Internet Statement 2012-40

 


Zu dem Problem Palästina - Israel und dem jetzigen Waffenstillstand

Ein paar Bemerkungen zu der Jauch-Sendung heute abend   

 

Maria Weiß   26.11.2012    

Daniel Barenboim, dort zu Gast,  vertritt im Grunde prinzipiell etwas ganz Ähnliches als was ich in meinem IS dazu geschrieben habe, allerdings erkennt er nicht den Klassenwiderspruch (an), das  fehlt, und deswegen kommt er auch nicht klar mit der Kritik daran. Westerwelle  mit seiner Behauptung, daß Israel die „einzige wirkliche Demokratie“ im Mittleren Osten sei, ist hingegen völlig absurd in seiner Stellung. Was für eine  „einzige wirkliche Demokratie“ soll das sein, die auf der Unterdrückung und Vertreibung eines ganzen anderen Volkes basiert, dem also gleichzeitig elementarste Rechte genommen und abgesprochen werden? Das ist doch wirklich absurd!

 

Es kann gar keinen Frieden geben dort, wenn  die Palästinenser in Gaza und auch im Westjordanland wie einer Art Ghetto im eigenen Land leben, das kann nicht funktionieren.

 

Ein wichtiger Punkt, den Barenboim vorbrachte, ist, daß ein Zusammenleben auf diesem Land nicht geht  mit Exklusivität (für die eine Gruppe). Da steckt genau die Wahrheit drin, und Westerwelle versucht daran vorbei zu reden, indem er das Problem auf Siedlungspolitik reduziert.

 

Noch etwas sehr Wichtiges hat Barenboim gesagt, daß man nämlich nicht den gegenwärtigen Zustand als das A und O, als den Ausgangspunkt nehmen dürfe für eine Lösung, sondern daß man zurück, sehr weit zurück gehen müsse in der Geschichte und sehen, welche Völker dort ursprünglich alle gelebt haben in Palästina, und daß „wir eigentlich alle Palästinenser sind“ von daher. (Es selbst besitzt übrigens sowohl einen palästinensischen als auch einen israelischen Paß, was allerdings bislang eine absolute Ausnahme darstellt.)

 

Am Schluß machte er noch mit einem Satz  - ohne daß  das vielleicht  beabsichtigt war-  die ganze Absurdität dieses jetzigen Zustandes deutlich: Israel meint, sie hätten jetzt den Krieg gewonnen, die Hamas meint, sie hätten den Krieg gewonnen, und jetzt sollen sie sich mal zusammen setzen und diskutieren.

 

Einen Punkt gibt es hier natürlich unter anderen zu berücksichtigen: die Teilnahme an einem Konzert von Daniel Barenboim kostet viel, viel Geld, normalerweise jedenfalls, das heißt aber auch, seine ganze Tätigkeit  ist eingebunden in das kapitalistische System. Und genauso ist die Struktur der Nationen und die Struktur der Staaten, nicht nur im Mittleren Osten, ebenfalls eingebunden in das kapitalistisch-imperialistische System und kommt da so einfach  nicht raus. Man sollte das wirklich mal einführen: Palästina-Israel (als Ziel). Nur wie soll das entstehen, ohne daß man diese Struktur, diese klassenmäßige Struktur auf der Welt, umwandelt oder realistisch ausgedrückt zerbricht? Wie soll das entstehen? Das ist insofern auch eine Utopie, was Barenboim hier sagt, allerdings enthält sie einen sehr wesentlichen Gedanken.

 

Eine wirkliche Befreiung kann nicht gelingen ohne die gemeinsame Aktion der unterdrückten Massen und Völker und Staaten aller Länder. Nu so kann das verwirklicht werden, nicht anders. Man sieht es ja, auch solche Staaten wie Israel, welches  obendrein künstlich in die Region hineingepflanzt wurde, sind herausgehoben und profitieren ebenso von der internationalen  Ausbeutung wie unser eigener Staat, Deutschland nämlich, und ganz Europa, die EU, ganz zu schweigen von den USA und noch einigen anderen Ländern,  davon profitieren, daß anderswo Menschen schuften für kaum etwas zu Essen, obendrein mit dem Risiko, während der Schufterei auch noch zu Tode zu kommen, weil die ausbeuterischen Bedingungen so krass sind, daß selbst elementarste Sicherheitsvorkehrungen nicht beachtet werden. Das muß man mal sehen: was dort unter solchen extremen Bedingungen produziert wird, wird bei uns verbraucht, zu Preisen, die sich sehr viele Menschen leisten können hierzulande, in Europa, in USA,  weil eben diese Auspressung  anderswo stattfindet, wo diese Waren  so „günstig“  produziert werden, daß trotz dieser niedrigen Preise für die Ausbeuter in jedem Fall „die Kasse (sprich: der Maximalprofit) stimmt“. Ohne daß diese Verhältnisse nicht insgesamt angegangen werden, können auch solche Regionalprobleme, hinter denen sich manchmal allerdings sehr prinzipielle Probleme wie z.B. das Problem Israel-Palästina oder umgekehrt, verbergen können, nicht gelöst werden. Diese Bemerkungen sind notwendig, um solche Debatten wieder zurück auf den Boden der Realität zu bringen.

 

Mao Zedong hat einmal gesagt: „Die herrschende Kunst ist immer die Kunst der Herrschenden“. Das ist sehr richtig, aber es ist  nur ein Teil der Wahrheit, denn es gibt immer auch eine revolutionäre Kunst, eine die sich neu bildet. Nur wie müßte eine solche revolutionäre Kunst in Palästina-Israel aussehen? Sie müßte doch unbedingt auch diesen Konflikt, der mit den objektiven materiellen Bedingungen und mit den klassenmäßigen Widersprüchen auf der Welt etwas zu tun hat, mit einbeziehen. Tut sie das nicht, ist sie letztendlich doch nur die Kunst der Herrschenden, die nämlich oben drüber schwebt und die wirklichen Probleme nicht richtig packen kann. Wenn Herr Barenboim zum Beispiel durchaus richtig fordert, die Exklusivität in diesem Israel-Palästina müsse aufhören, dann ist das völlig richtig. Aber damit allein ist es nicht getan. Ist nicht auch die Tatsache, daß ein winziger Teil der Menschheit die überwältigende Mehrheit ausbeutet, auch eine Form von Exklusivität, die beseitigt werden muß? Ist sie nicht sogar grundlegender als diese andere, die natürlich auch sehr wichtig ist? Aber sie hat immer eine solche auch mit zur Folge und konserviert diese. Deswegen muß die Grundlage angegangen werden, auch dort.

 

Warum will denn Hamas nicht weiter? Warum will Israel nicht weiter? Warum sind sie angeblich zufrieden mit ihrem gegenwärtigen Zustand? Deswegen, weil sie ihn erhalten möchten, weil sie sich darin eingerichtet haben. Nur wird es dabei nicht stehen bleiben, denn die (ungelösten)Widersprüche gehen weiter, die Menschheit will weiter und auch die Menschen dort wollen nicht länger so leben, wie sie jetzt leben. Deswegen wird der Konflikt wieder aufbrechen, das ist ganz unvermeidlich.

 

Mit Idealismus kommt man nicht weiter, man muß die Dingen sehen, wie sie sind und daraus die richtigen Schlußfolgerungen ziehen. Es ist völlig richtig, wenn die junge palästinensische Vertreterin bei dieser Diskussion zum Beispiel äußerte, daß sie selbst inzwischen nicht mehr an die „Zwei-Staaten-Theorie“ glaubt. Die so genannte Zwei-Staaten-Lösung war von Anfang an ein aufschiebendes Mittel im Interesse des Imperialismus, und daß das natürlich, da es der tagtäglichen Erfahrung der Menschen widerspricht, sich irgendwann ableiert, ist klar. Diese Lösung ist keine, kann niemals eine sein und muß vom Tisch verschwinden, sie ist gar nicht praktikabel.

 

Es gibt nur eine vernünftige Lösung für das Problem, nämlich eine, wie sie bereits vor langer Zeit von der damaligen PLO vertreten worden ist, die dann irgendwann, u.a. auch mittels des sog. Oslo-Abkommens, welches durch die USA dominiert wurde, verschwunden ist: Einen Staat zu schaffen, in welchem alle Gruppierungen sämtlicher ethnischer Herkunft,  die jetzt dort leben, gleichberechtigt zusammenleben, und ohne daß eine von ihnen für sich die „Exklusivität“ oder man kann auch sagen Dominanz über das Ganze fordert,   wobei die jeweilige  religiöse Orientierung oder Zugehörigkeit  die private Angelegenheit jedes einzelnen sein muß. Das ist die einzige Lösung, die dort im Grunde funktionieren kann und die auch, wie sich gezeigt hat, viele dort wollen.

 

Ich finde es ausgesprochen positiv, daß Daniel Barenboim zwei Pässe besitzt, nämlich den israelischen und den palästinensischen Paß. Ich frage mich nur, ob dies auch für jeden Palästinenser und jeden Israeli dort möglich ist, das zu bekommen. Und wenn das der Fall wäre, dann wäre das ja nicht schlecht, aber dann könnte man sich ja auch fragen: warum soll man das nicht vereinfachen auf einen einzigen Paß?

 

Barenboim sagte auch, wie er zu seiner Position gekommen ist. Sie würde aus dem Jahr 1970 datieren, aus der Zeit des Schwarzen September, als in Jordanien zigtausende  Palästinenser getötet worden sind und die damalige israelische Ministerpräsidentin Golda Meir dazu gesagt hat: „Palästinenser? Ich kenne keine. Wir sind die Palästinenser“. Barenboim meint, das habe ihn auf den Gedanken gebracht man müsse zurückgehen in die ganz alte Zeit.  Nein, man muß nicht nur  zurückgehen auf die Ursprünge, man muß vor allem auch vorwärts gehen, zur Lösung des Problems. Und man darf historisches Unrecht nicht ungestraft lassen.

 

 

26.11.2012 Nachtrag

 

Offensichtlich haben sich verschiedene Kräfte über die gestrige Jauch-Sendung geärgert. „Jauch ist in Nahost verschwunden“ lautete es heute in der Presse. Woran liegt das wohl? Es liegt daran, daß sie mit ihrer Stereotype nicht durchgekommen sind. Zum Beispiel der Außenminister. „Das Existenzrecht Israels darf nicht angetastet werden“. Das darf nicht in Frage gestellt werden es gehört laut Bundeskanzlerin ja zur Staatsräson in diesem Land. Wohingegen andere bei dieser Sendung versucht haben, die Dinge differenziert zu betrachten, wobei sowohl die Forderung, auf die Ursprünge zu kommen als auch die jahrzehntelange praktische Erfahrung dort eine Rolle spielten. Man muß festhalten: Israel ist eine Schöpfung des internationalen Imperialismus, des US- und des britischen vor allen Dingen, und in dieser Hinsicht gibt es überhaupt kein Existenzrecht zu verteidigen.

 

 

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