Internet Statement 2005-78

 

Ein erboster Kommentar aus internationalen Finanzkreisen zur Regierungsbildung

Walter Grobe  12.10.05         

Aus den Verhandlungen selbst hört man derzeit wenig. Um so deutlicher stehen anscheinend internationale Instanzen unter Druck, ihre Wünsche für die anstehenden politischen Richtungsentscheidungen zur Geltung zu bringen. Man lese nur einmal die erboste Abkanzelei, die die „Financial Times Deutschland“ ("Duo infernale" vom 12.10.05) dem designierten Wirtschaftsminister Stoiber zuteil werden läßt.

Uns liegt es fern, für diese Regierungsbildung bestimmte Persönlichkeiten zu unterstützen. Die politischen Richtungsgegensätze, die in derartigen Kommentaren ohne Umschweife zum Ausdruck kommen, empfehlen wir jedoch, zur Kenntnis zu nehmen. Es sind genau die Gegensätze, die in der Auseinandersetzung um die Gründe des Bankrotts von „rot-grün“ in der NRW-Wahl und im Bundestags-Wahlkampf zugrunde gelegen haben, und auf die jede neue Regierung Antworten wird geben müssen.

Stoiber ist in den Augen der „Financial Times Deutschland“ als Wirtschaftsminister die absolute Fehlbesetzung, weil er einfach immer noch nicht begriffen habe, daß Deutschland noch weiter deindustrialisiert werden müsse und nicht nach technologischen Spitzenstellungen in der internationalen. Konkurrenz streben dürfe. Die ehemalige „rot-grüne“ Regierung habe das, wenn auch zu spät, immerhin noch gelernt. Auch verstehe er nicht, daß die Universitäten radikal privatisiert werden müßten.

Solche Weisheiten, wie sie die „Financial Times Deutschland“ hier über die Gesetze der internationalen Ökonomie, wie sie sie versteht, zum besten gibt, sind es wert, eingerahmt und an bestimmten Orten an die Wand gehängt zu werden:

„Sicherlich steht Deutschland im Wettbewerb mit anderen Ländern, aber die Weltwirtschaft ist kein Nullsummenspiel. Gerade große Länder können sich schlecht auf Kosten ihrer Nachbarn bereichern. In der Weltwirtschaft kann es sein, dass alle Länder zugleich mehr Wachstum generieren oder dass alle zugleich in eine Rezession fallen. Logischerweise kann aber nicht jeder wettbewerbsfähiger gegenüber den anderen sein.“

Das Blatt hätte vielleicht noch hinzufügen sollen, daß es ja auch ein wirklich musterhaftes Land gibt, das diese gemeinnützigen Maximen befolgt und damit die Welt zu Wohlstand und Frieden führt. Wer anders könnte das sein als die USA? Und an welcher anderen Stelle der Welt könnte so wohltuend freundschaftlicher Rat ausgesprochen werden als in London, wo die USA das wichtigste europäisches Nebenzentrum ihrer internationalen Finanznetzwerke, die entsprechende Regierung und die entsprechenden Blätter wie die „Financial Times“ unterhalten? Streng achten die USA darauf, nicht etwa Profite zu machen auf Kosten anderer, nicht etwa durch technisches Können wettbewerbsfähiger zu sein als der große Durchschnitt, bewahre! Vielleicht hat es die „Financial Times Deutschland“ der deutschen Öffentlichkeit noch nicht deutlich genug vermittelt, sodaß es leider unbemerkt blieb: die USA und Großbritannien sind doch gerade dabei, ihre Atomkraftwerke und Wiederaufbereitungsanlagen zu schleifen, damit sie nicht etwa Vorteile gegenüber Deutschland haben!

Natürlich spielen sich solche Hackereien innerhalb der hohen Bourgeoisie ab, und es wird niemand zum Minister gemacht, der nicht seine Tauglichkeit für den Kapitalismus bewiesen hat und weiter beweisen wird. Es kann aber für die arbeitenden und die arbeitslosen Massen in Deutschland und Europa nicht gleichgültig sein, ob und in welchem Maße in der neu zu bildenden deutschen Regierung, die wahrscheinlich eine der großen Koalition wird, die Richtung der ökonomischen und technischen Liquidation der inneren Potenzen des Landes fortgeführt wird. Davon hängt auch für die eigene Lage und Kampffähigkeit zu viel ab.


 

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