Internet Statement 2013-17
 

Was hilft den Arbeiterinnen und Arbeitern in Bangladesh?

Wassili Gerhard 8.5.2013   

 

Bei der kürzlichen Katastrophe in Bangladesh, als ein mehrstöckiges Haus mit mehreren Textilfabriken zusammenstürzte, gab es wohl letztlich an die 700 Tote, überwiegend Näherinnen. Das hätte nicht sein müssen, denn die Näherinnen wollten eigentlich zum Teil das Haus nicht mehr betreten, die Gefahr war also bereits erkennbar, aber sie wurden dazu gezwungen.

In den Kommentaren wird die Frage nach der Schuld gestellt. Es wird gesagt: Die Textilunternehmer dort schieben sie auf die internationalen Großabnehmer und umgekehrt. Unsere Medien wiederum wollen bisweilen die Konsumenten hier verantwortlich machen, weil sie billige Kleidung kaufen. Ein Wunder nur, daß die Textilarbeiterinnen nicht beschuldigt werden, daß sie in solchen Fabriken arbeiten gehen, aber in Bangladesh wird es auch das geben. Vielleicht mobilisiert man jetzt die Islamisten in diesem Sinne.

Nun, wer die Arbeiterinnen dazu zwingt, mit der Drohung, daß das sonst Arbeitsverweigerung sei, in ein Gebäude zu gehen, das Zeichen von Instabilität aufweist, trägt zweifellos eine persönliche Schuld. Wer fahrlässig ein Gebäude so nutzt, daß es einsturzgefährdet ist, trägt eine persönliche Schuld. Wer ein Gebäude um mehrere Stockwerke erhöht, obwohl es dadurch nicht mehr stabil genug ist, trägt ebenfalls persönliche Schuld. Das muß bestraft werden.

Wenn man aber tiefer geht, dann ist es eben auch das kapitalistische System, das einen Druck erzeugt, so zu handeln. Der Konkurrenzdruck und die Marktmacht großer Konzerne entscheiden eventuell sogar nach Bruchteilen von Cent pro fertiggestelltes Kleidungsstück, wer den Zuschlag bekommt für die Herstellung von Kleidungsstücken, und da sind dann am Ende der Kette solche Erscheinungen vorprogrammiert. Und wenn China bis vor kurzem vielleicht billig genug war, so ist eben Bangladesh jetzt noch billiger, teils auch weil die chinesischen Arbeiter schon Verbesserungen durchgesetzt haben. Wenn die Konsumenten nur ein paar Cent pro Kleidungsstück mehr bezahlen, dann könnte damit sicher viel gemacht werden in punkto verbesserte Sicherheit für die Arbeiter. (Und das würde sich wahrscheinlich auch nebenbei positiv auf die Qualität auswirken.) Nach den Worten kämpfender Arbeiter aus solchen Gegenden wäre damit in punkto verbesserte Arbeitsbedingungen sehr viel zu finanzieren, schließlich geht es um enorme Stückzahlen für den Weltmarkt. Die Konsumenten würden auch 50 Cent oder so mehr zahlen, aber einen Einfluß auf die Produktionsbedingungen hätten sie allein dadurch noch lange nicht. Wie soll aber der Konsument anders handeln, als das günstigere Angebot kaufen, schließlich wächst auch die Zahl derjenigen, die sich überhaupt nur noch die billigste Kleidung leisten können. Und es gibt doch keinerlei Garantie, daß die teurere Ware anders produziert wurde. Natürlich gibt ein Hersteller auch ein paar Pimperlinge für ein bißchen Kosmetik aus, ein paar Prüfungen mit Vorankündigung vielleicht, die vergleichsweise wenig kosten, wenn er dann die Preise erhöhen kann. Und da gibt es noch die Schlauberger, die empfehlen, keine Waren mehr zu kaufen, die in Bangladesh, Indien, China usw. hergestellt sind. Dann soll die Lösung also darin bestehen, daß die Arbeiter, wenn wir uns das finanziell denn überhaupt leisten können, dort also aus Fürsorge arbeitslos gemacht werden, wir lassen sie im Elend zugrunde gehen. Wenn sie unter solchen Bedingungen arbeiten müssen, welche Bedingungen wird man ihnen dort wohl zumuten, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Und welches Druckmittel haben sie dann noch, sich dagegen zu wehren?

Nein. Die Lösung steckt eher darin, daß sich die Arbeiterinnen und Arbeiter organisieren und für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen den Kampf aufnehmen, und das passiert auch bereits, das gehört unterstützt. Und als Arbeiter einer Industrie, die eine zentrale Bedeutung für die Wirtschaft des Landes hat, können sie auch Kampfkraft entfalten. Sie wissen auch letztlich am besten, was Not tut. Das ist das, was unterstützt werden muß!

Auch die Arbeiter in unserem Land mußten einst unter vergleichbar elenden Bedingungen arbeiten und brauchten eine starke organisierte Arbeiterbewegung, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Und da kommen wir zu einem wirklichen Verantwortlichen. Als hier nämlich ein gewisser Stand an Verbesserungen erreicht war, da wurde die Führung dieser Arbeiterbewegung korrumpiert, da dachten die am besten gestellten Arbeiter, daß man ja nun zufrieden sein könne, daß man ja fortan zuviel zu verlieren habe, wenn man noch weiter für die Beseitigung des Kapitalismus überhaupt kämpft. Als die SPD z.B. am Ende des 19. Jahrhunderts noch eine wirkliche Massenpartei der Arbeiter war, da war sie die größte und stärkste Partei im Land, aber eine große Konfrontation mit dem kapitalistischen System wäre im weiteren unvermeidbar gewesen, davor scheute man zurück. Was aber hat das gebracht am Ende? Im folgenden Ersten Weltkrieg wurden Millionen Arbeiter verheizt. Die Novemberrevolution nach dem Ersten Weltkrieg wurde blutig niedergeschlagen, obwohl die Macht zeitweilig im Grunde auf der Straße lag. Auch das hätte wieder eine Auseinandersetzung mit dem internationalen Kapital nach sich gezogen, aber die Vermeidung dieser Konfrontation hat sie nur weiter hinausgeschoben, aber dafür im weiteren Naziherrschaft und den nächsten Weltkrieg mit noch mehr Unheil im Gefolge gehabt. Und die Maßnahmen von Seiten des Kapitals, hiesiges und internationales, die Arbeiterbewegung zu zerstören, daß sie keine Gefahr mehr darstellt, werden kein Ende nehmen, gleichzeitig kommt aber das Kapital nicht ohne eine Arbeiterklasse aus, und so wird es sein, solange ein kapitalistisches System besteht. Es muß durch ein besseres System ersetzt werden, das mit der Weiterentwicklung der Produktivkräfte auch immer erforderlicher und immer möglicher wird. (Das ist auch der eigentliche Hintergrund für die grünen Kampagnen, daß diese Entwicklung bekämpft wird.) Davor gibt es letztlich kein Ausweichen.

Und solange das Kapital Arbeiter findet, denen es schlechtere Arbeitsbedingungen zumuten kann, aus denen es mehr herausholen kann, braucht kein Arbeiter glauben, daß seine besseren Bedingungen erhalten bleiben. Da müssen wir nur einmal sehen, was um uns herum passiert. Was wir seitdem noch haben, ist eben die verstärkte internationale Ausdehnung dieses Systems, zu immer neuen Völkern und Gesellschaftsgruppen, die andere Ausgangsbedingungen haben und noch ungeübt im Kampf mit den Kapitalisten sind, denen man noch die elendsten Arbeitsbedingungen aufdrücken kann. Und wenn sie dann gelernt haben, wie man sich organisiert wehrt, wenn sie sich das nicht mehr gefallen lassen, dann geht es vielleicht wieder in andere Erdregionen. Aber auch das kann nicht unbegrenzt so weitergetrieben werden. Notwendig ist es, und die Entwicklung der Produktivkräfte ist dafür ebenfalls günstig, daß die Arbeiter auf der Welt zusammenfinden und sich koordiniert wehren, dann kann dem Paroli geboten werden. Darum gehen uns die Arbeitsbedingungen anderswo unbedingt etwas an, und wenn die Näherinnen in Bangladesh gegen die dortigen Arbeitsbedingungen kämpfen, dann ist das auch in unserem Interesse und muß unterstützt werden. Diese Lehre sollten wir hier beherzigen. Über die Gewerkschaften zum Beispiel könnte eine gegenseitige Unterstützung organisiert werden, da gibt es auch schon kleinere Ansätze, aber das wendet sich vor allem an gebildete Jugendliche. Das ist ja auch gut so, aber es sollten noch andere Anstrengungen gemacht werden, diese Themen auch den Arbeitern hier nahe zu bringen.

www.neue-einheit.com                          www.neue-einheit.de