der drohende Verlust ist von den Anlegern abgewendet. Die Bankgesellschaft ist in jüngster Zeit ohnehin gut vertraut mit Verlusten. 'Natürlich müssen in erster Linie die privilegierten Anleger geschützt werden.' Die Steuerzahler Berlins haben das Nachsehen. Wenn die Bankgesellschaft die Verluste auffängt, kann sie weniger an Dividende ausschütten, damit wird das Haushaltsloch größer, Wertberichtigungen sind schon angekündigt.

Häufig sind Wertberichtigungen mit Verlusten gleichzusetzen. Wenn dies der Fall ist, wirken sie sich hier konkret zu Lasten der Steuerzahler aus.

Aber nicht nur die Frage nach den Dividenden ist hier zu stellen, sondern auch die Frage nach dem Vorgehen der Berliner Bankgesellschaft als solches, nämlich die Einrichtung einer supersicheren Geldanlage mit sagenhaften Renditen für einen kleinen Kreis privilegierter Anleger.

Die Zeche bezahlen fast immer die Steuerzahler."

(Aus einer Pressemitteilung des Berliner Bundes der Steuerzahler v. 25.4.01)


In einer Presseerklärung der SPD-Fraktion zur Einrichtung des Untersuchungsausschusses heißt es dazu: „Es geht um Vorstände der Bankgesellschaft, die für sich und befreundete Topmanager aus anderen Unternehmen Fonds auflegen, mit denen sie satte Gewinne einstreichen konnten, während alle Risiken dieser Geschäfte weiterhin beim Land Berlin blieben.“

Ein zurückhaltender Kommentar dazu müßte lauten: Wenn Vorstände der Bank zusammen mit eingeweihten Managern anderer Firmen wissentlich ein Verfahren praktizieren, bei dem Verluste für die Beteiligten ausgeschlossen werden, indem auf die Mittel der Bank und damit letztlich auf den öffentlichen Haushalt und den Steuerzahler zurückgegriffen wird, dann handeln sie nicht als Unternehmer, sondern als selbsternannte Umverteiler öffentlichen Vermögens an Mitglieder der high society und begehen Veruntreuung öffentlichen Vermögens. Das muß entsprechend geahndet werden.

Der Fehlbetrag der Bankgesellschaft, der allein bei der IBG entstanden ist, wird offiziell auf ca. 1 Mrd. DM beziffert.

- Relativ breit in der Öffentlichkeit wurde bisher bereits der Aubis-Skandal behandelt. Die Eigentümer der Firma Aubis, Neuling und Wienhold, beschafften sich von der Berlinhyp, einer Teilgesellschaft der Bankgesellschaft, 550 Mill. DM für den Kauf und die Sanierung von sog. Plattenbauten. Der Manager dieses Kredits auf Seiten der Bank war Klaus Landowsky, gleichzeitig CDU-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus. Allein durch diesen Kredit mußte die Berlinhyp bisher schon 200 Mio. DM Verlust hinnehmen, weil die erworbenen Immobilien heute viel weniger wert sind. Der Wertverfall war jedoch seit einer Reihe von Jahren schon absehbar, u.a. wegen des Wertverfalls, dem ostdeutsche Immobilien überhaupt aufgrund des starken Bevölkerungsrückgangs in den östlichen Bundesländern unterliegen. Bei dem Geschäft flossen jedenfalls Extrazahlungen der Aubis in die Hand von Landowsky. Mehr noch: 1997 wurde in einem internen Revisionsbericht die Gefährlichkeit dieses Kredits festgehalten, allerdings mit folgendem paradoxen Ergebnis: der Bericht verschwindet, und Landowsky wird zum Immobilienchef der gesamten Bank befördert.

Die Verwicklung des Staates in diese Machenschaften besteht nicht nur darin, daß der Mehrheitseigner der Bankgesellschaft das Land Berlin ist und sie durch seine Vertreter in den Vorständen und Direktionsetagen führt, sondern auch in der Rolle der staatlichen Kontrollbehörde. Auf die Frage, wieso trotz zahlreicher regelmäßiger und auch außerordentlicher Kontrollen durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen über Jahre hinweg das Geschäftsgebaren der Bankgesellschaft immer wieder akzeptiert wurde, obwohl die existenzgefährdenden Risiken schon längst aufgelaufen waren, wußte diese Behörde öffentlich bisher nur zu antworten, es handele sich wohl um eine ‘Verkettung unglücklicher Umstände’. Gehören dazu auch vielleicht auch Korruption bei der Aufsichtsbehörde, vielleicht auch Gewöhnung und Akzeptanz solcher Praktiken, weil sie auch sonst nicht selten sind? Wie viele Mitglieder des Aufsichtsamtes haben vielleicht selbst diese privilegierten Fonds genossen, oder auf Umwegen davon profitiert? Diese Frage muß erlaubt sein.

Außer dem Land Berlin ist der wichtigste Mitaktionär der Bankgesellschaft mit über 20% Anteil die NordLB, ebenfalls ein staatliches Institut und während Gerhard Schröders Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident sozusagen dessen Hausbank. Schröder wirkte bei der Gründung der Bankgesellschaft 1993 persönlich mit. Es kann dieser bedeutenden Teilhaberbank auf keinen Fall entgangen sein, welche Art von Geschäften die Bankgesellschaft betreibt.

Wie selbstverständlich werden hier also von „Topmanagern“, die in der Wirtschaft ebenso wie im parlamentarischen System Schlüsselpositionen innehaben, direkt kriminelle Geschäfte getätigt oder bedenkenlos riskanteste Kredite vergeben, im Ausmaß von wenigstens hunderten von Millionen DM, wie selbstverständlich attestieren ihnen jahrelang die staatlichen, ebenso wie übrigens auch die renommiertesten privaten Kontrolleure akzeptable Bilanzen, und wie selbstverständlich tritt dann, wenn schließlich das Fehlen von 4 oder 5 Milliarden nicht mehr verheimlicht werden kann, die Regierung vor die Öffentlichkeit und verlangt, daß der Steuerzahler für den Schaden aufkommt. Es sollen neue Staatsschulden gemacht werden, obwohl der gleiche Staat schon längst in einer abgrundtiefen Verschuldung gelandet ist und bei den elementarsten Leistungen wie Schulen, Kinderversorgung und Wohlfahrt das Kaputtsparen praktiziert. Berlin zahlt allein für seine jetzige Verschuldung von etwa 70 Mrd. DM schon Tag für Tag 11 Mio. DM Zinsen und ist längst schon nicht mehr in der Lage, seine Schulen angemessen auszustatten und  Kindertagesstätten zu errichten und zu bewirtschaften.

Und wie selbstverständlich laufen die Verantwortlichen des neuen Skandals weiter frei durch die öffentliche Landschaft, werden von der Justiz, wenn überhaupt, nur marginal belästigt und erhalten für ihre „Dienste“ weitere Millionen an Gehältern und Pensionen.

Um die Vorwürfe der SPD an die CDU wegen der Rolle ihres Frontmannes Landowsky zu kontern, wies die CDU ihrerseits darauf hin, daß im Vorstand der IBG, der bereits erwähnten Bankgesellschaft-Tochter, ein SPD-Vertreter, Horst Görler, eine entscheidende Rolle gespielt habe. Überhaupt, so die Presse, diente die Bankgesellschaft der ganzen Großen Koalition aus CDU und SPD als Riesenpfründe für ihre Leute, und die gesamte Große Koalition ist auch politisch verantwortlich für die Verletzung der staatlichen Aufsicht, die auch dem Land Berlin obliegt.

Schließlich brilliert die Justiz mit demonstrativer Untätigkeit. Es sollen ein paar Ermittlungsverfahren anhängig sein, aber nicht gegen Landowsky, nicht gegen die Chefs der Kontrollbehörden, nicht gegen die politische Führung Berlins. 

Wer noch immer öffentlich behaupten möchte, die BRD sei ein „demokratischer Rechtsstaat“, hat hier Gelegenheit, die konkrete Bedeutung seiner Worte zu erläutern. Die demokratische „Gewaltenteilung“ funktioniert hier offenbar so:

Das parlamentarische System besetzt die Bankvorstände, die kontrollierende Exekutive erteilt ihnen für ihre Machenschaften Persilscheine, und die Justiz unternimmt auch dann nichts, wenn schon alles verbrannt ist. „Gewaltenteilung“ bedeutet für diese Kreise offenbar das Zusammenrücken bei wirtschaftskriminellen Machenschaften und ihrer Deckung, und „Rechtsstaatlichkeit“, daß die Verantwortlichen von der Strafverfolgung freigestellt werden.

Das Elementarste, was ein Staat, der wirklich Demokratie und Rechtlichkeit praktizieren will, hier längst getan hätte, wäre die Inhaftierung einer beträchtlichen Anzahl hoher Repräsentanten und die Beschlagnahmung ihres gesamten Privatvermögens zur Deckung des von ihnen angerichteten Schadens.

Die Zusammenballung und Vernetzung krimineller Energie in den Topetagen des finanzkapitalistischen und politischen Systems, die hier sichtbar wird, läßt Vergleiche wie „Bronx“ oder „Palermo der Nordens“ für Berlin, die schon öffentlich gebracht wurden, zu schwach aussehen. Es handelt sich darum, daß ein Top-Filzzentrum innerhalb der herrschenden Klasse der BRD systematischen Diebstahl am öffentlichen Vermögen begeht. Die arbeitende Bevölkerung zahlt ohnehin längst Steuern und Abgaben in erdrückendem Maß - die Staatsquote beträgt deutlich über 50% -,  sieht aber seit langem schon nicht mehr annähernd entsprechende Leistungen des Staates, sondern „Geldmangel“ und Verfall der öffentlichen Aufgaben. Die politischen Repräsentanten, die es jetzt wagen, der Bevölkerung noch größere Belastungen an Steuern und Gebühren anzukündigen und weitere Verschlechterungen der öffentlichen Leistungen dazu, nur damit sie und ihre kriminellen Freunde weitermachen können,  haben jede Verantwortung für die Allgemeinheit über Bord geworfen und jedes Realitätsgefühl eingebüßt. Es handelt sich um stinkende Fäulnis im Mark der herrschenden Kreise, es handelt sich darum, daß frühere Aussagen der revolutionären sozialistischen Bewegung, daß dieses Regime des Finanzkapitals sterbender, untergehender Kapitalismus ist, erneut voll gerechtfertigt werden, und dies ist die Diskussion, die jetzt vor allem ansteht. Es handelt sich darum, daß die Beseitigung dieses Systems gerechtfertiger und dringender ist als bei jedem ancien regime von früher.

Wenn dem massiv widersprochen wird, braucht einen das nicht zu wundern, denn nirgendwo hat sich in dem Maße wie in (West-) Berlin die Mentalität des Geldnehmens und Geldausgebens verfestigt, das aus der Arbeit Anderer stammt, und sie hat viele Hunderttausende Menschen ergriffen. Auch das muß in der Debatte zur Sprache kommen

Die Parteien versuchen jetzt, die gesamte öffentliche Behandlung auf „Weitermachen“ zu konditionieren. Hier wird z.B. gesagt, der Steuerzahler müsse die Milliarden Neuverschuldung schon deswegen bezahlen, weil es um 16.000 Arbeitsplätze bei der Bankgesellschaft gehe. Arbeitsplätze? Es sind doch schon viele hunderttausende Arbeitsplätze, die allein in Berlin aufgrund der Existenz des wirtschaftskriminell-politischen Sumpfes, der hier seit 5 Jahrzehnten herrscht und alles erstickt außer Perversion, Dekadenz und Käuflichkeit, verloren gegangen sind,  und es werden viele mit Sicherheit weiter verlorengehen, schon wegen der weiter zunehmenden erdrückenden Schuldenlast. Wie viele Kinder wurden allein deswegen nicht geboren, weil schon der bisherige Senat Kitas, Sozialleistungen, Erziehungseinrichtungen unter ein Schrumpfregime gestellt hat? Diese angebliche  Sorge um die Arbeitsplätze der Bankgesellschaft ist reine Heuchelei, die bloß das Mistbeet der herrschenden Kreise retten soll. Wenn die Beschäftigten der Bankgesellschaft wirklich um Arbeitsplätze kämpfen wollen, dann sollten sie beim Aufdecken und Zur-Verantwortung-Ziehen selbst großes Engagement zeigen, sonst kann die Öffentlichkeit kein Interesse entwickeln, sie zu unterstützen.

 
Weiter wird an Verschiebungen im Parteiengefüge gebastelt, um eine „glaubwürdige“ neue Regierung hinzukriegen, von der die Bevölkerung ihre neue Schröpfung schließlich akzeptiert, sogar ein sog. Volksbegehren wird dazu eingeleitet. Es gibt aber in diesem parlamentarischen System Berlins keine glaubwürdige Partei, denn alle sind Mitwisser und Mitprofiteure des Berliner Sumpfes, wenn auch in unterschiedlichem Maße, daher ist auch das Volksbegehren versuchter Mißbrauch des Volkes. Die Bevölkerung kann auch kein Interesse an einer verstärkten Beteiligung etwa der Grünen haben, die bereits früher einmal in der Regierung waren - um ihre sehr speziellen politischen Ziele zu fördern, nicht aber, um der Korruption wirklich entgegenzutreten. Die grüne Partei ist die Partei der „Staatsknete“ par excellence, und eine solche Partei wird am allerwenigsten etwas ändern. Außerdem hat sie in der Bundesregierung gezeigt, daß sie bei der Durchsetzung von Forderungen des Finanzkapitals sogar besondere Anstrengungen entwickelt, wie z.B. bei der sog. Rentenreform. Jetzt wird auch von manchen die PDS höher gehandelt. Diese Partei zeigt aber wesentlich mehr Interesse daran, die frühere sozialistisch-kommunistische Bewegung im Interesse des herrschenden Finanzkapitals zu verleumden, als daß sie eine ernsthafte Arbeit für die Aufdeckungen und Bekämpfung der Korruption leisten würde. 

Vor wenigen Wochen hat das deutsche ‘demokratische und rechtsstaatliche’ System unter Federführung von SPD und Grünen eine Rentenreform beschlossen. Daß sie durch die Pflicht zur zusätzlichen privaten Rentenversicherung die Belastungen erhöht, ist nur ihr bis jetzt sichtbarer Teil. Was wahrscheinlich sehr viel schwerer wiegt, ist die Kanalisierung von hunderten von Milliarden aus Arbeitseinkommen in die Kassen genau dieses Finanzkapitals, das im Falle der Bankgesellschaft immerhin Teile seines wahren Gesichtes zeigt, und die Gehilfenrolle des Staates bei dieser gigantischen Manipulation, die die arbeitende Bevölkerung auf die Dauer noch weit mehr kosten wird als der Bankgesellschaft-Skandal. 

Zum Mindesten, was jetzt erfolgen muß, gehören:

  • die vollständige Aufdeckung über Korruption und Verbrechen im Regierungs-Bankensumpf, die Benennung der Verantwortlichen und ihre Anklage vor Öffentlichkeit und Justiz

  • die Zerschlagung der Strukturen und Firmen, über die hauptsächlich die Dinge gelaufen sind

  • die ernsthafte politische Diskussion, in was für einem gesellschaftlichen System wir eigentlich leben und in Zukunft leben wollen.


W. Grobe (Mitglied der Redaktion NE)
7.6.2001