Internet Statement 2007-12

 

  Biosprit und höhere Lebensmittelpreise

W. Grobe, 18.Jan. 2007

Bei der Eröffnung der Grünen Woche, der großen Landwirtschaftsausstellung in Berlin, warf sich der Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner in die Brust und erklärte, „Kornkraft statt Kernkraft“ sei künftig das Motto der Landwirtschaft in Deutschland. Er spielte darauf an, daß immer größere Anteile der Anbaufläche inzwischen für den Anbau sog. Bioenergie-Pflanzen verwendet werden. So ist seit Anfang des Jahres die Beimischung von sog. Biosprit durch die große Koalition gesetzlich vorgeschrieben und treibt bereits den Spritpreis um einige weitere Cent. (In diesen Tagen merkt man dies noch nicht so stark, weil aufgrund außenwirtschaftlicher Einflüsse der Benzinpreis gerade sinkt, aber faktisch ist dies schon wieder eine Energiepreiserhöhung.)
Sonnleitner sollte einmal vorrechnen, was es kosten würde, die Stromproduktion auch nur eines einzigen Kernkraftwerks zu ersetzen. Millionen von Tonnen Sprit müßten verbrannt werden, der zuvor umständlich aus Raps oder Mais gewonnen wurde. Wenn inzwischen, durch die Wahnvorstellungen der großen Koalition weiter angespornt, 13% der Anbaufläche für sog. Energiepflanzen verwendet werden, sind das 13% zuviel.

Es gibt in diesem Land inzwischen mehrere Millionen von Menschen, die sich kein Auto mehr leisten können und oft nicht einmal mehr die Tickets des öffentlichen Nahverkehrs, weil sie ins Hartz-System gedrängt wurden. Ihnen rücken die Segnungen dieser Politik jetzt noch näher auf die Pelle. Da die Beträge für Lebensmittel in den Hartz-Richtlinien bislang schon in Richtung Mangelernährung gehen, kann man sich die Folgen vorstellen, wenn Lebensmittel aufgrund der Verknappung der Anbauflächen noch teurer werden. Und außer Hartz-Empfängern gibt es hierzulande noch weitere Millionen Menschen, die ebenfalls beim Lebensmittelkauf mit dem Cent rechnen müssen, weil sie – oft trotz harter Arbeit - immer schmälere Einkommen haben.

Was sagen die Verbraucherschützer dieses Landes dazu? Die Präsidentin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller (SPD), sieht die Gefahr der Lebensmittelverteuerung durch die Politik der sog. Energierohstoffe – und empfiehlt den Landwirten, bei den Lebensmitteln eine „größere Wertschöpfung“ anzustreben, indem sie vermehrt auf sog. Bio-Anbau umsteigen. Auch sie fordert auf diese Weise ganz unverblümt die Lebensmittelverteuerung.

Zweifellos müssen bestimmte kapitalistische Methoden in der Landwirtschaft, die den Boden auslaugen und gesundheitsschädliche Stoffe in die Lebensmittel bringen, bekämpft werden. Die Devise aber, daß ihnen nur so entgegengewirkt werden könne, indem die Verbraucher mehr bezahlen, ist ein Irrweg. Wenn das das Motto der Verbraucherschutzverbände ist, sollten sie in Verbraucherbekämpfungsverbände umbenannt werden.

Wenn deklariert wird, daß bereits relevante Teile der Anbaufläche in Quellen für Rapsdiesel etc.umgewandelt worden sind und daher Weizen, Mais, Fleisch usf. für den einfachen Haushalt noch teurer werden müßten, wenn Bauern- und Verbraucherschutzfunktionäre sich gegenseitig die Bälle zuspielen, um die Preise weiter zu treiben, und „Kornkraft statt Kernkraft“ die Zukunft sein soll, dann kann es sich eigentlich nur um Szenen aus einem Irrenhaus handeln.



         Nachtrag

Am 22.Jan. 07 brachte die “Junge Welt” einen informativen Artikel über den Boom von Biospritfabriken in den USA, der die Verteuerung des Rohstoffs Mais zur Folge hat. Aus Mexiko werden steigende Teile der Maisernte nach USA abgezogen, um in Ethanol umgewandelt zu werden, und der ärmere Teil der mexikanischen Bevölkerung sieht sich sprunghaften Preissteigerungen beim Grundnahrungsmittel gegenüber, den Tortillas. Zitat:

„Treibstoff statt Tortillas
Boom von Bio-Sprit in den USA läßt Mais in Mexiko knapp werden
Was auf der einen Seite der Grenze als Durchbruch für eine umweltfreundliche Energiegewinnung gefeiert wird, schürt auf der anderen Seite die Angst ums tägliche Überleben. In den USA erleben Biotreibstoffe einen ungekannten Boom. Die negativen Folgen spüren vor allem die Armen im südlichen Nachbarland Mexiko: Hier wird der Mais knapp – und deshalb immer teurer.“

Natürlich ist es gut, wenn die “Junge Welt” über solche negativen sozialen Auswirkungen der Ökopolitik in anderen Ländern aufklärt. Hierzulande aber, wo dieselben Kräfte wirken, werden sie von der “Jungen Welt” systematisch ungeschoren gelassen. Warum eigentlich? Gibt es in unserem Land etwa keine Millionen von Menschen, die mit dem Cent rechnen müssen und denen inzwischen Hunderte, wenn nicht Tausende von Euro im Jahr für die diversen direkten Ökoabgaben abgenommen werden? Das einfache tägliche Leben wird zunehmend von Auswirkungen der Ökopolitik in ihrer Gesamtheit belastet und erschwert. Gewiß ist die Zahl der Bitterarmen, die jeden Tag um ihre Lebensmittelration zittern müssen, hier viel geringer als in einem Land wie Mexiko, aber man kann das Problem doch schon längst nicht mehr übergehen. Will man in der “Jungen Welt” nicht darüber sprechen, weil der dominierende Einfluß in der Redaktion revisionistischen und ökologistisch orientierten Kräften gehört, die im Einklang mit Merkel, Gabriel und den großen Banken und Energiekonzernen kein höheres Credo kennen als die sog. erneuerbaren Energien?

W.Grobe, 27.01.2007

 

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