Internet Statement 2017-124

 

Dialektik des Lebens - Philosophisches, aber durchaus real

 

Maria Weiß  28.11.2017  

 

Ich finde es eine sehr interessante Frage, sich darüber Gedanken zu machen, warum es so viele Menschen auf der Welt gibt, die nicht einmal zwei Jahre alt werden. Diese Frage betrifft natürlich das Leben selbst und wie man dazu steht. Bejaht man es oder negiert man es, und letzteres natürlich insofern es die übrigen Teile der Gesellschaft betrifft, nicht sich selbst. Ein Mensch, der sich selbst negiert, und zwar von Anfang an, dürfte relativ selten zu finden sein. Diese Art ist eher ein gesellschaftliches Produkt.´, und zwar ein rückständiges, sich selbst verleugnendes.

Diese Frage ist natürlich sehr unterschiedlich verteilt. In Ländern wie Syrien und Irak dürfte sie relativ häufig vorkommen, in anderen Ländern, in satten Ländern Europas eher selten. Diese Frage ist aber nicht unwichtig im Zusammenhang damit, wie man überhaupt zum Leben steht, und damit zu den Möglichkeiten, sich weiter zu entwickeln. Und das führt uns zu der Frage, wie diese Möglichkeiten auf der ganzen Welt verteilt sind, und hier finden wir sehr große Unterschiede. Diese sind natürlich nicht erst heute vorhanden, sie sind historisch gewachsen, in unterschiedlichster Weise, aber sie tragen ein gemeinsames Merkmal in sich: dass überall das Bestreben erkennbar ist, diese Möglichkeiten zu verbessern und die Zeit, die ein einzelner Mensch leben kann, zu verlängern. Was natürlich mit seiner Umgebung, mit seinen eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zusammenhängt.

Nun gibt es aber erstaunlicherweise – oder auch nicht- gerade in Ländern, die einen recht großen Fortschritt für die Lebensbedingungen des Einzelnen erreicht haben, zunehmend solche Menschen, die genau dieses Leben missachten, im Grunde verachten –vor allen Dingen natürlich das der Anderen- aber das eigene Leben dann eben auch, weil sich das so gehört oder auch, weil man selbst keine Perspektive sieht, was manchmal damit zusammenhängt, dass sich gewisse Wunschträume nicht erfüllen. Das ist aber eine vollkommen falsche Herangehensweise, denn sie lässt außer Acht, was jeder Mensch für Fähigkeiten in sich birgt, seine eigene Situation als auch die seiner Umgebung zu verändern. Das heißt ganz einfach ausgesprochen nichts anderes als wenn man mit seinem Leben nicht zufrieden ist, dann sollte man versuche, es zu verändern.

Da eine solche Schlussfolgerung eigentlich dem natürlichen Bestreben eines jeden Menschen entspricht, führt es zwangsweise dazu, dass sich die verschiedenen Bestrebungen von Menschen auch kreuzen, und am deutlichsten kann man dies in des gesellschaftlichen Verhältnissen erkennen. Das kreuzt sich in der Tat einiges. Da kreuzen sich vor allen Dingen die Eigentumsverhältnisse, und die Eigentumsverhältnisse sind deswegen interessant, weil sie Voraussetzung dafür sind, in welcher Form ein Mensch sein Leben selbst gestalten kann.

Nun trifft natürlich jeder Mensch auf der Welt, der geboren wird, auf bereits existierende Eigentumsverhältnisse, die er selbst zunächst einmal nicht zu verantworten hat. Da wird er einfach hinein geboren. Aber jeder Mensch ist auch mit einem Bewusstsein ausgestattet, was ihm ermöglicht, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden, die Wirklichkeit selbst zu beurteilen und zu gestalten und somit auch sein eigenes Bewusstsein umzugestalten, seine eigene Erkenntnisfähigkeit –wie es Hartmut Dicke einmal ausgedrückt hat – umzugestalten.

Dieses geschieht natürlich nicht losgelöst von den objektiven Bedingungen. Ein Mensch, der zufrieden ist, in eine zufriedene Welt hinein geboren wird, der wird wenige Bestrebungen in sich finden, diese umzugestalten. Das ist allerdings in den allermeisten Fällen nur einer Minderheit vorbehalten. Und nebenbei, eine Gesellschaft, in der ein solches Nichtstreben die Mehrheit ergreift, ist auch nicht wünschenswert.

Nun sind aber zum Glück die Verhältnisse in dieser Hinsicht auf der ganzen Welt davon Lichtjahre entfernt. Eine Gesellschaft, in der niemand mehr das Bestreben hat, sie zu verändern, die wäre die Hölle, denn eine Zurückentwicklung und quasi Selbstzersetzung wäre damit vorprogrammiert.


Es ist daher auch schon vom rein Gedanklichen her verkehrt, eine Gesellschaft anzustreben, welche frei ist von Gegensätzen, denn nichts anderes als Gegensätzlichkeit treibt Entwicklung voran. Vielleicht liegt in dieser Erkenntnis oder trifft diese Erkenntnis auch eine gewisse Schwäche der bisherigen kommunistischen Theorie. Die Wahrscheinlichkeit, irgendwann mal in ein Endstadium zu gelangen, eines des vollkommenen Glücks und der Zufriedenheit widerspricht dem Wesen des Menschen selbst.

Es gibt ein Sprichwort, welches lautet: Wenn zwei dasselbe wollen, dann ist es noch lange nicht dasselbe. Das darf man natürlich nicht so interpretieren, als gäbe es überhaupt keine Gemeinsamkeiten sowohl zwischen Menschen als auch zwischen Gruppierungen von Menschen, welche mit ihrer materiellen Grundlage etwas zu tun haben. Das anzunehmen wäre verkehrt. Diese gibt es durchaus, aber es darf dabei nicht stehen bleiben, das ist der entscheidende Punkt, und alle sozialistischen Gesellschaften, welche bislang sich die Macht erkämpft haben, sind in gewisser Weise stehen geblieben und das hat dazu geführt, dass sich dort wieder andere Entwicklungen breit gemacht haben, die zum Teil oder auch ganz wieder ein Rückwärts bedeutet haben. Auch in der Theorie Mao Zedongs, obwohl diese sehr weitgehend diese Dialektik, dieses Eins teilt sich in Zwei, verfolgt hat, muß es etwas gegeben haben, was an seine Grenze gestoßen ist, sonst hätte es der Revisionist Deng Xiao-ping nicht geschafft, den Sozialismus in China umzustürzen.

Natürlich hängt dies auch mit weltweiten Verhältnissen zusammen, mit Unterwanderung und was noch allem. Aber es hängt auch mit einem Mangel an theoretischer Erkenntnis zusammen, und in dieser Hinsicht gilt es eben auch weiter zu kommen. Nicht nur die Praxis, auch die theoretische Erkenntnis der Wissenschaft über die Gesellschaft und deren Entwicklung ist noch keineswegs am Ende angelangt, wenn es ein solches denn überhaupt gibt. Bewegung ist Dialektik, das heißt es bewegt sich etwas immer in Gegensätzen. Nimmt man das weg, nimmt man diese Gegensätzlichkeit weg, dann bewegt sich eben auch nichts mehr. Das ist meiner Ansicht nach ein wichtiger Grund für diese Stagnation, die sich zum Teil in sozialistischen Gesellschaften breit gemacht hat. Das betrifft selbstverständlich alle, auch Russland. Aber man sieht auch, dass es dabei nicht stehen bleibt. Es bewegt sich weiter, und die Welt ist so widersprüchlich, auch heutzutage, und sie wird es auch in Zukunft sein, so dass man keine Sorge haben muss, dass die Bewegung irgendwann aufhört.

Man nehme doch nur den Gegensatz von Leben und Tod. Der ist auch nicht weg zu bekommen, obwohl sich das vielleicht manch einer zuweilen wünscht. Aber was für ein Leben es ist, welches dem Tod vorweg geht, da haben wir alle Möglichkeiten, es mit zu bestimmen. Allerdings müssen wir diese zu erkennen und zu nutzen verstehen. Und je mehr eine Gesellschaft von dem ganz elementaren Kampf ums Überleben weg kommt und in andere, höhere Sphären einzusteigen fähig ist, je stärker wachsen natürlich auch diese Möglichkeiten. Und da gibt es noch sehr viel zu tun auf der ganzen Welt. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, dass wir das vielleicht vorzeitig oder bald erreichen werden, dass sämtliche Menschen auf der Welt in solche Fähigkeiten einsteigen können. Es gibt noch sehr viel zu tun, so viel, dass wir gar kein Ende absehen können, geschweige denn wollen.

Wenn jeder einzelne Mensch dazu etwas beitragen kann, dann hat das eben auch eine Bedeutung, nicht nur für ihn, sondern auch für das Ganze. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, welches die Fähigkeit besitzt, über sich hinaus zu denken. Diese sollte man nutzen und nicht einfach ignorieren oder wegwischen. Irgendeine Tante hat mir als ich klein war mal die Frage gestellt: Was liegt zwischen Sein und Nicht- Sein? Und ich hab geantwortet: das Werden. Dazu meinte diese: Aus dir wird mal eine Philosophin. Nun ja, das ist es nicht, das wäre auch viel zu weit gegriffen. Das Wesentliche besteht meiner Ansicht nach eher darin, dass diese Anlage eigentlich jedem Menschen eigen ist, er muß nur die Möglichkeit bekommen, sie zu entwickeln und umzusetzen. Das Postulieren eines Endstadiums (und sei es auch des Kommunismus) widerspricht dem Entwicklungsgesetz selbst. Wen wunderts daher, daß alle bisherigen Versuche in dieser Art fehlgeschlagen sind.

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