Internet Statement 2005-59

 

Der sog. Atomwaffen-Sperrvertrag und der Iran

11.8.2005    

An der Frage des iranischen Programms der zivilen Nutzung der Atomenergie wird erneut die ganze Problematik des sog. Atomwaffen-Sperrvertrages deutlich. Der Iran kann hier penibel darauf achten, daß er im Rahmen dieses Vertrages bleibt, er duldet, daß durch die Kameras der IAEO die Prozesse der Hexafluorid-Herstellung, das zur Anreicherung des Urans eine Vorstufe bildet, genauestens überwacht werden, und trotzdem wird er noch als Provokateur dargestellt, als derjenige, der die übrige Welt herausfordert. So schreibt die „Frankfurter Rundschau“ am 9. August dieses Jahres: „Iran facht den Atomstreit an.“, und nicht nur diese Zeitung, sondern die Meldungen insgesamt berichten mit dieser Tendenz. Ein Land, das auf seine vertraglichen Rechte pocht, ist der Aggressor, diejenigen, die das Monopol an Atomwaffen haben und vertragswidrig in die zivile Nutzung der Atomenergie durch andere Länder eingreifen, sind diejenigen, die sich vertragsmäßig korrekt verhalten.

Hier schwebt im Hintergrund die tatsächliche Einteilung des Atomwaffen-Sperrvertrages, die einigen wenigen Ländern die uneingeschränkte Produktion von Atomwaffen, die Drohung mit Atomwaffen gegen andere Staaten zubilligt und die schier gar nichts an Rechten auf seiten anderer Staaten dem entgegensetzt außer unverbindlichen Floskeln der gegenseitigen Respektierung, die aber im konkreten Fall überhaupt nichts besagen.

Welches Angebot haben denn die Europäer dem Iran unterbreitet? Es lautet ganz einfach: der Iran verzichtet auf die Anreicherung, und statt dessen bekommt er einen Vertrag zur Versorgung seines Landes mit Kernbrennstoffen durch die europäischen Staaten, vermutlich vor allem durch Frankreich, denn die Bundesrepublik kann in dieser Hinsicht gar nicht helfen Ein Staat, der schon weitgehend auf die Souveränität verzichtet, wie ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland, die die eigene kerntechnische Industrie schon weitgehend demontiert hat und sich immer mehr selbst abhängig macht von ausländischen Lieferungen, etwa bei Gas und Öl, eine Regierung wie die Schröder-Fischer-Regierung, die die Demontage bis zum letzten zu Ende führen will, kommt und sagt, sie wolle einem anderen Land die Lieferung des atomaren Brennstoffes garantieren. Ja, hat man denn richtig gelesen, hat man mit Leuten zu tun, die schwarz und weiß, rechts und links nicht mehr unterscheiden können?

Die europäischen Staaten spielen in dieser Frage die Rolle eines regelrechten Kettenhundes gegenüber dem Iran, die USA können sich abseits stellen und sich sogar hinter den Europäern verstecken. Das entlastet sie, denn zurzeit werden sie weltweit angeprangert wegen ihres Krieges gegen den Irak, und die amerikanische Regierung steht unter dem Druck der eigenen Bevölkerungsmehrheit, die den weitgehenden Bankrott der Bush-Politik im Irak heute auskosten kann. Man erwartet von einem Land, das ringsherum von den USA bedroht wird, daß es sich auf Gedeih und Verderb auf schwache Partner stützt, die ihm angeblich garantierte Verträge geben.

Zweifelsohne ist das Regime im Iran äußerst reaktionär, und gerade wir haben immer wieder auf den blutigen Charakter des theokratischen Regimes hingewiesen. Aber kann das eine Entschuldigung sein für Staaten, die in der Vergangenheit gern mit dem islamischen Fundamentalismus paktiert haben? Die USA haben mit allen reaktionären Regimes im Iran paktiert, früher mit dem Schah, und bei der Initiierung des Mullah-Regimes waren sie auch im Spiel. Der Schah hatte sich im eigenen Land verschlissen und sich auch in Widerspruch zu den USA gebracht. Das veranlaßte ausländische Kräfte, verstärkt die Mullahs ins Spiel zu bringen, damit sie revolutionäre Entwicklungen im Land abfangen. Und so ist es auch geschehen. Vom Jahre 1977 an wurde von den USA über Pakistan in dem gesamten Raum der Fundamentalismus gestärkt. Die islamischen Fundamentalisten, aus denen später die Terroristen der sog. Al-Kaida hervorgegangen sind, sind auf einem Boden gewachsen, der von den USA, von der Politik Carters und Brzezinskis selbst erzeugt worden ist. Und im Iran fand zwischen 1979 und 1981 eine Episode der blutigsten Unterdrückung nach innen hin statt, bei der alles, was sich dem Islam nicht vollkommen beugen wollte, regelrecht ausgemerzt wurde. In dieser Zeit führten die Islamisten eine sog. sog. Besetzung der Botschaft der USA durch, die als heroischer Akt des Widerstandes gegen die USA gefeiert wurde. Tatsächlich mußte man sich fragen, wie die USA die ganze Zeit über die Sache mitspielen konnten. Der damalige Präsident Carter spielte während der ganzen Zeit offensichtlich diese Szene mit, und als der nachfolgende Präsident dies nicht mehr fortführen wollte, bliesen die islamischen Fundamentalisten im Iran das Schauspiel auf der Stelle ab. Der neue Präsident Reagan schickte noch den alten Präsidenten Carter persönlich in den Mittleren Osten, um die Sache abzuwickeln.
Schwindelmanöver und Betrug liegen auch auf seiten dieser Mullahs vor. Sie kannten keine Skrupel um Wege zu finden, um nach innen hin Reaktion zu betreiben.
Damals wurde über diese sog. islamische Revolution auch in den westlichen Medien voller Respekt berichtet. Sie wurde tatsächlich als „Revolution“ und sogar als „Kulturrevolution“ porträtiert, wo sie doch offenkundig die ärgste Reaktion darstellte.

In den letzten Jahren ist das Mullah-Regime nach Bezeugung aller Kenner des Landes in große Schwierigkeiten gekommen, und man sah schon den Punkt heranrücken, wo es von innen her gestürzt werden könnte. Durch den Krieg der USA gegen den Irak hat sich die gesamte Lage verschärft, und Leute wie der neue Präsident Ahmadineschad versuchen sich dadurch zu profilieren, daß sie eine strikte nationale Politik nach außen verfolgen, um somit vor dem Volk zu zeigen, daß sie tatsächlich Widerstand gegen die USA leisten. Sie nutzen dabei auch die Rolle einer Reihe linker Organisationen aus, die in diesen Fragen nur Halbheiten vertreten. Deswegen ist es sehr wohl die Frage, inwieweit die gegenwärtige Zuspitzung nun wirklich auf die Dauer von seiten der iranischen Führung konsequent verfolgt werden wird.

Aber alle diese Fragen rechtfertigen das internationale Atomdiktat, den Atomwaffen-Sperrvertrag und die anmaßende Rolle des Westens, andere Staaten zu kontrollieren und ihnen vorzuschreiben, wie sie ihre Ökonomie aufzubauen haben, in keiner Weise. Was die Gefahr eines atomaren Terrorismus angeht, so müssen die USA wie auch andere Staaten sich an die eigene Nase fassen: wer hat den islamistischen Terrorismus denn großgezogen, wer hat denn die ganze Zeit seine Hände über Afghanistan gehabt, als diese Art von verbrecherischem Bandenwesen entwickelt wurde? Und sind nicht die meisten Terroristen, wie jetzt herausgekommen ist, in Pakistan und Afghanistan beheimatet bzw. dort ausgebildet worden, d.h. genau den Ländern, die seinerzeit die Basis für die US-Infiltration bildeten? Pakistan besitzt ebenfalls Atomwaffen, und es wird keinerlei vergleichbare Drohkulisse dagegen aufgebaut. Man sieht daran, daß es hier darum geht, das iranische progressive Volk, auch die bürgerlichen fortschrittlichen Kräfte im Iran, zu unterdrücken, und es ist in der Tat der Stolz der ganzen iranischen Nation, daß man die eigenständige Atomenergie entwickelt. Deshalb müssen diese Bestrebungen des Iran unterstützt werden und der Atomwaffen-Sperrvertrag auf das schärfste verurteilt werden. Wieder und wieder muß auf diese Ordnung, die den militärischen Garanten der internationalen kapitalistischen Ausbeutung bildet, hingewiesen werden und dagegen gekämpft werden. Angeblich linke Organisationen, die nicht klar und deutlich den Atomwaffen-Sperrvertrag als einen Vertrag des Monopols zur internationalen Erpressung verurteilen, sind letztendlich als Agenten des US-Imperialismus zu brandmarken.

Es muß auch daran erinnert werden, daß die Sowjetunion, als sie längst degeneriert war, zu den Miturhebern des Atomwaffen-Sperrvertrages gehörte, zeitweilig sogar zu den hauptsächlichen Promotoren. Sie trägt die Verantwortung dafür, daß heute die USA an der Spitze des sog. Westens faktisch eine absolute militärische Dominanz haben und sich anmaßen, die gesamte übrige Welt zu kontrollieren. Alle Hoffnungen, die seinerzeit ausgesprochen worden sind, die atomaren Mächte, an der Spitze die USA, würden ihre Atomwaffen zurückschrauben, haben sich als nichts weiter als fromme Wünsche und Betereien erwiesen. Bis zum heutigen Tage arbeiten die USA natürlich an weiterer atomarer Aufrüstung, an der Entwicklung solcher Waffen, wie sie sie in den heutigen Kriegen einsetzen können, während schon allein die zivile Nutzung in anderen Ländern, die vielleicht auf den Widerstand angewiesen sind, ihnen als suspekt erscheint.

Man kann in diesem Zusammenhang noch einmal eine Feststellung zitieren, welche seinerzeit anläßlich der Annahme des Atomwaffen-Sperrvertrages in der UNO durch die Volksrepublik China, die damals einen revolutionären Standpunkt hatte, getroffen wurde:

„Nach diesem Vertrag wird es den US-Imperialisten und Sowjetrevisionisten nicht nur gestattet, Kernwaffen herzustellen, sie aufzuspeichern und ihre nuklearen Stützpunktgebiete auszudehnen, sondern sie übernehmen überhaupt keine Pflicht, nach der sie keine Kernwaffen gegen die Nichtnuklearländer anwenden sollen; andererseits wird den Nichtnuklearländern das Recht, Kernwaffen für ihre Selbstverteidigung zu entwickeln, vollkommen entzogen, sogar die Anwendung der Atomenergie für den friedlichen Zweck wird auch eingeschränkt.“

Man sieht, schon damals wurde gesehen, daß auch der Zugriff auf die zivile Nutzung der Atomenergie erfolgen würde, und die VR China hat gerade dies auch zu Recht verurteilt.
Und der Artikel der „Renmin Ribao“ v. 25.6. 1968 sagt weiter:

„Sie [die USA und die Sowjetunion] handeln genauso wie nach folgendem Sprichwort: ’Den Präfekten wird erlaubt, die Häuser niederzubrennen, während den einfachen Menschen verboten ist, die Lampen zu zünden’. In Wirklichkeit bedeutet dies, daß andere Länder die Position des Nuklearmonopols des US-Imperialismus und Sowjetrevisionismus für immer anerkennen und gehorsam unter ihrer Kontrolle stehen.“

Dies charakterisiert in der Tat genau das Verhalten, das heute, fast dreißig Jahre danach, noch immer auf der gleichen Grundlage sich zeigt.
Übrigens ist die VR China, nachdem sie selbst revisionistisch usurpiert wurde und den Weg einer kapitalistischen Entwicklung beschritt, 1992 ebenfalls dem Atomwaffen-Sperrvertrag beigetreten, und heute drohen nicht mehr so sehr Rußland als Nachfolgestaat der Sowjetunion, sondern China und die USA sich gegenseitig mit Atomwaffen.

Solange die kapitalistische und imperialistische Eigentumsordnung auf der Welt und die Rivalität solcher Staaten existieren, wird auch aufgerüstet werden, alles andere ist Beterei und geht daneben.
Die Kräfte, die dieser Entwicklung Widerstand leisten, haben deswegen Grund, auch die Staaten zu unterstützen, die sich dieser Machtbesessenheit der Großmächte nicht beugen. Auch dies ist ein Faktor, der die Macht der Herrschenden, vor allem heute der USA, zumindest einschränkt.

Redaktion Neue Einheit - hd
11.8. 2005

 

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Anmerkung:
Artikel und Analysen der damaligen Lage im Iran in NE 1/2-1980 (z.B. "Keine Intervention des US-Imperialismus im Iran") sowie auch in NE 1/1981 "Pünktlich zum Präsidentenwechsel wird der Geiselschwindel beendet".

Noch ausführlicher, und den gesamten Zusammenhang des iranischen islamistischen Umsturzes mit der Politik der Deindustrialisierung Deutschlands und dem Umsturz in China analysierend, ist das Heft NE 2/1981:
Klaus Sender: Über den historischen Hintergrund der "grünen" und antiindustriellen Ideologie (Geschichtliche Übersicht) - der Ausgangspunkt der jetzigen Entwicklung.

 

 

 

 

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Die erneuten US-Drohungen gegen den Iran - Schläge der Hegemonisten gegen das Atomenergie-programm?
IS 2005-06 - 18.1.05

Nochmals zu dem sog. „Atomwaffen-sperrvertrag - Grundsätzliches
IS 2004-79 - 11.12.04


In diesem Artikel wird u.a. auf die Frage des sog. Atomwaffenstrebens des Irans eingegangen:
Ist die Feststellung der faktischen Unterstützung des USA-Krieges durch Andrea Schön (Autorin von 'Offensiv') unberechtigt?
IS 2004-78 - Dez. 2004

Rubrik:
Zur Lage im Iran

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Artikel und Analysen der Lage im Iran von 1979 bis 1981 in NE 1/2-1980 (z.B. "Keine Intervention des US-Imperialismus im Iran") sowie auch in NE 1/1981 "Pünktlich zum Präsidentenwechsel wird der Geiselschwindel beendet".


Noch ausführlicher, und den gesamten Zusammenhang des iranischen islamistischen Umsturzes mit der Politik der Deindustrialisierung Deutschlands und dem Umsturz in China analysierend, ist das Heft
NE 2/1981:

Klaus Sender: Über den historischen Hintergrund der "grünen" und antiindustriellen Ideologie (Geschichtliche Übersicht) - der Ausgangspunkt der jetzigen Entwicklung