Internet Statement 2014-19

 

„Die moralischste Armee der Welt“

- Wie Scharfmacher in Israel versuchen, ihre Kriegsverbrechen zu rechtfertigen

Uwe Müller  31.7.2014    

Im Vergleich zu Raketen der Hamas, die meistens abgeschossen werden und so bislang noch kaum Todesopfer in Israel gefordert haben, fordern die Angriffe und Bombardierungen seitens der israelischen Armee jeden Tag zig Todesopfer und zahllose Verletzte, darunter viele Kinder. Schon mehr als 1400 Tote sind zu beklagen, darunter sehr viele Kinder. Und es ist kein Ende absehbar. Selbst Schulen werden bombardiert, das einzige Kraftwerk von Gaza wurde beschossen, was die Situation für die Bevölkerung noch weiter verschlimmert.
Das Vorgehen Israels ist dermaßen brutal und unverhältnismäßig, daß einem die blanke Wut hochkommt. Der sogenannte Kampf gegen die Hamas ist in Wirklichkeit, in der Realität vielmehr ein Krieg gegen die wehrlose und eingepferchte palästinensische Bevölkerung in Gaza. Dieser Aggression muß Einhalt geboten werden!

Während in vielen Teilen der Welt die Proteste gegen Israel zunehmen, während nicht mehr bloß die Hamas, sondern verstärkt auch Israel völlig zu Recht des Terrors und der Kriegsverbrechen beschuldigt wird, scheint es in Israel allerdings selbst kaum Kritik am Krieg gegen den Gazastreifen zu geben, bzw. ist von hier aus keine Kritik wahrnehmbar.

Vor einigen Tagen gab es im Deutschlandradio hierzu eine interessante Reportage (Kritik und Zweifel unerwünscht - Wie Israel mit Kritikern umgeht) mit Stimmen und einem Stimmungsbild aus Israel.

Eingeleitet wurde die Reportage mit einem populären israelischen Schlager aus den 60er-Jahren mit dem Tenor „Die ganze Welt ist gegen uns“. Genau so sei auch heute wieder die Gefühlslage in Israel, es herrsche breites Unverständnis über die Kritik an Israel: „Die Welt versteht uns nicht. Sie beschuldigt uns sogar, Kriegsverbrechen zu begehen.“

Zitiert wird dazu der Ex-General Jacov Amidror, regelmäßiger Gast in Fernseh-Talkshows:

Die israelische Armee verhalte sich in Gaza vorbildlich“, sagt er. „Sie warne die Menschen, bevor sie ihre Häuser bombardiere und gebe ihnen die Gelegenheit zur Flucht. Es gibt dafür kein Beispiel in der Welt, nicht bei den Amerikanern, nicht bei den Franzosen und nicht bei den Briten. Bei Niemandem. Erinnert euch an Jugoslawien. Die NATO hat dort erbarmungslos bombardiert, während die ganze Zeit über keine einzige Bombe auf eine NATO-Hauptstadt fiel. Wir müssen deshalb verstehen, daß die Welt zynisch ist und dürfen nicht darauf bauen, daß sie uns unterstützt.“

Das ist an Zynismus kaum zu überbieten, Herr Ex-General! Wie großzügig, wie einzigartig und vorbildlich ist doch die israelische Armee! Die Menschen werden gewarnt, sie können fliehen. Aber wohin sollen sie denn fliehen? Sie sind doch eingesperrt im Gazastreifen, sie können nicht hinaus, sie können nirgendwo hin. Und wieso bombardiert die israelische Armee dann Schulen und Krankenhäuser? Wurden diese auch vorher gewarnt?

Das ist auch demagogisch! In der Tat hat die NATO massive Kriegsverbrechen in Jugoslawien begangen. Wochenlang wurde Serbien bombardiert, mit Tausenden von zivilen Toten und massiver Zerstörung der Industrie und der Infrastruktur. Das war ein imperialistischer, verbrecherischer Krieg gegen ein ganzes Land und ein ganzes Volk. Das stimmt ja. Was aber die NATO darf, das muß Israel erst recht dürfen, so die Argumentation des Ex-Generals. Auch Israel soll imperialistische Krieg führen dürfen, soll Kriegsverbrechen verüben dürfen, zumal es ja direkt von den Raketen und Tunnels der Hamas bedoht ist. Das ist die Moral dieses Ex-Generals.

In die gleiche Kerbe schlägt der israelische Finanzminister Jair Lapid:

„Das ist eine häßliche Heuchelei der UNO, die einzige Armee der Welt, die anruft bevor sie zu einer Bombardierung aufbricht, untersuchen (wegen Kriegsverbrechen, UM) zu wollen. Sie sollten Katar untersuchen, das den Terror mit Geld unterstützt. Sie sollten untersuchen, was in Syrien passiert oder im Irak. Das ist eine weitere Demonstration der Heuchelei der UNO gegenüber unserer Armee. Das ist schon zu einem Klischee geworden. Kein Klischee ist aber, daß unsere Armee die moralischste ist.“

Wie kann man nur die einzige Armee, die vor einer Bombardierung anruft, der Kriegsverbrechen bezichtigen?! Wie kommt denn die UNO dazu? Wurden denn im Namen der UNO nicht auch schon etliche imperialistische Kriege geführt und Kriegsverbrechen begangen?! Wohl wahr. Kriegsverbrechen aber bleibt Kriegsverbrechen, da hilft auch kein Verweis auf andere Kriegsverbrechen.
Aber wir rufen doch vorher an, moralischer geht es doch wohl nicht. So ein Schwachsinn, so ein Zynismus, so eine Heuchelei! Tagtäglich werden unschuldige, zivile Menschen und Kinder im Gazastreifen getötet, Anruf hin oder her. Würde der israelische Staat nur die Hamas bekämpfen, wie er immer vorgibt, dann müßte er ganz anders vorgehen. Dann würden keine Schulen oder Krankenhäuser bombardiert, würden nicht Tausende Unschuldige und Kinder getötet oder ihrer Zukunft beraubt werden.
Man darf auch nicht vergessen, daß es u.a auch Israel selbst war, das die Hamas mit aufgepäppelt hat als Gegenpol gegen die demokratischen und fortschrittlichen Kräfte der Palästinenser. Und was ist das überhaupt für ein Zustand, daß 1,8 Mio Menschen in einem Gebiet mit einer Fläche von nur 360 km² zusammengepfercht und eingesperrt sind?


Nicht genug damit, daß solch honorige Vertreter Israels sich jegliche auswärtige Kritik an ihrer Kriegsführung oder gar an ihrem Krieg verbitten und alle Proteste als Heuchelei abtun. Sie gehen auch scharf gegen Kritiker im eigenen Lande vor. Von mindestens vier Fällen einer Kündigung wegen Kritik am Krieg gegen Gaza weiß die Reportage zu berichten.

So wurde z.B. ein Sanitäter eines staatlichen Krankenhauses umgehend entlassen, nachdem er auf seiner Facebook-Seite die israelischen Soldaten als Kriegsverbrecher bezeichnet hatte. Der Krankenhausdirektor verteidigte sein Vorgehen im Fernsehen, er wird zitiert:

„Wer sagt, daß die Armee Kriegsverbrechen begeht, daß unsere Soldaten Kriegsverbrecher sind, der ist jenseits des Konsenses. Und darüber gibt es keine Kompromisse.“

Wer kritisiert – fliegt raus. Und womöglich noch schlimmeres. Was ist das eigentlich für ein Konsens? Ist damit gemeint, daß angeblich die ganze israelische Bevölkerung nach wie vor hinter dem Krieg steht? Oder was noch? Dieser Gesinnungsterror zeugt nicht gerade davon, daß die israelische Staats- und Armeeführung der eigenen Bevölkerung über den Weg traut.

Mit jedem Tag des Krieges, mit jedem neuen Kriegsverbrechen, wird auch die Kritik in Israel lauter werden, davon kann man ausgehen.

 

 

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