Internet Statement 2004-69



Die Verbrechen gegen das irakische Volk und Seiten des Widerstandes


Die Medien berichten weltweit vom Angriff der Truppen der USA und ihrer Verbündeten auf Falludscha und versuchen, dies als das zentrale Ereignis der jetzigen irakischen Entwicklung darzustellen. Es gehe angeblich um die Sicherung der Wahlen, um die von den USA selbst installierte Regierung. Wir halten es für notwendig, angesichts des breiten Widerstandes im Irak, aber zugleich auch angesichts der undurchsichtigen Lage in diesem Widerstand das Augenmerk auf das Grundsätzliche des ganzen Geschehens im Irak zu lenken.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben die USA unter maßgeblicher Leitung von George W. Bush und seiner Administration einen Krieg gegen den Irak begonnen, der im unmittelbaren Sinne ein zerstörerischer Eroberungskrieg, ein Massenvernichtungskrieg ist, der weltweit mit allen Mitteln zu isolieren und zu Fall zu bringen ist. Die verbrecherischen Attentate von New York wurden benutzt, um unmittelbar darauf den Krieg gegen den Irak unter dem Vorwand des Sturzes der Regierung Saddam Hussein in die Wege zu leiten. Das Zusammenspiel der USA mit Kräften des Neoislam, dem islamischen Fundamentalismus, ist nunmehr von vielen Menschen wahrgenommen und in Einzelheiten beschrieben worden, bis dahin, daß die führenden Gruppen in den USA, Bush und andere, Beziehungen zu eben den gleichen Kreisen haben, zu denen auch der ominöse Bin Laden und die sog. Al-Kaida ihre Beziehungen haben. In Afghanistan, in dem sog. tschetschenischen Widerstand, in einigen Gebieten der GUS haben sich Brutnester der Zusammenarbeit des CIA und islamisch-fundamentalistischer Kräfte seit langem ergeben. Saudi-Arabien ist ein Hauptversorger des islamischen Fundamentalismus und von seiner Gründung an ein Vorposten der angelsächsischen Mächte. All diese Fakten liegen klar auf dem Tisch, trotzdem haben die USA unter dem Vorwand der Anschläge islamistischer Gangster diesen Krieg begonnen.

Dieser Krieg ist ein ungeheuerliches Verbrechen der USA, Großbritanniens und ihrer Verbündeten gegen das irakische Volk. Er hat Facetten, die in der Öffentlichkeit leicht verloren gehen. Daß die USA Schwierigkeiten haben und es mit Aufständischen verschiedenster Art zu tun haben, erfahren wir alltäglich aus den Medien. Daß die eingesetzte „Regierung" von den Besatzungsmächten abhängig ist, wird ebenfalls mit Augenzwinkern oder direkt in unseren Medien erwähnt. Insofern ist schon Klarheit geschaffen. Aber trotzdem muß man weiter hinterfragen, welchen Weg der Widerstand, so wie er sich bisher gezeigt hat, eigentlich nimmt.
Den Berichten zufolge besteht dieser Widerstand ganz maßgeblich aus Bombenanschlägen, die in vielen Fällen Zivilisten oder Hilfsorganisationen treffen, oder allenfalls Polizeianwärter vor entsprechenden Bürogebäuden, wobei es sich nicht selten um Menschen handelt, die aus ihrer ökonomischen Not keinen anderen Ausweg wissen als dorthin zu gehen. Die Entführungen und Hinrichtungen von Mitgliedern der Hilfsorganisationen oder Unternehmungen – was bewirken sie letztlich? Die Betreffenden, die das organisieren, sagen: alle diese Leute sind Lakaien der USA, deshalb sind sie mit schuldig. Aber das Militär der USA und der Verbündeten, die regulären Kräfte, wird durch diese Aktionen nicht getroffen!

Dagegen bedeutet die völlige Verschleppung des zivilen Wiederaufbaus des Irak für das Gros der Bevölkerung ein Elend, das wir angesichts der Kriegsmeldungen nur wenig wahrnehmen. Jeder Tag im Irak bedeutet für Millionen von Menschen, sich nur um das Elementarste kümmern zu müssen, mit der elementarsten Versorgung nicht ausgestattet zu sein. Man muß mit Wasser- und Stromabstellungen, mit Not auf allen Gebieten rechnen. Wenn sich im Irak nichts entwickelt, bleibt das Land in einer Lage, die die Bevölkerung einem immer größeren erpresserischen Druck aussetzt.

Es ist deshalb sehr wohl auch die Frage zu stellen nach der Art des Widerstandes, der im Irak ausgeübt wird. Wir können dies hier zugegebenermaßen nur unvollständig beurteilen, weil wir nicht wissen, welche militärischen Aktionen es alles gibt. Es kann natürlich sein, daß die Berichterstattung, die sich auf die Bombenanschläge beschränkt, auch nicht den Tatsachen entspricht. Aber man muß damit rechnen, daß die USA auch den Weg einschlagen, ein Land soweit zu ruinieren, oder wie man in deutscher Sprache sagt, auf den Hund zu bringen, bis ihnen große Teile der Bevölkerung gewissermaßen tatsächlich vor die Füße fallen. Auch mit dieser Methodik müssen wir rechnen. Die US-Imperialisten „bearbeiten" das Volk mit einem mit schweren Waffen durchgeführten Vernichtungsterror und arbeiten zugleich mit der Unterminierung und Verfälschung des Widerstandes.

Es fällt auf, daß seitdem die USA mit ihren Truppen im Land stehen, der islamische Fundamentalismus im Irak sein Haupt erhoben hat, natürlich vorwiegend als sog. Opposition, sogar als bewaffnete Opposition. Im Irak entwickelt sich eine „vielfältige" politische Landschaft, die sich untereinander bekämpft und zerfleischt. Man kann dies durchaus als Libanonisierung bezeichnen. Was aber war doch der Irak? Irak war das Land, das über eine eigene Landwirtschaft verfügte, über eine eigene Industrie, er trug relativ starken säkularen Charakter, und damit war dieser Irak eine der Hauptstützen der arabischen Welt überhaupt.
Die USA-Taktik könnte durchaus darauf abzielen, diese Grundlagen des Staates weiter zu erschüttern, die arabische Welt um diese wichtige Nation zu bringen und diese Nation ins absolute Elend zu stürzen. Die Interessen am Wiederanlauf der Öllieferungen und bestimmte Interessen einzelner Firmen im Irak mögen dem widersprechen, wir müssen aber auch mit dieser Methodik der US-imperialistischen Truppen rechnen. Es stellt sich auch die Frage: wenn die USA ihren Angriff auf Falludscha „mit Erfolg" durchführen und die Rebellen zum Rückzug aus der Stadt zwingen sollten, dann werden sie viele weitere Falludschas haben. Die prinzipielle Lage kann durch solch einen Angriff überhaupt nicht geändert werden.


Bei der Solidarität mit dem irakischen Volk wird es darauf ankommen, alle die Bestrebungen im Irak zu unterstützen, die einen in irgendeiner Weise geeinten Widerstand ermöglichen, der auch den Aufbau des Landes miteinbezieht. Wir dürfen nicht vergessen, daß auch während des Krieges das irakische Volk leben muß. Es besteht also insofern auch die Aufforderung an die Kräfte, die den heroischen Widerstandskampf gegen die US-Besatzung führen, nach Möglichkeit eine Konzeption darzulegen, wie sie diesen Kampf vereint führen können und wollen. Die Kräfte im Ausland müssen diesen Prozeß unterstützen. Die Hinterhältigkeit der USA ist immer so angelegt, daß sie auf der einen Seite eine Lakaienregierung schaffen und auf der anderen Seite versuchen, unter den Oppositionellen Fuß zu fassen und dort für Verunsicherung, Durcheinander und Zerstörung zu sorgen. So paralysieren sie Länder.
Man darf sogar nicht vergessen, daß, wenn der Irak eine Regierung hätte, sich Strukturen entwickeln können und die USA sich mit der Gefahr konfrontiert sehen könnten, daß ihnen diese Strukturen aus dem Ruder laufen und tatsächlich ein größerer Widerstand auf breiter Ebene ihnen gegenübertritt. Dagegen sorgen sie mit anderen Methoden vor.

Gegenwärtig verfügen wohl alle Organisationen außerhalb des Irak und der arabischen Welt nicht über die notwendigen Informationen, um die Einzelheiten des Kampfes beurteilen zu können. Aber es besteht auch die Erfordernis, daß hier die Erfahrungen, die sich in der Auseinandersetzung mit dem USA-Imperialismus und vergleichbaren Kräften im Lauf der Jahrzehnte entwickelt haben, ausgewertet werden.
Es sollte in diesem Zusammenhang auch nicht übergangen werden, daß es hierzulande einige wenige Kräfte gab, darunter allerdings auch sog. Linke, die die Opposition gegen diesen Krieg kritisierten und die Regierung wegen Nichtteilnahme an diesem Krieg angriffen. Man erinnere sich an die Position der Angela Merkel, des Friedbert Pflüger u.a., die offen diesen Krieg unterstützt haben, oder an Kräfte der autonomen Szene, die sich offen auf die Seite der USA gestellt haben oder zumindest verdeckt diesen Krieg unterstützt haben. Oder man denke an Propagandisten wie Andrea Schön von der Zeitschrift „Offensiv" oder den „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD", die de facto auf seiten des USA-Imperialismus Partei ergriffen haben. Dies muß hier noch einmal verurteilt werden.

Red. Neue Einheit
-hd

8.11.2004

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