Internet Statement 2005-45

 

Danke Frankreich!

        - die Überschrift liest man in diesen Tagen viele Male!

Erwartungsgemäß hat eine deutliche Mehrheit in Frankreich ein Votum gegen die sog. „EU-Verfassung“ abgegeben, und dies bei einer verhältnismäßig hohen Wahlbeteiligung von 70%.

In Frankreich hat es eine lebendige Diskussion über diese Verfassung gegeben. Je länger die beiden großen Seiten des Non und des Oui einen öffentlichen Streit über ihren Gehalt führten, desto mehr begannen die Franzosen zu begreifen, was es damit auf sich hat: daß diese Verfassung vollkommen unübersichtlich ist, verschwommene Formulierung enthält und vor allem alle Optionen für soziale Verschlechterungen bereithält. Alle typischen Merkmale der sog. Befreiung von Diskriminierung sind enthalten, während gleichzeitig die tatsächliche Diskriminierung der großen Mehrheit auf ökonomischen und politischem Sektor vorangetrieben wird.

Die Diskussion hat sogar die französische parlamentarische Demokratie, die ansonsten kaum einen anderen Charakter hat als in den anderen europäischen Ländern, belebt, und sie brachte zutage, daß entgegen der ganz überwiegenden Mehrheit der parlamentarischen Parteien die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gegen diese Verfassung ist. Aber diese Abstimmung beleuchtet nicht nur das französische Parlament. Sie beleuchtet viel mehr, nämlich die Vorgänge in Europa. Wie beschämend, daß die Mehrheit der Regierungen von vornherein auf ein Referendum verzichten, und vorsichtshalber gleich selbst anstelle des Volkes über die Verfassung abstimmen, in deren Rahmen sie später weiterarbeiten wollen! Würde in Deutschland eine Abstimmung stattfinden, so sähe sie nicht viel anders aus als in Frankreich. Hierzulande aber kennt noch kaum einer den Entwurf - das ist die Methode der bundesdeutschen Demokratie. In Frankreich hat sich von konservativ bis grün alles ins Zeug gelegt, um die Verfassung der Bevölkerung nahezubringen, und es wurde massiver Druck ausgeübt, aber sie haben das Gegenteil erreicht.

Jetzt ist die offizielle Politik erst einmal konsterniert, aber das macht gar nichts, das trägt zur Belebung in Europa bei. Straw (GB), Fini (Italien), Schröder, Fischer, CDU- und FDP-Politiker drücken ihre Enttäuschung aus. Das zeigt, daß hier ein wichtiges Projekt der Bourgeoisie zur weiteren Bevormundung der Völker und Nationen gescheitert ist. Und da haben auch gleich einige die Stirn zu fordern, daß eben ein zweites Mal abgestimmt werde. Das zeigt, was für eine Form von Demokratie sie vertreten.

Wichtig ist: hier wurde nicht gegen Europa abgestimmt, wie manche jetzt lancieren wollen, auch nicht gegen die EU als solche, sondern nur gegen diese Form von Verfassung. Sie gehört in den Müll. Es ist durchaus denkbar, eine Verfassung zu schaffen, die die Zustimmung hat, aber das müßte eine Verfassung sein, die auf der Grundlage der europäischen Nationen die Länder zu wirklichen demokratischen Mehrheitsentscheidungen über wesentliche politische Fragen zusammenschweißt, also müßte sie weitaus mehr Demokratie ermöglichen statt weniger.

Man kann jetzt die Hoffnung ausdrücken, daß von dieser Entscheidung Frankreichs weitere wichtige Impulse für die politische Diskussion in Europa ausgehen.

Redaktion Neue Einheit
30.5.05

 

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