Internet Statement 2004-74

 

  Über den Nazifaschismus  -  Eckpunkte Nr.1


Zur Zeit versucht man den Hitlerismus durch die Hintertür wieder zu fördern, gewissermaßen wieder in Mode zu bringen. Filme erscheinen mit der leicht erkennbaren Absicht, Verständnis zu wecken, es wird systematisch die NPD aufgewertet, in deren Hintergrund offen neonazistische Kräfte, die sich auf die finsteren Kulte der Hitleristen wie auf andere obskure rassistische Lehren berufen, in die Politik eingegliedert werden. Wie auch schon in den zwanziger Jahren sind entwurzelte Menschengruppen, die keine Orientierung haben, der Boden, auf dem diese Strömung gedeiht. Wir danken es den inneren Auseinandersetzungen der Bundesrepublik, daß wir wissen, daß ein großer Teil der Kader der NPD, und zwar gerade derjenigen, die mit der offensten, am meisten obskuren rassistischen Hetze hervortreten, faktisch in Spionagediensten des bundesdeutschen Staates und einzelner seiner Organe stehen. Es lag auch hier eine Förderung dieser Partei vor, also hatte man Absichten, sie gegenüber der Bevölkerung einzusetzen.

Nach der fatalen Wirkung des Aufstiegs des Hitlerismus in den zwanziger und dreißiger Jahren, seinen Zerstörungen und der Tatsache, daß er dazu diente, faktisch die Selbständigkeit Deutschlands zu liquidieren, vor allem die revolutionäre Arbeiterbewegung in Deutschland, die der größte Block der Arbeiterbewegung auf der Welt war, zu vernichten, angesichts der jetzigen angespannten innen- und außenpolitischen Lage und der internationalen Versuche, neue Brandherde zu schaffen, ist diese gezielte Aufwertung des Neonazismus ein erstrangiges Thema, gleichwohl man glauben mag, daß sich in der Geschichte solche Vorgänge wie der nazifaschistische Aufstieg nicht einfach wiederholen. Es genügt aber, daß diese Kräfte neuen Auftrieb bekommen, um schädlichste Auswirkungen für Deutschland wie für Europa, wie für die Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus im allgemeinen hervorzurufen. Nicht noch einmal! Das ist die richtige Reaktion. Deshalb muß mit aller Härte und Klarheit auf diese langangelegte Provokation reagiert werden.

Es ist deshalb neben ausführlicher Behandlung des Themas Hitlerismus und Nazifaschismus auch sinnvoll, auf einzelne, besonders markante und die Verkommenheit beweisende Äußerungen und Zitate des Hitlerismus hinzuweisen, die den Charakter dieser Bewegung aufzeigen. Es gibt auch zu viele Vorurteile darüber, was der Nazifaschismus repräsentiert. Da ist von “Nationalisten” die Rede, manchmal sogar von “Antikapitalisten”, und manchmal werden Kräfte, die dem Lager des Konservatismus angehören, praktisch mit den Nazifaschisten gleichgesetzt.
Für den Nazifaschismus sind solche abstrakten Ideen wie der sogenannte “absolute Gehorsam” charakteristisch, das Anbeten des sogenannten “Rassegefühls” oder die Ablehnung der Wissenschaftlichkeit. Sind solche Erscheinungen aber etwa als ein allgemeines Produkt der deutschen Geschichte oder als typisch für die deutsche Entwicklung zu betrachten? Sie sind ein Resultat der zugespitzten Klassenwidersprüche im Inneren der Epoche nach 1918, und sie sind gewaltsam unter den Bedingungen der Beherrschung von außen aufgepfropft. Ganz sicher gibt es einen Boden, der sich seit hundert Jahren in Form eines Irrationalismus in der bürgerlichen Ideologie, in Form eines fanatisierten Idealismus [1] vorbereitete, aber man kommt bei der Analyse eines derartigen Phänomens nicht darum herum, die Kombination mehrerer Faktoren heranzuziehen.

Ein Grund, warum sich in der Weimarer Republik der Hitlerfaschismus so ausbreiten konnte, lag darin, daß man ihn öffentlich nie richtig in der Substanz getroffen hat. Die Propaganda der KPD traf die NSDAP immer an den Oberflächenerscheinungen, wie daß sie hier und da mit dem Kapital unter einer Decke steckte, mit der Anprangerung ihres Terrors gegenüber der Arbeiterbewegung, aber die Fragen etwa des Rassismus, die Quelle der antijüdischen Diffamierung, der Haß auf den Fortschritt und der entsprechende Haß auf den Marxismus, die dem Nazismus so zutiefst eigen ist, wurden nicht zum Gegenstand einer ausführlichen Gegenpropaganda gemacht. Diesbezügliche Äußerungen sind Ausnahmen. Überhaupt versuchte man gar nicht die geschichtliche Stellung des Nazifaschismus zu Deutschland, also dem Land, das er angeblich vertreten wollte, herauszuarbeiten.


II.  Die Hetze gegen das eigene Volk

Sehr charakteristisch sind die Zitate, die vom “absoluten Gehorsam”, von der Verachtung der breiten Masse zeugen. Der Hitlerismus, der in der Öffentlichkeit behauptete, er wolle sich für die “kleinen Leute” einsetzen, hatte in Wirklichkeit gegenüber der großen Mehrheit der Menschen die größte Verachtung übrig, denn diese stellte er als manipulierbare, dumme Masse dar,  der man mit um so dümmerer Propaganda kommen müsse, um sie zu verführen. Die sogenannten “kleinen Leute”, die den Hitlerismus wählten, wählten also eine Partei, die sie erklärtermaßen für den letzten Dreck hielt. Man muß fragen, wie so etwas möglich ist.

Die Zeit von 1850 bis 1930 war eine Zeit, in der die Industrialisierung und die Durchdringung mit Wissenschaftlichkeit immer weiter voran schritten. Das Durchdringen sowohl der Natur als auch der gesellschaftlichen Zusammenhänge ging in Deutschland aufgrund günstiger historischer und materieller Bedingungen mit Riesenschritten voran, und man konnte feststellen, daß in verschiedenen wissenschaftlichen Zweigen, etwa der Physik aber auch der gesellschaftlichen Lehre, Deutschland gewissermaßen an der Spitze war. Und in solch einem Land kommt nach dem Zusammenbruch des ersten Weltkrieges ein derartiges Subjekt, erklärt den Wissenschaften den Krieg und setzt an ihre Stelle das “Rassegefühl” und eine sogenannte “Rasselehre”, die die Menschen ähnlich wie nach Zuchtprinzipien von Kaninchen oder Hunden einteilt, die einen sogenannten “Arierbegriff” prägte, der nichts, aber auch gar nichts mit einer wissenschaftlichen Untersuchung etwa über die Herkunft der indoeuropäischen Völker, zu denen die meisten Völker Europas gehören, zu tun hat. Nach der Naziideologie ist dieses “Blutsgefühl” absolut, “von oben kommend” vorgegeben und kann nicht umgestoßen werden, hat sich auch nicht aus der menschlichen Geschichte entwickelt, denn dann, wenn man das anerkennen würde, müßte man ja auch die Weiterentwicklung der Geschichte analysieren. Die hitleristische “Rassenlehre” war ein Angriff auf jedes wissenschaftliche und rationale Denken und somit ein Angriff auf alles das, was in diesem Land an Progressivem in den letzten achtzig Jahren, man kann sogar sagen in den letzten zweihundert Jahren, erreicht worden war. 

Man muß also fragen: woher kommen solche Ideen wie die vom “absoluten Gehorsam”?  Neben den Hitlerschen  Reden, dem Buch “Mein Kampf” und dem Buch eines gewissen Rosenberg über den “Mythos des zwanzigsten Jahrhunderts” sind insbesondere die Reden Hitlers, die er an hohe Vertreter des Kapitals richtete, hierzu von Interesse. Da gibt es 1927 eine Denkschrift [2], mit der er an die Großunternehmer herantritt. Im Jahr 1931 gab es ein Interview, das der deutschnationale Politiker und Zeitungsredakteur Breiting mit Hitler führte und das ersterer ausführlich mitstenographierte. Dieses Dokument, das der Betreffende nach der Machtergreifung sich weigerte an Hitler auszuliefern, weshalb er Verfolgungsmaßnahmen unterlag, stellt eine hoch interessante Ergänzung zu allgemein bekannten öffentlichen Äußerungen jenes Rassisten Adolf Hitler dar. Es heißt hier sehr charakteristisch, wie er mit dem ganzen bürgerlichen System abrechnen wolle:

“Wir befehlen, Sie gehorchen. Jeder Widerstand wird rücksichtslos gebrochen. Ich dulde überhaupt keinen Widerspruch. Bei uns gibt es nur Unterordnung, nur Autorität nach unten, nur Verantwortung nach oben. Sagen Sie nur dem deutschen Bürgertum, daß ich mit ihm viel eher fertig werde als mit dem Marxismus. Das Bürgertum ist auch Schuld daran, daß der Marxismus als Seuche am Volkskörper sich tief einfressen konnte.Der Marxismus wird mit Stumpf und Stiel ausgerottet.” usw. usf. [3]

Ähnliche Äußerungen hat man auch in Propagandareden oder im Buch “Mein Kampf”. Ist das aber nun überhaupt ein typisches Element der deutschen Geschichte? Das darf man entschieden bezweifeln. Deutschland selbst entstand als eine Macht des Feudalismus aus den Wirren der Völkerwanderungskriege, mit denen die Sklaverei und die völlige Unterordnung, wie etwa im römischen Imperium, überwunden wurde. Dieser Feudalismus mit seiner viel größeren Entscheidungsfreiheit  für die einzelnen Mitglieder der herrschenden Klasse  und auch mit einem gewissen Entscheidungsspielraum für die abhängigen bäuerlichen Massen war ein neues revolutionäres System gegenüber den antiken Systemen, insbesondere dem kaiserlichen römischen Reich. Aufgrund dieser neuen Strukturen nahm dieser Staat zunächst über 300 Jahre einen großen, wegweisenden Aufschwung. Dann kamen andere europäische Staaten und begannen Deutschland zu überholen. Seine Schwächen waren   Zersplitterung, mangelhafte Weiterentwicklung aufgrund dessen, daß sich die verschiedenen Teilstaaten gegenseitig paralysierten und daß zusätzlich durch äußere Intervention die Entwicklung vermauert wurde.

 Die herrschenden Klassen erlaubten sich an verschiedenen Punkten ein unglaubliches Unrecht gegenüber dem eigenen Volk, aber das taten die herrschenden Klassen in anderen Ländern ebenfalls. Wegen der Aussichtslosigkeit der Entwicklung war auch in Deutschland der Nihilismus, die Verleugnung des geschichtlichen Fortschrittes lange Zeit gerade bei kleinbürgerlichen Elementen verbreitet. Das alles trägt zur Erklärung des späteren katastrophalen Entwicklung im 20 Jahrhundert bei, kann sie aber nicht in ihrer Substanz erklären. 

Um den Hitlerismus zu erklären, um seine ganze Einstellung zu begreifen, die im Grunde genommen eine Kriegserklärung gegen die gesamte Zivilisation, wie sie in Deutschland entwickelt worden war, darstellt, muß man auf die Umstände der Weimarer Republik zu sprechen kommen. Schon vor dem 1. Weltkrieg hatten sich obskure rassistische Sekten getroffen, hatte sich ein Antisemitismus gebildet, in dem Kleinbürger ihren Ärger über die moderne weltumspannende kapitalistische Entwicklung abreagierten und sich selbst vernebelten.


III.

Zu einem Durchbruch aber gehörte viel mehr, zu dem Durchbruch gehörten die Verwerfungen des 1.Weltkrieges, mit seiner Barbarisierung und mit seinem Ende, in dem ausländische kapitalistische Mächte faktisch Zugriff auf dieses Land nahmen. Gerade der Krieg im Osten brachte eine außerordentliche Verwilderung, gerade das Diktat gegenüber dem revolutionären Rußland und der Raub und die Requirierung im Südosten, der Ukraine und weiter bis zum Kaukasus hin, brachten diese Mentalität des Diktats und des Gehorsams hervor. Sie ist in der Tendenz dem ganzen Imperialismus eigen. Als der Krieg zu Ende ging und der kaiserliche Staat als ein Schwindler vor der  Mehrheit des Volkes stand, gab es erst einmal eine revolutionäre Welle, die wirkliche Massenbewegung für ein Rätedeutschland. Da aber diese Bewegung nicht zum wirklichen Bruch führte, sondern in ihr die maßgeblich führenden Sozialdemokraten, die zuvor noch dem kaiserlichen Krieg gedient hatten, vorübergehend das Aussehen wechselten und führende Stellungen gewannen und dieser Bewegung die Spitze brachen, kam die Sache erst mal in eine Sackgasse. Für viele im Grunde bürgerliche Menschen, die an dieser Bewegung teilnahmen, und die Sache nur vom Rande her begriffen, erschien dies als ein großes Chaos, als ein fehlgeschlagenes Chaos, und sie fielen zurück.

Am 8. Januar 1918 hatte der damalige Präsident der USA Wilson in seiner sogenannten ”14-Punkte-Rede” die „Menschenrechte“ erwähnt und einen “gerechten Frieden” in Aussicht gestellt. Danach kam der Waffenstillstands von Compiègne, der schon ein fast vollständiges Diktat und die Kontrolle des Landes beinhaltete, was im  Versailler Vertrag fortgesetzt wurde. Rücksichtslos wurde nun von der “Macht des Stärkeren” gesprochen und eine Ausbeutung dieses Landes für die Dauer von Generationen festgelegt, fast für die gesamte restliche Dauer des Jahrhunderts. Auch im weiteren wurde mit dem Land umgegangen, als wenn es ein absolutes Nichts wäre. Alle Versuche von Seiten bürgerlicher Kräfte, die verschiedenen internationalen Kräfte gegeneinander auszuspielen, verliefen mehr oder minder im Sande.

Diese Vorgänge fanden im Inneren ihre Widerspiegelung. Unter diesen Bedingungen fanden solche Ideen leichte Verbreitung, wie daß man sich gerade so verhalten müsse wie diese Ententemächte und die USA, dann habe man Erfolg.  Die ganzen Hitlerschen internationalen politischen Ideen sind eine genaue Widerspiegelung dieser Verhaltensweisen der Entente und ihrer Absichten innerhalb Deutschlands selbst. Die barbarischen faschistischen Ideen hatten einen ersten Aufschwung in den ersten Jahren der Weimarer Republik.

1929 kündigte sich eine schwere Krise, die große Weltwirtschaftskrise, innerhalb der internationalen Wirtschaft an, die namentlich auch mit der deutschen Krise in Verbindung stand. Und es war klar, daß man in dem Land, das unter der doppelten Knute der inländischen wie der ausländischen Ausbeutung stand und in dem es zugleich galt, die immer noch organisierteste Arbeiterbewegung der Welt zu zerschlagen, mit allen Mitteln der Unterdrückung, der Täuschung und der Zersetzung auch zusätzlich von außen vorzugehen habe. Und schon mit den ersten Ankündigungen dieser Krise wurden Ideen ausgebrütet, daß man rücksichtslos die  Mehrheitsbevölkerung zu unterdrücken habe und Widerspruchslosigkeit und Ablehnung jeder Demokratie zum Grundprinzip der Gesellschaft machen müsse. Es nimmt nicht Wunder, daß unter solchen Bedingungen die nazifaschistische Partei gerade von 1929  ab massivste Unterstützung durch in- wie ausländisches Kapital erfuhr. Die Naziideen waren jetzt erst recht das genaue Spiegelbild dieser Absichten des Kapitals. Nach außen hin wildes Geschrei gegen Versailler Vertrag, gegen „Plutokraten“, gegen Finanzkapital, tatsächlich der ärgste Erfüllungsgehilfe von alledem und von allen übrigen alten und neuen Ausbeutern im Lande dazu. Dieser Betrug , der auf dem Verrat und der Niedertracht der bürgerlichen Parteien seine Suppe kochte, um diesen bei weitem zu übersteigern, mußte von Anfang an das äußerste Augenmerk der Kommunistischen Partei haben, hatte es aber nicht.


Übrigens werden solche Ideen auch jetzt wieder propagiert. Auch jetzt kommt der Kapitalismus und möchte am liebsten Verhältnisse der absoluten gewerkschaftlichen Rechtlosigkeit einführen, eine Börse der Arbeitskräfte, wo sich zum Beispiel die einzelnen “Arbeitnehmer” beim Anbieten ihrer Arbeitskraft bis zur völligen Selbstvernichtung gegenseitig unterbieten dürfen. Dies ist das Resultat dessen, daß die internationale Diktatur des Kapitals sich heute dank „friedlicher Revolution“ ungeniert hat ausbreiten können und nun demonstrieren will, was sie mit den Massen angesichts ihrer Krise vorhat. Denn wenn die Massen friedlich sind, heißt es noch lange nicht, daß das Kapital friedlich ist, im Gegenteil. es ist dann in seinem Vorgehen um so rücksichtsloser.

Damals war es auch so. Damals kam angesichts der Sackgasse des Kapitalismus die Idee auf, all die Probleme nach unten abzulasten. Neben den kolonialen Ländern, die auf das brutalste unterdrückt wurden, war es gerade Deutschland, das quasi selbst unter einem solchen Vorherrschaftssystem stand, das für diese Unterdrückung prädestiniert war.

Es ist unzweifelhaft, daß der Hitlerismus schon in den frühen zwanziger Jahren massiv von amerikanischem Geld wie auch aus Ententestaaten gefördert wurde. In Wirklichkeit liegt also zwischen den hitleristischen „Ideen“ der absoluten Unterordnung und Unterdrückung, der völligen Mißachtung der Massen und den Ideen der internationalen imperialistischen Hauptmächte eine enge Verwandtschaft vor. Dies verbindet sich mit den Erfahrungen des gerade zuvor selbst ausgeübten imperialistischen Krieges. Dies überschneidet sich selbstverständlich auch mit den Ideen von Kapitalisten in Deutschland wie Siemens oder anderen, die damals den Hitlerismus begrüßten, weil sie in ihm den Schutz vor der Arbeiterbewegung sahen, genauso wie ländliche Machthaber und Großgrundbesitzer, die sich ihrer Landarbeiter erwehren wollten, darin ihr Heil sahen. Die Hauptsache bildet diese Kombination, der Verankerungspunkt  sind genau die internationalen Mächte des Kapitalismus, einschließlich der mit ihnen verbündete Kapitalgruppen wie den Kohle- und Stahlkartellen oder auch den großen beherrschenden Banken.

“Deutschlandspezifisch” ist daran nur, daß an bestimmten Vorurteilen von Kleinbürgern, bestimmtem eng begrenztem Blutsdenken bei rückständigen Dörflern und Kleinstädtern, sogenannten “Völkischen”, angeknüpft wurde. Dagegen aber stehen ganz andere Traditionen, wie die internationale Verknüpfung Deutschlands seit Jahrhunderten, seit den Anfängen, die Verwobenheit mit zahlreichen anderen Kulturen. Von diesen viel wichtigeren Seiten her gesehen, ist der Hitlerismus regelrecht der Mord an Deutschland, der von den Manövern der Reaktionäre zumindest zum Teil beabsichtigt war. Für sie galt es, mit Deutschland, das seit achtzig Jahren eine den gesamten Kapitalismus in Frage stellende politische Bewegung der Arbeiterklasse in sich trug, diese Bewegung zu vernichten.

Der Nazifaschismus steht in seinem Gehalt dieser hauptsächlichen Seite unserer Geschichte direkt zuwider  und er wurde unter der Maske einer riesenhaften Propaganda, der scheinbaren Konfrontation mit denjenigen Mächten, die ihn selbst anstachelten und finanzierten, in der Öffentlichkeit in Szene gesetzt, und zwar mit keinem anderen Ziel, als große, vor allem rückständigere Teile des Volkes massiv zu täuschen.


IV.

1920 stellte Lenin fest, daß Deutschland zusammen mit den Kolonien, und einigen anderen Staaten, die von dem Versailler Vertrag unterdrückt wurden, einen großen Komplex von Staaten bildete, die in die Zone der Ausbeutung gehörten. An anderer Stelle stellte er fest, daß alle Staaten der alten kapitalistischen Welt auf Deutschland einhacken und es nicht hochkommen lassen. [4] Es wäre angebracht und auch chancenreich gewesen, daß gerade in der Weimarer Republik Ideen aufgekommen wären, sich mit diesen anderen Staaten gegen diese Ausbeutung zu verbinden und von daher Widerstand gegen dieses System der Entente und des dahinter steckenden USA-Imperialismus zu leisten. Daß dies nicht genutzt wurde, hängt mit verschiedenen Fehlern, mit den Anschauungen und auch der grundsätzlichen Stellung der Sozialdemokratie, aber auch den Fehlern der Komintern und der KPD, auch der KPdSU zusammen, die viele Ratschläge Lenins, der die objektiven Wurzeln der Verkleinbürgerlichung der Arbeiterbewegung und die Bedeutung des Kampfes der Völker des Ostens herausarbeitete, nicht mehr richtig beachteten.

Auch nur ein Ansatz einer solchen Politik wurde von dem „Nationalsozialismus“ auf das Entschiedenste abgelehnt. Diese angeblichen Vertreter einer unterdrückten Nation schrien nach der vermehrten Ausbeutung und Mißhandlung der unterdrückten Nationen. Diese Richtung erklärte in einer besonderen Weise die Ausbeutung anderer Staaten zum Prinzip und lehrte einem Land, das selbst zu den ausgebeuteten Objekten gehörte, daß es sich angeblich an die Spitze aller Ausbeutung zu stellen habe. Das hatte in der Renitenz des Kleinbürgertums und einer jahrhundertealten Bourgeoisie gegenüber der Proletarisierung seine Grundlage.

Ganz in diesem Sinne ein Angriffspunkt der Nazifaschisten war die von einigen bürgerlichen Politikern betriebene Bündnispolitik mit der Sowjetunion. Das Bündnis mit England und den USA bildet den zentralen Angelpunkt dieser verbrecherischen Richtung. Das hindert spätere Propagandisten nicht, zu behaupten, daß die USA uns vom Nazifaschismus befreit hätten. Auch unter sogenannten “Linken” gibt es solche Kräfte, die diese Behauptung verbreiten und über alle möglichen Kanäle den USA-Imperialismus zu beschönigen versuchen. Umgekehrt möchten sie erklären, daß die Deutschen mit diesem Nazifaschismus, der von Anfang an alles radikal unterdrückt hat, was in Deutschland fortschrittlich war, identisch seien. Diese Lehren etwa der “Antideutschen” und anderer “autonomer” Kräfte mit ihrer zentrierten Hetze gegen eine Nation sind in Wirklichkeit mit dem Nazifaschismus wesensidentisch. 

Die von Anfang an vorhandene antijüdische Hetze dieser Kreise, die sich am Schluß der Herrschaft des Nazifaschismus in das vertierteste Verbrechertum verwandelte, wie die Ermordung von Millionen jüdischer Mitbürger, Kleinbürger, Arbeiter und Arbeiterinnen, diente ebenfalls dazu, die gesamte Gesellschaft immer tiefer zu reißen, die gesamte  Zivilisation anzugreifen.

Wenn man von der Aufgabe redet, diesen faschistischen Strömungen ihre Demagogie zu zerstören, dann muß man trotzdem noch eine Gefährlichkeit sehen. Denn wenn die bürgerlichen Parteien einen großen Teil der Bevölkerung in die völlige Aussichtslosigkeit stellen, dann treiben sie diese Bevölkerung den Neonazis zu. Diese kommen und sagen, daß sie wenigstens etwas von einem Konzept haben und wenigstens Protest ausdrücken. Der Kampf dagegen steht und fällt mit der Aufgabe, eine wirkliche Alternative anzubieten. Der Schock über den Zusammenbruch des „Sozialismus“ (richtiger Revisionismus) sitzt tief. Alles steht und fällt damit, daß wir ein Konzept entwickeln,  daß wir auf der Grundlage der heutigen modernen Produktion eine glaubwürdige und durchsetzbare Alternative entwickeln. Der Kampf um die Partei stellt ein Kettenglied bei dem gesamten Kampf gegen den Neofaschismus dar.


V.

Um die Verbindung mit dem ausländischen Kapital zu schildern, wird öfter auf die Förderung des Hitlerismus durch Kapitalmagnaten  wie Henry Ford (USA) oder Deterding (Ölkönig aus Großbritannien) verwiesen. Es ist aber die Frage, ob dies alles ist. Wir wissen heute, daß seit dem Herbst des Jahres 1918 die USA die deutsche Innenpolitik in Augenschein und Kontrolle nahmen und sich den einzelnen Parteien sehr deutlich widmeten.

Und da gibt es ein Beispiel, daß um so mehr aufmerken läßt, das unter Historikern längst bekannt ist, aber in der Öffentlichkeit nicht entsprechend gewürdigt wird. Da gibt es einen gewissen Ernst Hanfstaengl, ursprünglich Sohn eines Münchener Kunsthändlers, der seine Jugend in den USA verbrachte. Er gehörte dort zu den unmittelbaren Bekannten der einflußreichen Roosevelt-Familie, aus der sowohl der berühmt-berüchtigte „big stick“ Präsident Theodore Roosevelt als auch der spätere Präsident Franklin D. Roosevelt hervorgegangen sind. Ausgerechnet diese Person gehörte seit 1922 zu dem unmittelbaren Umgang des Adolf Hitler, nahm politisch Einfluß auf diesen und bekleidete später das Amt eines „Auslandspressechefs“. Der amerikanische rechte Historiker Arthur V. Compton zitiert die englische Version der späteren Rechtfertigungsschrift des Hanfstaengl folgendermaßen:

“Im Jahre 1922 stellte er [Hanfstaengl] Hitler die Frage: »Warum haben wir den Krieg verloren?«  Hitler antwortete:  »Weil Amerika in den Krieg eingetreten ist.«  »Wenn Sie das anerkennen«,  entgegnete Hanfstaengl,  »dann sind wir uns einig. Das ist alles, was Sie wissen müssen. Wenn es wieder zu einem Kriege kommt, so wird er unvermeidlich von der Seite gewonnen werden, der Amerika beitritt. Das einzige Programm, das sie zu verfolgen haben, muß die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten sein.«  »Ja, ja«, soll Hitler geantwortet haben, »Sie werden recht haben.« Hanfstaengl schließt: »Dieser Gedanke war aber für ihn so neu, daß er ihn nie verdaut hat.«” [5]

Die Initiierung des Hitlerfaschismus durch genau die Kräfte, die ihn dringend brauchen konnten, die das allervorrangigste Interesse an der Unterdrückung der deutschen Nation und der Arbeiterklasse innerhalb dieser Nation hatten, die Abrichtung eines solchen rechten Subjektes im Interesse des USA-Imperialismus spiegeln sich in diesem Zitat wider. Man mag anzweifeln, ob es durchgängig so vertreten worden ist, andere Beispiele des Zitierten gehen in eine ähnliche Richtung. Tatsache ist, daß jener enge Vertrauensmann aus den Kreisen der USA in engster Verbindung mit der gesamten Entwicklung des Nazifaschismus bis zum Jahre 1937 stand. Erst dann flüchtete er, als nämlich die Entwicklung einen Lauf nahm, daß es möglicherweise zum Zusammenstoß zwischen den USA und den Hitleristen kommen würde, wobei den USA aufgrund der Machtpotentiale von Anfang an klar war, daß dies nur im völligen Chaos und in der Niederlage Europas zugunsten der USA enden konnte.

Zieht man die Substanz der Lehren der Nazifaschisten zusammen, wie sie die Wissenschaften, ein ausführlich reflektierendes Denken diffamieren, wie sie auch die Entwicklung von Warengesellschaft, modernem Handel und  Handelskultur angreifen und verunglimpfen, wie sie der deutschen Nation ihre sogenannten Prinzipien vom “absoluten Gehorsam” aufzwingen und auch mit brutalster Gewalt durchsetzen, so wird am Nazifaschismus deutlich, daß er nicht nur das kapitalistische terroristische Regime im allgemeinen verkörpert, wie es auch gerade in der Revolutionszeit zwischen 1918 und 1923 in den Auseinandersetzungen zwischen dem Unternehmertum und der deutschen Arbeiterklasse zum Ausdruck kam, sondern, mehr noch, daß er die Unterdrückung des Landes selbst durch die Versailler Vertragsmächte, die mit diesen Kapitalisten in mehr oder minder engem Bunde standen, repräsentierte, daß er die brutalste Unterdrückung durch den Young-Plan während der beginnenden Krise von 1929/30 verkörperte. Jemand, der diesen Hitlerismus anerkennt und fördert, der fördert die Vernichtung der eigenen Nation. Das muß man begreifen.

Immer wieder kommen sie mit der gleichen Demagogie, dem aufgetakelten Verhalten, daß sie angeblich “Deutschland” vertreten, und in Wirklichkeit greifen sie alles das an, was die Substanz an Zivilisation in diesem Lande hervorgebracht hat. Sie sind die Agenten, die Spione derjenigen Mächte, die die Vernichtung dieses Landes betreiben. Und das sollte noch im weiteren mit aller Härte herausgearbeitet werden.


Hartmut Dicke
Redaktion Neue Einheit

November 2004                    

 

 


[1] Als Beispiele der verkommenen reaktionären Stellung können hier Schopenhauer und Nietzsche genannt werden. Insbesondere letzterer sog. Philosoph muß als unmittelbarer Wegbereiter des Hitlerismus gesehen werden. Dieser wirre Geist und Protestler 'gegenüber der Zeit' ist zugleich interessanterweise Vorbild bei einer Reihe sich links gebender Schulen, wie etwa der Frankfurter Schule.

[2]  Siehe hierzu nächsten Beitrag zu diesem Thema

[3] Aus: Eduard Calic, "Ohne Maske--Hitler-Breiting Geheimgespräche 1931“, Seite 42

[4] siehe „Lieber Weniger aber Besser“, Lenin Werke Bd. 33, dt. Ausgabe

[5] Aus: James V. Compton,  “Hitler und die USA” Seite 14f., Zitate nach E. Hanfstaengl „Hitler - The Missing Years“

 

 

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