Internet Statement 2006-92

 

Zum Amoklauf von Emsdetten

Warum hat Sebastian B. sich überflüssig gefühlt?

Walter Grobe  22.11.06    

Dieses Gefühl geht aus einzelnen Berichten, die auch wörtliche Zitate aus den Hinterlassenschaften des Amokläufers bringen, als zumindest eines der zentralen Motive hervor.
Warum fühlen ähnlich wie er Hunderttausende, Millionen von Jugendlichen in diesem Land sich ebenfalls überflüssig?
Es gibt weit tiefergehende Ursachen zu benennen als das mögliche Fehlverhalten von Eltern, Lehrern usw.. Es gibt eine gesellschaftliche Macht, für die in der Tat ein großer Teil der heutigen Jugendlichen in diesem Land, und darüber hinaus eine riesige Masse von Menschen in der Welt überhaupt, überflüssig ist, das ist die Herrschaft des Kapitalismus.

Statt sich im engsten Rahmen der Diskussion über gewalttätige Computerspiele zu beschränken oder in sozialen Quacksalbereien wie der Idee, man solle doch künftig außer Lehrern noch Sozialarbeiter in die Klassen schicken, muß von allen, die sich öffentlich zu diesem Thema äußern wollen, gefordert werden: Gehen Sie auf die wirklichen gesellschaftlichen Hintergründe ein! Verschwindet die Jugendarbeitslosigkeit vielleicht durch Sozialarbeiter? Gehen Sie auf den Kapitalismus ein, gehen Sie darauf ein, daß die Arbeitslosigkeit in der Welt trotz eines kapitalistischen Booms immer weiter wächst, daß die Reservearmeen des Kapitals inzwischen Milliarden Menschen umfassen, und daß weltweit und auch in Europa die Jugend noch schärfer davon betroffen ist als die Älteren!

Es ist nicht in letzter Instanz ein Gefühl der Überflüssigkeit und der individuellen Perspektivlosigkeit, das Menschen zu solch schrecklichen Taten treibt, es ist die gesellschaftliche Realität, die solche Gefühle erst massenhaft und in dieser Intensität erzeugt. Wer das Gesellschaftssystem nicht in seiner Substanz zum Thema machen will, sollte sich mit Kommentaren zurückhalten!

In einem Leserbrief im Diskussionsforum der FAZ zu dem Amoklauf schildert ein Diskussionsteilnehmer die eigene Erfahrung aus der Schulzeit, wie die Lehrer immer nur den einzelnen Schüler als den Schuldigen hingestellt haben, aber keine gesellschaftliche Perspektive aufzeigen konnten. Er erklärt das kurzerhand mit der sog. 68-er Prägung der Lehrer. Ihm ist anscheinend unklar, daß die Bewegung der Jahre um 1968 auch ganz andere Komponenten hervorgebracht hat, bspw. die revolutionären Richtungen, die dem Kapitalismus die heutige Misere vorausgesagt und für seine Überwindung gekämpft haben. Aber in der Tat kann man nicht darüber hinwegsehen, daß der Staat die ökologistische Mentalität der Selbstverleugnung und Perspektivlosigkeit des Menschen über eine Lehrerschaft in die Schulen getragen hat und noch trägt, die von den üblen Komponenten der 68er Zeit wie der sog. Frankfurter Schule stark mitgeprägt worden ist. Die Vermittlung eines miserablen Selbstwertgefühls, einer no-future-Mentalität, einer Mentalität des erbarmungslosen Konkurrenzkampfes schon der Schüler untereinander um die viel zu wenigen Ausbildungs- und Arbeitschancen, eines Selbstbildes des Menschen, der angeblich Wissenschaft und Technik nicht ausreichend beherrschen könne und, vermeintlich die Natur schützend, sich den einschränkenden Weisheiten der obersten Lenker des Kapitalismus zu unterwerfen habe, war und ist noch immer das staatliche pädagogische Programm, und es gibt einen beträchtlichen Anteil an Lehrern, der das verinnerlicht hat.

Sebastian B. soll geschrieben haben, das einzige, was er in der Schule je gelernt habe, sei, daß er ein Looser sei. In der Tat. Auch wenn viele Schulen und Lehrer sich Mühe geben, das Beste aus der Lage zu machen und ihre Schüler trotz allem zur Bewältigung der Lebensprobleme zu befähigen: dieses Grundgefühl und die gnadenlose Konkurrenz um die schrumpfenden individuellen Zukunftschancen, die das Kapital noch bietet, werden sie so nicht aus der Welt schaffen können.

Zum Thema Computerspiele:

Hier wird angeführt, daß es Jugendliche gibt, die die Killerspiele nutzen, ohne Schaden an ihren sozialen Beziehungen zu nehmen. Aber auch beim Thema Killerspiele kann die intensive Beziehung zur heutigen Realität des Kapitalismus nicht abgestritten werden. Der Typ von bedenkenlosem Killer, in den sich das Individuum durch das Spiel zu verwandeln hat, ist der Typ des Soldaten, wie ihn beispielhaft die heutige Führungsmacht des Kapitalismus, die USA, längst millionenfach in der Realität herangezogen hat, um seine weltweiten Interventionskriege führen zu können. Und machen wir uns nichts vor: die Bundeswehr, die immer mehr zu ähnlichen Aufgaben umgemodelt wird, hat ebenfalls bereits Soldaten dieses Typs und wird ihn künftig noch viel stärker fordern. Diesen Staaten sind doch solche Spiele, wenngleich sie bei vielen Jugendlichen wenig verfangen mögen, keineswegs unwillkommen, um solche Mentalitätsverbiegungen in die Wege zu leiten. Ist der Typ 'arbeitsloser perspektivloser Jugendlicher', der bereit wäre, in eine Interventionsarmee Bundeswehr einzutreten, und dann vielleicht, um seinen „Frust abzureagieren“, Menschen abschießt ohne groß zu fragen, wen und warum, nicht etwas, was genau in diese Politik paßt? Das Kapital ist es, das diesen Typ Söldner verlangt, dessen Mentalität verbogen genug ist, um ohne kritische Rückfragen irgendwelchen Profitinteressen irgendwo auf der Welt den Weg freizuschießen. Und alle Politiker, Journalisten und Soziologen, die die Probleme des Amokläufers von Emsdetten jetzt klug herumreden , um von den Fragen des heutigen Kapitalismus, Ökologismus und internationalen militärischen Interventionismus abzulenken, sind die Mitverantwortlichen solcher Entwicklungen. Das sind sie schon seit langem.

Die grüne Partei, die führend in die Machenschaften des Kapitalismus verwickelt war, den Ökologismus, die Entindustrialisierung des Landes, die Verteufelung von Wissenschaft und Technik zu etablieren und damit auch die permanente Massenarbeitslosigkeit zu begünstigen, die Partei, aus deren ganzer Orientierung Perspektivlosigkeit bei der Jugend in ganz besonderem Maße hervorgehen mußte, ist gleichzeitig auch diejenige, die bei der Verwandlung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee ganz vorne dran war – 1999 in Jugoslawien – und heute noch immer mit vorne dran ist, wenn es um das Aushecken neuer Interventionspläne bspw. in Afrika geht. Heute sind die SPD fast in ihrer Gänze und die Konservativen überwiegend auf dieselben Grundlinien festgelegt und müssen entsprechend zur Verantwortung gezogen werden.

 

 

www.neue-einheit.com