Internet Statement 2016-46

 

 

              Zu dem verbrecherischen Anschlag in Dhakka

 

 

Wassili Gerhard   04.07.2016     

Es wäre völlig falsch und würde die übelsten Kräfte fördern, wenn man die Auseinandersetzung mit dem radikalen Islam lediglich als eine religiöse Frage aufziehen würde, wie das z.B. demagogische Parolen wie „christliches Abendland gegen Islam“ beinhalten. Dahinter stecken auf jeden Fall gesellschaftliche Fragen. Das kann man auch bei den jüngsten Anschlägen in Bangladesh beobachten. Es ist keinesfalls als zufällig anzusehen, daß dieses Land, das schärfste Klassenauseinandersetzungen gesehen hat, als die Arbeiterinnen und Arbeiter der Textilindustrie für ihre Interessen auf die Strasse gingen, jetzt von islamisch auftretendem Terrorismus heimgesucht wird. Angesichts dessen, daß die Arbeiterinnen vor allem in kämpferischen Aktionen auftraten, mußte man schon damit rechnen, daß sich eine moslemisch gefärbte Reaktion verstärkt rühren wird, zumal die Gründung dieses Landes - zuerst als Ost-Pakistan - auf das Schüren von brutalen religiösen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems zurückgeht, anläßlich der Unabhängigkeit der britischen indischen Kolonie.

In diesem formal säkularen Staat den Menschen einen rein moslemischen Staat als die Lösung aller Probleme schmackhaft zu machen, dürfte nicht so leicht fallen, auch weil anläßlich der Spaltung zwischen Ost- und West-Pakistan, als Bangladesh als selbstständiger Staat entstand, dieses Land schon brutalen Terror seitens seines moslemischen Bruderstaats Pakistand erleiden mußte. Zeitweilig wurde auch unter einer Militärdiktatur der „Islamische Staat“ erklärt, aber nach deren Sturz schließlich wieder aufgehoben. Die Auseinandersetzung mit derartigen inneren Kräften hat also schon eine lange Vorgeschichte. Der Terror gegen weltoffene fortschrittliche Menschen und Ausländer, wobei natürlich auch dekadente kulturelle Erscheinungen aus dem „Westen“ einen Aufhänger bieten werden, scheint vor allem eine Botschaft zu transportieren: Gegen ein Aufbrechen alter reaktionärer Strukturen, gegen Weltoffenheit und gesellschaftlichen Fortschritt. Rettung alter reaktionärer Strukturen. Daß die Attentäter aus angesehenen wohlhabenden Familien des Landes kommen, stärkt in dieser Hinsicht meine Vermutungen. Ganz sicher geht es auch gegen die Emanzipation der werktätigen Frauen, wie es in ihrer massenhaften Teilnahme an Kampfaktionen der Textilarbeiterinnen zum Ausdruck kommt. Da gibt es auch eine Parallele zu Vorgängen im hinduistisch dominierten Indien. Die Stoßrichtung gegen die Emanzipation der werktätigen Frauen wird aber, soweit man das von hier beurteilen kann, nicht so in den Vordergrund geschoben. Eventuell will man mit einem „Antikapitalismus von Rechts“ auch Anhänger unter der Arbeiterbevölkerung finden. Das wäre jedenfalls in einem Land mit einer Arbeiterbewegung zu erwarten, um diese von innen zu schwächen.Wir haben damit in unserem Land Erfahrungen.

Es ist leider zu befürchten, daß aktuell das internationale Kapital sich von dort zurückzieht, seit die Arbeiterinnen und Arbeiter Erfolge errungen haben dabei, menschenwürdigere Arbeitsbedingungen in den Fabriken dort durchzusetzen. Dazu gehört auch der Kampf dafür, daß die Verantwortlichen des weltweit bekannt gewordenen Einsturzes einer Textilfabrik zur Rechenschaft gezogen werden. Auch internationales Kapital, das aus den Bedingungen dort Extraprofite gezogen hat, wurde drangekriegt, Entschädigungen zu zahlen, auch wenn es von manchen bis heute eine Verzögerungs- und Verschleppungstaktik gegeben hat. Diese Vorfälle wie der verbrecherische Anschlag auf das Restaurant in Dhaka werden sicher dazu beitragen, daß das internationale Kapital einen Vorwand findet, sich dort zurückzuziehen und neue Produktionsstandorte aufzutun, wo die Arbeiterinnen in den Textilfabriken erst wieder neu lernen müssen, sich organisiert zu wehren. Deshalb ist auch eine Zusammenarbeit zwischen internationalem Kapital und einheimischen Reaktionären eher wahrscheinlich. Wir müssen die Vorgänge in diesem Land im Auge behalten und bereit zu internationaler Solidarität sein.

 

 

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