Internet Statement 2006-32

 

Gedanken zum 1. Mai  -  Gewerkschaften und Globalisierung

Uwe Müller, 1.Mai 2006      

Liest man das diesjährige 1.Mai-Motto des DGB, so überkommt einen ein komisches Gefühl. Was soll das denn heißen: „Deine Würde ist unser Maß“? Was soll dieses leere Gerede von „Würde“ oder von einer Politik „die dem Gemeinwohl verpflichtet ist“? Es klingt wie das Wort zum Sonntag. Fromme Wünsche und leere Phrasen. Man sollte diese in der Kirche lassen, am 1. Mai jedenfalls haben sie nichts zu suchen.

Statt fromme Wünsche – den Tatsachen ins Auge sehen

Jeder Gewerkschafter vor Ort, jeder Kollege im Betrieb ist tagtäglich mit dem Druck und der Erpressung des Kapitals und der kapitalistischen Konkurrenz konfrontiert. Und dabei geht es nicht um „Würde“. Da geht es um ganz handfeste Dinge. „Ihr seid zu teuer! Das Werk in Tschechien produziert zehnmal billiger, das in China gar 30 mal! Wenn ihr nicht endlich nachgebt und unbezahlte Arbeit leistet und Lohneinbußen hinnehmt, dann müssen wir entlassen. Oder gar verlagern und dicht machen.“ Das ist Realität in vielen Betrieben hierzulande. Und es sind keine leeren Drohungen. Natürlich blöffen die Kapitalisten oft auch, und nutzen die Angst vor der Arbeitslosigkeit gnadenlos aus, um die Profite zu erhöhen. Aber es spiegelt auch die internationale Konkurrenz, auch der Löhne, wider. Bei allem wachsenden Unmut, der Erpressung auf betrieblicher Ebene wird aus Angst um den Arbeitsplatz nachgegeben. Die Arbeitszeit wird unentgeltlich erhöht, das Urlaubs- und Weihnachtsgeldgeld gestrichen, der Lohn gekürzt. Was sollen einzelne und isolierte Belegschaften auch machen? Sie sind dieser Erpressung letztlich hilflos ausgeliefert.

Vereinzelter Widerstand ist chancenlos

Aufkommender Widerstand gegen Entlassungen und Produktionsverlagerung bleibt bislang lokal begrenzt auf den einzelnen Standort oder auf die einzelne Region. Selbst da, wo es zum Streik der Belegschaften kommt, wird dieser seitens der Gewerkschaft und auch seitens vieler Kollegen nur soziale Abfederung, um Abfindungen, nicht aber konsequent gegen die Schließung und Verlagerung geführt. Ich nenne hier nur Grohe, Infineon oder AEG. Tausende Arbeitsplätze sind so in den letzten Jahren verloren gegangen bzw. verlagert worden. Und der Trend zur Verlagerung ist ungebrochen. Verstärkt betrifft es nun auch Entwicklungsbereiche und EDV-Dienstleistungen.

Wie wirksam gegen diese permanente Erpressung vorgehen? Wie können Verlagerungen verhindert werden? Wie kommen wir wieder zu mehr Produktion im Lande? Wie zu Arbeitsplätzen, wo der Lohn auch zum Leben ausreicht?
Diese Fragen müssen angegangen und beantwortet werden.

Fromme Wünsche wie „Wir wollen unseren Sozialstaat wieder haben“ sind absolut ungeeignet, ja sogar schädlich, weil sie Illusionen wecken. Auch allgemeine Formeln wie „Wir müssen kämpfen“ helfen auch nicht weiter. Kämpfen? Ja, richtig. Aber auf welcher Grundlage und mit welcher Zielsetzung? Das ist doch die entscheidende Frage dabei.

Internationaler Zusammenschluß und Kampf der Arbeiter notwendig

In Zeiten internationaler Arbeitsteilung und Produktion, in Zeiten millionenfacher brutalster Ausbeutung unserer Kollegen in Osteuropa, China, Indien usw. ist es absolut notwendig, daß die Gewerkschaften und die Arbeiter sich international organisieren und den gemeinsamen Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung aufnehmen. Solange die Gewerkschaften und Arbeiter hierzulande nicht dazu bereit sind dies anzugehen, so lange ist es nicht nur illusorisch, den jetzigen Status halten zu wollen, es ist dies auch unberechtigt und unsolidarisch. Mit welchem Recht sollen die deutschen Arbeiter es denn besser haben als z.B. die chinesischen Arbeiter? Auch darüber gilt es am 1. Mai nachzudenken.

Deutsche Besonderheiten

Ein wesentliches, verschärfendes Element sind die gesellschaftlichen bzw. staatlichen Rahmenbedingungen, die in einem hochentwickelten Land für eine Industrieproduktion nirgends so schlecht sind wie gerade in Deutschland. Seit nunmehr 30 Jahren wird mit dem Ökologismus – in Verbindung mit dem wahnwitzigen Konzept der „postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft“ - ein regelrechter Feldzug gegen die industrielle Massenproduktion und moderne Technologie geführt, der schon viele Wissenschaftler und Ingenieure aus dem Land vertrieben und enorme wissenschaftliche Potenzen des Landes zerstört hat. Unzählige Milliarden von Euro wurden durch die Liquidierung fertiggestellter Kernkraftwerke wie dem Hochtemperaturreaktor in Hamm oder dem schnellen Brüter in Kalkar buchstäblich in der Erde vergraben. Während heute auf der ganzen Welt die Kernenergie eine Renaissance erlebt, und Länder wie Indien, China, Venezuela, Malaysia, Finnland usw. verstärkt auf Kernenergie als die ökonomischste Art der Stromerzeugung setzen, sollen hierzulande die Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Gleichzeitig fließen alljährlich Milliarden in die Subventionierung unsinniger, landschaftsverschandelnder Windräder! Daß dieser ökonomische Wahnsinn den Arbeitern aufgebürdet wird, daß das Kapital und der Staat dies auf die Arbeiter abzuwälzen versuchen, das müßte eigentlich Jedem einleuchten.
Es ist ein zutiefst den Interessen der Arbeiter zuwiderlaufender Widerspruch, daß die Gewerkschaften sich selbst diesen Ökologismus auf die Fahnen geschrieben haben. Damit muß endlich Schluß sein!

IG Metall und Produktionsverlagerungen

Es ist schlichtweg eine Katastrophe, daß z.B. die IG Metall bis heute die Frage der Verlagerungen herunterspielt! So z. B. in „Wirtschaft aktuell“ 11/2005: „Produktionsverlagerungen – Ausmaß bei weitem überschätzt“. Das ist fernab jeder Realität. Selbst mancher bürgerlicher Vertreter macht sich deswegen mehr Sorgen als die IG Metall. Immerhin häufen sich an der Basis die Diskussionen darüber, und haben Streiks wie bei AEG oder CNH das Thema verstärkt auf die Tagesordnung gesetzt.
Und wie reagiert die IG Metall-Spitze? Sie fordert plötzlich eine sogenannte Verlagerungsabgabe („Wirtschaft aktuell“ 05/2006). Diese soll dazu dienen, Verlagerungen zu verteuern und damit zu verhindern. Die Abgabe soll dann für „Beschäftigungsgesellschaften“, Weiterbildung etc. verwendet werden. Das ist typisch IG Metall. Das ist nichts anderes als eine Ausweitung dessen, was bislang schon als Sozialplan und „Beschäftigungsgesellschaften“ läuft. Noch keine einzige Verlagerung wurde dadurch verhindert!! Es ist kein Zufall, daß im gleichen Dokument der „Kompromiß“ bei AEG, der die Schließung besiegelt hat, als Erfolg gefeiert wird.

 

Die aufgeworfenen Fragen müssen breit diskutiert werden! Schluß mit Augen zu und weiter wie bisher!

Sich mit den Arbeitern in aller Welt verbinden und den gemeinsamen Kampf gegen Kapitalismus und Ausbeutung führen!

 

 

 

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