Internet Statement 2009-05

 

Billionen fürs Finanzkapital und ein paar Cent fürs Soziale

Die Parole „Wir zahlen nicht für eure Krise“

Walter Grobe, 20.02.2009      

Aus den Milliardenbeträgen, mit denen Staaten wie Deutschland, Großbritannien, die USA und andere noch vor einigen Monaten ihre Banken retten wollten, sind mittlerweile Billionen geworden, aber die Finanzlöcher schert das wenig, sie gähnen schwärzer und umfassender denn je. Eine oberes Ende ist bei den Pleitezahlen der Banken ebensowenig abzusehen wie bei den Zusagen der Staaten. So hieß es am 17.1.09 in einem Artikel der „FAZ“ über Pläne für eine sog. Bad Bank:

„Das Übel dieser Finanzkrise sind ....komplexe Wertpapierkonstruktionen, von denen niemand weiß, was sie heute oder morgen wert sind. Es geht um unvorstellbare Beträge. Allein zehn betroffene Banken in Deutschland könnten 1000 Milliarden Euro in der ‚Bad Bank’ abladen. Es kann sogar noch schlimmer kommen. Sobald eine Bank verstaatlicht ist, haftet der Bund auch für deren Schuldverschreibungen; davon sind weit mehr als eine Billion Euro am Markt.“

Am 21.1.09 berichtete das „Handelsblatt“ Folgendes über Einschätzungen des US-Ökonomen Roubini:

„Roubini hatte die Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr korrekt vorhergesagt. ‚Meiner Meinung nach könnten die Kreditverluste bei US-Finanzinstituten 3,6 Billionen Dollar erreichen, wobei die Hälfte auf Banken und Brokerhäuser entfallen würde’, prognostizierte Roubini auf einer Konferenz in Dubai. ‚Wenn das wahr ist, bedeutet es, dass das US-Bankensystem praktisch insolvent ist, weil es ein Kapital von 1,4 Billionen Dollar hat. Es handelt sich um eine systemische Bankenkrise.’

Seit der US-Subprime-Hypothekenmarkt im Jahr 2007 zusammengebrochen ist, sind die Verluste und Abschreibungen der Finanzinstitute weltweit auf über eine Billion Dollar angeschwollen, geht aus Bloomberg-Daten hervor. Roubini erwartet, dass Präsident Barack Obama mit öffentlichen Geldern von bis zu einer Billion Dollar die Eigenkapitalbasis im Bankensektor stützen muss. Die Regierung Bush hat bereits 350 Mrd. Dollar in die Finanzbranche gepumpt.“

Auch danach sind die Verlustanzeigen aus den USA und weltweit ständig weiter angestiegen, Roubinis konkrete Zahlen dürften bereits überholt sein.

Die Regierungen der USA, Deutschlands wie auch anderer Länder sind längst voll dabei, aus den Staatshaushalten die Verluste des Finanzsektors auszugleichen, mit Beihilfen, Bürgschaften, Kapitalbeteiligungen, Verstaatlichungen als vollen Verlustübernahmen usf. ohne Ende. Schon kommen Dimensionen von 5, 10, 20 oder mehr Billionen in Sicht, die vielleicht nicht in einzelnen Staaten, so aber doch im Rahmen der Weltwirtschaft gefordert werden könnten.

Nach und nach wird klar, daß die Regierungen sich anheischig machen, jene fiktiven Zahlungsansprüche, die im Finanzsystem mit kriminellen Kettenbriefsystemen aufgehäuft wurden, real auszuzahlen, wenigstens aber die Hauptakteure mit neuem Kapital auszustatten und zu befriedigen. Das Finanzsystem ist zahlungsunfähig, weil mehr oder weniger alle führenden Banken und Unternehmen sich an Spekulationen beteiligt haben, von denen jeder Banklehrling sich ausrechnen konnte, daß dabei Riesenpleiten, Ketten-Zusammenbrüche und Systemzusammenbrüche die Folge sein müssen. Nun ist der Systemzusammenbruch am Rollen, und was tun die Staaten? Sie verwandeln die betrügerisch erzeugten Zahlungsansprüche in cash! Sie zahlen sie aus! Kein Manager muß in den Knast, nicht einmal die persönlichen Milliardenboni werden gestoppt, und wenn einige Manager öffentlich einen Verzicht inszenieren, dient das faktisch nur dazu, die große Zahl der Absahner zu decken. Aber das sind alles peanuts, über die eine „Bildzeitung“ und Politiker wie Merkel sich öffentlich wichtig machen mögen; das Wesentliche liegt darin: der Staat macht aus den fiktiven Gewinnaussichten des Spekulationssystems hartes Geld - einstweilen jedenfalls mag es noch als „hart“ gelten - und setzt an, es aus den Volksmassen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wieder herauszuholen. Im Falle der USA ist dabei natürlich vor allem auch an die Volksmassen anderer Länder gedacht, aber auch in Deutschland und anderen vergleichbaren Staaten wird unvermeidlich auch auf vermehrte internationale Ausbeutung gesetzt.

Selbst wenn man stark erhöhte Steuereinnahmen auf Jahrzehnte hinaus hochrechnet, werden sie nicht auch nur annähernd den Staatshaushalten die Mittel ersetzen könnten, die jetzt in die Löcher des Finanzsektors gekippt werden. Die Konsequenzen heißen Steuererhöhungen, nochmals Steuererhöhungen und Steuererhöhungen ohne Ende in den kommenden Jahren, heißen regelrechte Staatsbankrotte mit den entsprechenden Enteignungen großer Schichten, Währungsschnitte usf., heißen weiteres Herumknapsen des Staates an den elementaren Leistungen für Bildung, Infrastruktur und Soziales bis hin zur offenen Verelendung und Barbarei, sie heißen Raub- und Vernichtungskriege, die zu den üblichen Methoden des Kapitalismus gehören, wenn er aus großen Krisen zu entkommen sucht.

Die kapitalistischen Staaten versuchen mit aller Gewalt – dieser Ausdruck muß in der Perspektive sehr wörtlich genommen werden - die fiktiven Zahlungsansprüche der Spekulation in wirkliches Geld umzuwandeln. Dieses Geld wird von den Staaten selbst gewissermaßen geschaffen, sein Wert ist allerdings noch weit spekulativer als die wundervollen „Asset Backed Securities“ oder „Collateralized Debt Obligations“ der Gegenwart, denn er besteht in den Steuereinnahmen der künftigen Jahrzehnte. Ob aber die Wirtschaft der Welt solche Steuern auch nur annähernd hergeben wird, ja, ob dieses System und diese Staaten dann überhaupt noch so existieren, darüber sind Zweifel geraten.

Es gilt angeblich, die „Exzesse“ und den „Mangel an Regulierung“ zu beenden. Wenig glaubhaft, denn diesen Mangel haben die Staaten ja selbst organisiert. Und dem entsprechen die Taten, die sie jetzt aus ihrer Reue folgen lassen:  nun werden die kriminellen Akteure mit den Billionen belohnt, die diese aus dem Betrug untereinander und dem Raubbau an der gesamten Ökonomie erhoffen. Waren sie sich des Risikos nicht bewußt? Das wäre gleichbedeutend mit der Aussage, daß die Chefs Schwachköpfe sind, was in Einzelfällen zutreffen mag, aber jedenfalls ablenkt. Natürlich waren sie des Risikos bewußt.  Natürlich wurde auch schon längst, jedenfalls in den Spitzen des Systems, mit solchen Entwicklungen spekuliert, wie sie jetzt zu beobachten sind: daß das Kapital mit der Knute der immer steigenden Staatsverschuldung die Arbeitskraft, den Lebensstandard und selbst die elementaren Lebenschancen von hunderten von Millionen, von Milliarden Menschen auf dem Globus noch ganz anders in die Hand bekommen und ausquetschen würde als bisher. In den USA wie in der BRD hat bezeichnenderweise niemand anderes die derzeitige sog. Sanierung in der Hand als die führenden Vertreter des kriminellen Spekulationssystems selbst, die Ackermänner und Paulsons und ihre Nachfolger sowie ihre Freunde und Garanten in den Regierungen. Obama, Merkel, Steinbrück etc. betreiben mitnichten die Korrektur des entfesselten Kapitalismus, des sog. Neoliberalismus – sie betreiben seine Krönung und Weiterführung. Ohnehin war die Redeweise vom Neoliberalismus eine Ablenkung vom Wesen des Kapitalismus. Selbst aber dann, wenn die Verantwortlichen und Profiteure der betreffenden jüngsten Entwicklungsphase des Kapitalismus zur Rechenschaft gezogen und staatliche Regulierungen eingeführt würden, würde sich an dem fanatischen Kampf des Kapitals um die Steigerung der Ausbeutung nichts ändern. Umso weniger, wenn sie jetzt auch noch belohnt werden.

Ein Blick auf die Entwicklung der Krise in unserem Land

Derzeit „verhält“ die Wirtschaftskrise in unserem Land noch etwas. Zwar leben Millionen Menschen eh schon mit knapper Kasse, und derzeit werden bereits monatlich Hunderttausende, Leiharbeiter, Befristete etc., vor die Tür gesetzt, aber manche Mitbürger haben noch Geld in der Tasche. Sie sollten sich klar machen, daß die großen Wellen von Betriebsschließungen, Entlassungen und Arbeitslosigkeit erst noch kommen. Sie werden kommen, da braucht man nur auf das zu schauen, was sich in der Autoindustrie jetzt schon abspielt. Derzeit aber werden die wirklichen Katastrophen am Arbeitsmarkt noch durch die Maßnahmen bei der Kurzarbeit, durch sog. staatliche Konjunkturprogramme wie die Abwrackprämie oder durch Infrastrukturmaßnahmen, die sich bspw. am Bau leicht belebend auswirken, auf spätere Monate des Jahres 2009 verschoben. (Nebenbei gefragt: was passiert mit dem Automarkt, wenn die Käufe von einigen Hunderttausend Wagen vorgezogen sein werden und die Prämie ausgelaufen ist? Wird dann der Absatz auf 30% des jetzigen fallen, oder auf 20%? Solche staatlichen Maßnahmen machen den Bürgern etwas vor, um den Preis, daß die Krise dann bald erst recht zuschlägt.)

Das Volk mit beruhigenden Märchen und ein paar klitzekleinen Zugeständnissen stillhalten, gleichzeitig aber die unverschämtesten Manöver zur Befriedigung des Finanzsystems durchziehen, ist derzeit das staatliche Rezept. Das Funktionieren des Bankensystems sei in aller Interesse, lautet die Rechtfertigung. Ach wirklich? Das Dringlichste für Staat und Kapital ist zu verhindern, daß demokratische und revolutionäre Kräfte sich regen, die die Krise durchleuchten, den Kapitalismus kritisch analysieren und auf andere Gedanken kommen könnten. Eine Gewerkschaft wie die IGMetall verbreitet derzeit die Illusion, in Absprachen mit dem Kapital werden sie erreichen können, daß „Keine Entlassungen in 2009“ stattfinden. Und da erhebt sich naturgemäß die Frage, was die Parteien und Gruppen, die sich als links bezeichnen, jetzt unternehmen.

Derzeit werden Demonstrationen vorbereitet unter dem Slogan „Wir zahlen eure Krise nicht“.  Wie aber soll die Gegenwehr konkret in Gang kommen, wie soll eine Massenbewegung entstehen, die dem Kapital und dem Staat Zugeständnisse abtrotzen kann? Dazu reichen Demonstrationen, und seien sie größer als alles bisher Erlebte, nicht aus. Leider werden die betrieblichen Fragen schon mal ganz klein geschrieben.

Die Krisenerklärungen und die Forderungen, mit denen hier mobilisiert werden soll, teilen sämtlich einen ziemlich gewaltigen Pferdefuß: sie appellieren durchweg an den Staat, sie verlangen von ihm eine Gesetzgebung, die die drückendesten sozialen Verschärfungen abmildern soll, sie rufen nach Staatsgeldern.  Sie unterwerfen sich damit von vornherein der herrschenden Ordnung. Sie stellen es so hin, als sei die Entfesselung der Krise bloß ein politischer Fehler, als könne der Staat sie jetzt auf Kosten des Kapitalismus auch wieder abbiegen. Wie soll das sein? Mit Demonstrationen diesen Staat dahin drängen, sein Wesen zu verleugnen und die objektiven Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zu verbiegen?

Wenn man solchen rückwärtsgerichteten Konzepten nachhängt, ist es sicher auch besser, die reale Politik dieses Staates garnicht erst zum Thema zu machen. Die Verpfändung von weiteren Billionen künftiger Steuern, der Produktionsergebnisse von Generationen von Beschäftigten ans Finanzsystem, die handstreichartige Verdopplung der staatlichen Verschuldung jedes einzelnen Bundesbürgers in Höhe von  -zigtausenden Euros -  das ist hier kein Thema. Im Gegenteil: diese „Linken“ stellen sich selbst faktisch auf den Standpunkt noch weiter zunehmender Staatsverschuldung, das aber heißt gesteigerter Ausbeutung,  und damit auf die Plattform des Finanzkapitals selbst. Manche fordern auch offen die Wiederbelebung des Keynesianismus, der Schuldenvermehrung. Die Forderung nach steuerlicher Umverteilung von oben nach unten ist reine Augenwischerei, denn alles was da von „oben“ genommen werden mag, kann sowieso nur aus gesteigerter, vorwiegend internationaler Ausbeutung stammen.

Real ist hier die „Idee“, daß im Zuge des Hinauswerfens von Billionen durch den Staat, die dieser schon mal nicht hat, auch noch ein paar Almosen für die von der Krise unmittelbar hart Getroffenen abfallen können, sodaß es nicht so weh tut. Was dieses ganze System für Folgen haben muß, das wird nicht thematisiert. Eine derartige Linke ist keine selbständige Gegenkraft, sondern ein Anhängsel eben desjenigen brutalen und kriminellen Kapitals und seines Staates, gegen die sie angeblich mobilisiert. Wir brauchen aber keine Einpeitscher der verschärften Lohnsklaverei unter „sozialen“ Schwindeletiketten, auf das läuft das letztlich nämlich hinaus, sondern den direkten internationalen Kampf gegen die Zerstörung der Produktivkräfte, gegen die Betriebsschließungen, gegen die Entlassungen, wir brauchen die Konfrontation mit dem kapitalistischen System und seinem Staat.

 

 

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