Internet Statement 2012-10

 

Und wieder zahlen die Beschäftigten die Zeche !

Das brutale Aus für mehr als 10.000 Schlecker-Frauen

Uwe Müller  29.3.2012    

Nachdem die von dem Insolvenzverwalter, von Ver.di und Politkern verschiedner Couleur, insbesondere des baden-württembergischen Wirtschaftsminister Schmid angestrebte Auffanggesellschaft geplatzt ist, wurde heute mehr als 10.000 Schlecker-Beschäftigte – vorwiegend Frauen – die Kündigung ausgesprochen und auf die Straße geworfen. 2.200 Filialen werden oder wurden bereits geschlossen. Wie die Zukunft für die Noch-Beschäftigten aussieht, ist ungewiß.

Gnadenlos und brutal müssen wieder einmal die Beschäftigten die Zeche für Mißmanagement und Mißwirtschaft bluten. Da geht einem wirklich das Messer im Sack auf. Noch dazu trifft es in allererster Linie Frauen, und die Betriebsrätin hat ganz recht damit, wenn sie feststellt, daß Frauenarbeitsplätze hierzulande noch ganz besonders wenig zählen.

Nun schieben sich die Bundesländer und die Politiker gegenseitig die Schuld am Scheitern der Auffanggesellschaft in die Schuhe. Alles dreht sich nur noch darum. Was aber, wenn die Auffanggesellschaft gekommen wäre? Wäre das etwa die Rettung der Schlecker-Frauen gewesen, wie das dauernd von allen Seiten verlautbart wurde? Keinesfalls! Es wäre für die mehr als 10.000 allerhöchstens ein 6-monatiger Aufschub vor dem drohenden Absturz in die Arbeitslosigkeit oder dem Wechsel in schlechter bezahlte Jobs gewesen. Eine kleine Abfederung – mehr nicht. Und für den Rest der Belegschaft wäre die Zukunft noch immer recht ungewiß. Man höre also auf, hier von gescheiterter Rettung zu sprechen.

Dennoch ist es für die betroffenen Frauen nun sehr bitter und enttäuschend, daß nicht einmal die 71 Millionen Euro zur Abfederung möglich sind, während Milliarden und Aber-Milliarden zur Bankenrettung in Windeseile locker gemacht wurden! Was für ein System ist das?! Für Beschäftigte gibts kein Geld. Der FDP sei dank. Aber auch der SPD, der CDU, der Grünen sei dank. Die baden-württembergische Regierung hätte das durchaus auch alleine tragen können, oder auch die Bundesregierung. Nun lediglich die asoziale FDP an den Pranger zu stellen, ist billig und heuchlerisch, und lenkt von der Unwilligkeit der anderen politischen Kräfte ab, wirklich für eine Rettung aller Schlecker-Frauen und wirklich für eine minimale Abfederung der jetzt betroffenen Schlecker-Frauen einzutreten. Es lenkt auch ab von der Verantwortung des Schlecker-Clans.


Was aber brächte eine Auffanggesellschaft viel mehr als einen zeitlichen Aufschub? Am Ende der Laufzeit steht für viele dann doch die Arbeitslosigkeit oder der schlechter bezahlte Job. Von echter Weiterbildung bei der kurzen Laufzeit und der knappen finanziellen Ausstattung kann nicht geredet werden. Und die Filialen und die Jobs sind geschlossen und weg.

Eine Rettung aller Schlecker-Frauen hingegen wäre das, was nötig und gesellschaftlich auch sinnvoll wäre. Viele Schleckerfilialen haben auch für ihre Kunden eine wichtige Funktion, nicht nur für die Beschäftigten. Eine Rettung würde ganz anders aussehen, da hätte man um ganz anderes streiten und kämpfen müssen. Da hätte man klar fordern müssen, daß keine Filiale geschlossen wird und keine Mitarbeiterinnen gekündigt werden. Statt dessen alles tun für die Fortführung mit einem neuen und innovativen Konzept. Dafür hätte Ver.di, dafür hätten alle fortschrittlichen Kräfte mit aller Kraft sich einsetzen müssen und Solidarität einfordern können. Es wäre etwas völlig anderes gewesen, für die Fortführung und Rettung des Schlecker-Konzerns (ohne Schlecker-Clan natürlich) und für die Rettung aller Schlecker-Frauen Hilfsgelder- und Kredite zu fordern, als lediglich für eine minimale finanzielle Abfederung und einen geringen zeitlichen Aufschub der Arbeitslosigkeit.

Nötig und sinnvoll wäre ein klares neues und kreatives Konzept für die Weiterführung des Konzerns (ohne Schlecker-Clan natürlich), sei es in privater oder auch in öffentlicher Hand. Ein Insolvenzplan, der nicht von vornherein 2.200 Filialen und 11.000 Schleckerfrauen abschreibt. In der Tat. Aufgrund der jahrelangen Mißwirtschaft und des Mißmanagements des Schleckerclans war für eine Fortführungsoption aus eigener Kraft weder finanzieller Spielraum noch ein zukunftsfähiges Konzept vorhanden.

Warum hat aber dann niemand gefordert, auch Ver.di nicht, die Schleckerfamilie voll in die Haftung zu nehmen und ihr gesamtes noch verbliebene und teils ins Ausland verschobene Vermögen zur Rettung des Konzerns und der Jobs zu konfiszieren?

Der Insolvenzverwalter hat das „natürlich“ nicht getan, das liegt außerhalb seines Horizonts und ist im Insolvenzrecht auch gar nicht angelegt. Das Insolvenzrecht ist nicht für die Arbeiter gemacht, sondern für die Eigentümer und Kapitalisten.

Das hat aber auch Ver.di nicht getan. Das hat natürlich auch keiner der Politiker und der Parteien getan, die sich so gerne als mutmaßliche Retter der Schlecker-Frauen in Szene gesetzt haben.

Allesamt haben sie dauernd von Rettung gesprochen – und lediglich eine Auffanggesellschaft gemeint und gewollt. Oder auch nur so getan.


Schön und gut, aber viel zu radikal und völlig illusorisch, werden nun einige sagen. Nicht durchsetzbar. Nicht finanzierbar. Man könne nur den Schaden minimieren und versuchen, wenigstens einen Teil der Filialen und Jobs noch zu retten. Schlecker ist halt nun mal pleite. Und Schlecker ist schließlich nicht systemrelevant wie die Banken, die in Windeseile mit Milliarden und Aber-Milliarden auf Kosten der Steuerzahler gerettet wurden.

Wer so redet, der denkt nur im Rahmen dieses Systems, im Rahmen des Kapitalismus. Der denkt nicht an echten Kampf, sondern an soziale Abfederung.

Es ist aber höchste Zeit, mit diesem eingeschränkten Denken und Handeln Schluß zu machen. Die Krise marschiert weiter, die Rettungsschirme für Banken und Staaten werden größer und größer, keines der Probleme wird dadurch aber wirklich gelöst, sondern nur zeitlich verschoben und immer noch größer gemacht. Die Zeche zahlt jetzt und später die Masse der Bevölkerung, hier wie überall in Europa und der ganzen Welt. Im Rahmen des Systems und des Kapitalismus ist keine Lösung der Krise möglich. Im Gegenteil, der Zusammenbruch wird schließlich um so drastischer ausfallen. Es gibt kein Stehenbleiben, dazu sind die Gegensätze viel zu scharf. Festhalten am Alten ist Illusion. Will man die Lage wirklich verbessern, muß der Kampf aufgenommen werden. Es führt kein Weg daran vorbei, sich auch grundsätzlich mit den Fragen dieser Gesellschaftsordnung auseinander zu setzen.

Daß im Falle der Schlecker-Frauen nun nicht einmal eine minimale Abfederung machbar war, spricht Bände für künftige Pleiten. Um so wichtiger, das System generell in Frage zu stellen, sich zu organisieren und an konkreten Punkten für unsere eigenen Interessen, für die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, für die Arbeiter und Angestellten zu kämpfen.

 

 

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