Internet Statement 2005-74

 

Energiezukunft in der Jauche  - Die ARD und das „Modell Jühnde“

Walter Grobe, 27.09.05    

Die „Tagesthemen“ vom 27.9.05 befaßten sich zu großen Teilen mit Fragen der Energiewirtschaft und porträtierten zunächst als zukünftiges Leitbild für dieses Land das Dorf Jühnde. Hier hat sich ganz im Stillen Wundersames vorbereitet, Jühnde geht dieser Tage „vom Netz“, es koppelt sich nach dieser Darstellung aus den allgemeinen Stromversorgungsnetzen aus und versorgt sich nun komplett aus dem Güllegas seines Viehs, aus der Verbrennung von Holzschnitzeln und der Verwertung selbstproduzierter pflanzlicher Materialien vom Feld.

Zwar ist das Vorhaben nicht ganz ohne mehrfache Millionenzuschüsse aus dem Trittinschen Ministerium zustande gekommen, und wenn es funktioniert, dann nur für etwa 800 Einwohner bei 800 Kühen und 1400 Schweinen, trotzdem war sich die ARD-Moderatorin Anne Will nicht zu schade, die Ansicht zu übermitteln, Jühnde tauge bereits jetzt schon als Modell für Städte bis zu 100.000 Einwohnern. Wie viele Kühe und Schweine dann um diese deutschen Städte ihr Verdauungswerk verrichten müßten, ließ sie vorsichtshalber unerwähnt. Nach Modell Jühnde müßten es 100.000 Kühe und 175.000 Schweine auf 100.000 Einwohner sein. Städte etwa von der Größe Siegens oder Neuss’, bewerbt euch für diese paradiesischen Umgestaltungen! Und schleift, was an Industrie noch bei Euch steht, denn deren Strombedarf ist im Jühnde-Modell eh nicht mehr vorgesehen.

Die gesellschaftspolitisch fundamentalreaktionäre Phantasie, die die grüne Partei selbst seit längerem so nicht mehr ungemischt zu präsentieren wagte, wurde hier erneut ausgesponnen und mit angeblichen neuen Gegebenheiten untermauert.

Das zeigte sich auch in dem Interview, das Will anschließend zur Untermauerung des Jühnde-Modells mit einem Prof. Peter Hennicke führte, einem Vertreter des immer wieder in der ARD präsentierten sog. „Wuppertal Instituts“. Diesem Institut, eines der vielen Ökoinstitute in diesem Land, früher von Ernst-Ulrich v. Weizsäcker geleitet und politisch mit so manchen Vorhaben der rot-grünen Koalition verbunden, werden anscheinend besondere Guruqualitäten zugeschrieben. Die Realitätsbezogenheit seiner Aussagen steht jedenfalls im umgekehrten Verhältnis zur Autorität, die ARD und andere ihm beimessen.

Hennicke lobte ebenfalls Jühnde und empfahl u.a. angesichts der gegenwärtigen völlig überhöhten Öl- und Gaspreise – nicht etwa dagegen vorzugehen, was inzwischen immer breiteren Kreisen in diesem Lande zurecht unumgänglich scheint – nein, zu akzeptieren, daß diese Preise bald noch viel höher steigen würden. Wenn jemand derart unverfroren unterstützt, daß die internationalen Energiekonzerne, die sich vor allem auf die Militärmacht USA stützen, fast die ganze Welt in einem nie dagewesenen Maß abzocken, die Ökonomie vielerorts schon regelrecht strangulieren, weltweit Arbeitslosigkeit und Massenelend noch weiter hochtreiben, dann braucht man ihn wohl kaum noch näher politisch zu kennzeichnen. Bezeichnenderweise lobte Hennicke insbesondere das Pentagon, das wertvolle Studien zur Energieeinsparung hervorbringe.

Was die Qualität seiner energiepolitischen Ratschläge betrifft, genügt es festzuhalten, daß Hennicke die uralte Leier von der baldigen Erschöpfung der Öl- und Gasvorkommen auf der Welt und der daher unvermeidlichen weiteren Preissteigerungen wieder ausgrub. Man müsse sich auf diese Preisentwicklung einstellen und Solarenergie, Biogas, Windräder etc. entwickeln. Solarstrom, das wurde hier natürlich wieder nicht erwähnt, wird derzeit mit mehr als 40 Cent subventioniert, und eine Verwandlung dieser teuersten aller derzeitigen Stromquellen in eine wirtschaftliche liegt nach wie vor in den Sternen. Benzin zu 2,50 Euro, der alte Wunsch der Grünen, und Strom zu 50 Cent pro Kilowattstunde sind die Lasten, in denen sich die Orakel solcher Propheten materialisieren würden. Ist es Zufall, daß gleichzeitig in Hannover ein Institut zur Selbstmordförderung eröffnet wurde?

Und die Sendung ging so weiter.
Als nächstes berichtete man freundlichst über die neue Führung der Grünen Partei und bemühte dann noch einen Kommentator, Hans Jessen von Radio Bremen, der sich von einer bedeutenden künftigen Rolle der Grünen überzeugt zeigte. Wenn sie auch aus der nächsten Bundesregierung wahrscheinlich verbannt blieben, zeichneten sie mit ihren Ideen doch das Zukunftsmodell und würden, auf anderen Wegen weiterwirkend, z.B. in schwarz-grünen Koalitionen auf Länderebene, in zentralen Machtpositionen eines Tages wiederauferstehen.

Die Sendung widerspiegelte auf ihre Weise die aktuelle Zuspitzung der Auseinandersetzung um die Energiefrage, die Frage des Atomausstiegs dieses Landes inmitten einer internationalen Weiterentwicklung der Kernenergie und die Frage der sog. alternativen Energien. Mit diesen Konzepten ist nichts weniger als der fast völlige Ausstieg aus der industriellen Produktion und die völlige Abhängigkeit von ausländischen Energiemonopolen gemeint (auch wenn sich nicht alle darüber im Klaren sind, die solchen Konzepten anhängen.)

Während nach und nach die Kritik an dieser katastrophalen Politik sich stärker artikuliert und möglicherweise auch politisch formiert, versuchte die ARD hier, mit einer Wiederbelebung grün-fundamentalistischer Agitation pur zu kontern. Die Sendung belegte einmal mehr, zu welch absurden Konzepten und zu welcher Aggressivität gegen die große Mehrheit, die weniger Bemittelten in diesem Lande, die diese Energiepreise zahlen und die Folgen der internationalen Abhängigkeit ausbaden sollen, gewisse Kräfte fähig sind, die in den Medien einen ihrer Hauptanker haben. Dieser Richtung wurde bei den NRW-Wahlen zwar deutlich die rote Karte gezeigt, aber sie kämpft, wie das Schrödersche Neuwahlen-Manöver und auch solche Sendungen zeigen, mit allen Mitteln weiter um die Führung in Politik und öffentlicher Meinung, und sie ist ja auch in der CDU/CSU vertreten. Was aber die politische Situation am meisten belastet, ist die immer noch vorhandene Verbindung fast aller Linken in diesem Lande mit den Vorstellungen von Atomausstieg, Kreislaufwirtschaft und alternativen Energien. Es ist faktisch eine Bindung an reaktionärste Kapitalskonzepte und auch an gewisse Interessen des US-Imperialismus, die von vornherein jede Belebung linker Politik verhindert, und sie muß fallen.

 

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