Internet Statement 2021-73

 

 

 

Die Bauern-Proteste und die modernen Methoden der politischen Manipulation und Spaltung

– 1000 Bauern verlieren täglich in der EU ihre Existenz! Der Kampf dagegen ist grundsätzlich berechtigt und verdient Unterstützung!

 

 

Wassili Gerhard  07.04.2021

In der letzten Zeit sind Bauern mit Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Gefährten ständig in Berlin mit Protestzügen unterwegs gewesen, seit vielen Wochen schon, wie auch an vielen anderen Orten. Von den Medien wird das bisweilen totgeschwiegen. Wenn doch berichtet wird, dann wird zumeist versucht, den Bauernprotest als rechte Bewegung abzustempeln, wobei man dann die Behandlung der eigentlichen Ursachen „elegant“ umgeht. Viel wird gegenwärtig über die Bauern geschrieben, aber ihre Mehrheit, Personen, die diese Mehrheit repräsentieren, kommen dabei normalerweise nicht zu Wort. Viele Bauern kämpfen gegenwärtig um ihre Existenz, das ist die eigentliche Ursache dieser Proteste, für die die Teilnehmer teils große Lasten auf sich nehmen, denn mit Unterbringungskosten wochenlang in der Stadt zu leben, weit weg von der eigenen Landwirtschaft, mit langer Anreise per Traktor, das ist nicht etwa Urlaub.

 

Bauern in diesem Land waren und sind zu erheblicher Rationalisierung gezwungen, um überleben zu können, gehen finanzielle Verpflichtungen bis zum Äußersten ein, aber der Zwischenhandel schöpft den ökonomischen Gewinn der effektiveren Produktionsweise ab, indem er seine Monopolstellung dafür nutzt, entsprechend den Preis für die Produkte zu drücken. Eine Bäuerin berichtete, daß es in der Vergangenheit eine Zeit lang sogar ökonomisch günstiger gewesen wäre, den Weizen als Heizmaterial zu nutzen, statt ihn zu verkaufen. Die sich ändernden Gesetze und Verordnungen zwingen zum Teil auch zu Investitionen oder Umstellung des Betriebes. So sammeln sich teils erhebliche Schulden an, die sie schwer, oder eben in manchen Fällen auch gar nicht, zurückzahlen können. Eine Bäuerin berichtete z.B. daß sie zur Zeit des BSE-Skandals Kälber nicht mehr mit Milch großziehen durfte, nur noch mit pflanzlichen Produkten, an denen zu viele Kälber verendeten, so daß sie die Kälberzucht erst einmal aufgab. Auch wenn das wohl inzwischen korrigiert ist, war es jedenfalls existenzbedrohend.

 

Die neuen Vorgaben, die im Rahmen der verstärkten Öko-Ausrichtung auf sie zukommen werden, machen vielen aktuell zusätzliche existenzielle Sorgen. Wenn man sich mit Bauern unterhält, dann bekommt man erzählt, wie berechtigt der Spruch ist: „Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber sie wissen alles besser“, wie das an einem Traktor stand. Kennen wir diesen Bürokratiewahnsinn nicht alle auch von woanders her? Insbesondere die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe ächzen unter diesem Druck der Bankschulden, der Auswirkungen der Preisdrückerei, der Steuern und der bürokratischen Drangsalierung. Dabei dürfte die Parole der Bauernbewegung von Ende der zwanziger Jahre „keine Besteuerung aus der Substanz“ auch heute aktuell sein.

 

Existenzen gehen massenhaft zu Grunde

 

Das sind Probleme, die es nicht nur der Bundesrepublik gibt. Kürzlich sagte der designierte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski aus dem auch sehr stark betroffenen Polen:

"In nur einem Jahrzehnt, von 2005 bis 2015, haben wir 4 Millionen landwirtschaftliche Betriebe in der EU verloren. Im Jahr 2005 betrug die Zahl der Höfe fast 15 Millionen. Ein Jahrzehnt später waren es weniger als 11 Millionen. Das bedeutet: Wir haben 400.000 Bauernhöfe pro Jahr verloren, mehr als 30.000 pro Monat und mehr als 1.000 pro Tag." (https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/hoefesterbeneu-tag-geben-1000-bauern-559882 - Hervorh. von mir)

Da ist es völlig gerechtfertigt und gut, daß die Bauern auf die Straße gehen und protestieren.

 

Manche kleinen Hofbesitzer müssen längst schlecht bezahlte Lohnarbeitsjobs nebenher machen oder betreiben überhaupt schon den Hof nebenbei. Seit 1970 mußten dreiviertel der kleinen Bauernbetriebe aufgeben, Millionen Höfe. Es gibt zwar auch Subventionen, weil die großen Kapitalbesitzer nicht allein einer riesigen Zahl armer Menschen gegenüber stehen wollen, die im Kapitalismus nichts mehr zu verlieren haben. Deshalb verlangsamen sie schon seit langem das Verschwinden der Zwischenschichten in diesem Land, wozu sie die Mittel aus der internationalen Ausbeutung gewinnen. Es wird sogar teilweise dafür gesorgt, daß in verschiedensten Bereichen neue Zwischenschichten entstehen. In gewissem Sinne sind wir mitten drin in einem Krieg der reichen Länder gegen die armen, und da versucht man im Inneren ein gewisses Maß an Burgfrieden aufrecht zu erhalten. Aber der Verteilungskampf der Profiteure untereinander wird schärfer und das wirkt sich auch im Inneren aus.

 

Die Mühlen des kapitalistischen Systems mahlen nun einmal trotzdem weiter, auch und gerade im globalen Rahmen. Im Rahmen der internationalen Ausbeutung entstehen riesige, mit Dumpingpreisen für den Weltmarkt produzierende Farmen, wo die einheimische Bevölkerung, Bauern zumeist, ganz ursprünglich mit der Natur lebende Selbstversorger bisweilen, verdrängt wird. Da werden die Bauern in ein Elend geschleudert, das den tiefsten Stand hierzulande noch weit übertrifft. „Landgrabbing“ nennt man das auch. Das Palmöl z.B., das wir in immer mehr Nahrungsmitteln und anderen Produkten finden, kommt in der Regel da her. Die Verdrängten gehören zu denen, die die Slums der Riesenstädte füllen und dort von importierten Lebensmitteln ernährt werden, wie subventioniertes Weißbrot aus amerikanischem Weizen, die zu Dumpingpreisen aus den entwickelten Staaten, auch europäischen, importiert werden. Also ein doppeltes Geschäft, das die armen Länder in doppelte Abhängigkeit bringt.

 

Die Webseite Regenwald-schuetzen.org schreibt zum Palmöl-Anbau, der zum größten Teil in Indonesien und Malaysia stattfindet, aber auch in Südamerika und Afrika, und der ein sehr prägnantes Beispiel darstellt:

„Für die Anlage neuer Palmölplantagen wird tropischer Regenwald in einem enormen Ausmaß gerodet. Bis zu 90 % der auf Satellitenaufnahmen aus dem Jahr 2007 als entwaldet erkennbaren Flächen Borneos wurden 2015 als Plantagen für die Produktion von Palmöl und Zellstoff genutzt. Die Palmölproduktion gilt heute als Hauptursache für die Zerstörung der tropischen Regenwälder Asiens. Auch die Bevölkerung in den Gebieten rund um die Palmölplantagen ist direkt von negativen Auswirkungen betroffen.

 Da die Europäische Union bis zum Jahr 2020 10 % der Kraftstoffe für Transport mit Biodiesel bedienen wollte, natürlich wegen „Klimarettung“, ist sie der größte Handelspartner von „Wilmar International Limited“, dem laut Wikipedia größten Konzern weltweit zur Vermarktung von Palmöl. Der größte Anteil des nach Deutschland importierten Palmöls geht in die Herstellung von „Bio-Diesel“. 50 Prozent der Produkte im Supermarkt, Food und Nonfood, enthalten es.

 

Die Produkte der riesigen Farmen für den Weltmarkt tragen zur Verdrängung der hiesigen kleineren Bauern bei. Wenn es paßt, weil man sich in die inneren Verhältnisse eines Landes einmischen will, prangert man das hierzulande in den Medien an. Ansonsten laviert man herum. So gibt es, als ein prägnantes Beispiel ein „Forum für nachhaltiges Palmöl“, wo mehrere große Handelsketten und z.B. auch der WWF mit dabei sind, der schon seinen Panda für Palmöl hergegeben hat. Der benennt durchaus die Schattenseiten des Palmöls, so in einer 2016 veröffentlichten Broschüre, aber hat so nette Alternativen wie Konsumverzicht oder eben diese oben genannte Initiative, wo man nette Papiere für Ablage P verfaßt. WWF und Grüne eiern herum, der WWF gibt den Rat, zu 50 Prozent auf heimisches Sonnenblumenöl oder Rapsöl auszuweichen, beim Rest wäre das aber nicht effektiv – obwohl sie doch bei den Landwirten ein solches Argument der Effektivität wegwischen würden. Darüber hinaus will man jetzt wieder wegen der Insekten die großen Felder, so zum Beispiel Rapsfelder, die man gestern gefordert hat, den Bauern anlasten und wieder loswerden; und aktuell wird die Stillegung von Flächen angestrebt. Also läuft es aktuell doch wieder auf mehr Ernährung durch große Weltmarktfarmen hinaus? Das System des heutigen globalen Kapitalismus scheint dabei hauptsächlich außen vor zu bleiben.

 

Die kleinen Bauern hängen so irgendwie dazwischen, zwischen der Konkurrenz der Agrar-Großbetriebe, der im Preis gedrückten Produkte aus den Entwicklungs- und Schwellenländern und der teilweisen Abhängigkeit von Subventionen, die sich dieses Land natürlich nur leisten kann, weil es zu den ausbeutenden Ländern international gehört. Dabei sind sie selbst eine Zwischenschicht, der zum größten Teil langfristig der Abstieg in die ärmeren Teile der Bevölkerung droht, bei der nur ein sehr kleiner Teil sich längerfristig Hoffnungen auf einen Aufstieg machen kann – zum Beispiel als „Biobauer“ zur Versorgung der Wohlhabenderen mit „besserer“ Ernährung zu deutlich höheren Preisen, und sei es nur solche mit „besserem Image“. Die Subventionen sollen wohl in Zukunft in dieser Richtung umgeschichtet werden, Bauern sollen zu „Öko-Warten“ gemacht werden, regelrecht für Nicht-Produktion bezahlt werden, und gerade wirtschaftlich leistungsfähige Betriebe müssen befürchten, daß ihnen der weitere Berieb dabei erschwert bis verunmöglicht wird. Dieser gordische Knoten wird nur bei Beseitigung des Kapitalismus wirklich nachhaltig zerschlagen werden können. Wenn die Bauern jetzt auf die Straße gehen und protestieren, haben sie jedenfalls in der Mehrheit allen Grund, und da haben sie auch Unterstützung verdient.

 

Ein hiesiger Landwirt ernährt heute 155 Menschen.

 

Es sollte nicht vergessen werden, daß Bauern die Gesellschaft seit jeher ganz wesentlich materiell mit tragen. Ernährte im Jahr 1900 ein Landwirt vier Menschen, sind es heute 155!

Das tun Bauern schon viel länger, als es überhaupt eine Klassengesellschaft gibt. Vor der Klassengesellschaft dominierten hierzulande Markgenossenschaften, in denen die Bauern den Boden gemeinschaftlich besaßen und nach Bedarf und Kapazität immer wieder neu unter sich aufteilten. Wald und Wiese gehörten allen gemeinsam, dort ließen sie auch das Vieh weiden. Dies wurde in den Klassengesellschaften seither durch die herrschenden Klassen zerstört, und die Bauern wurden massenhaft enteignet und in Abhängigkeit gebracht, Wald und Wiesen wurden ihnen entzogen. Sie führten immer schon Kämpfe dagegen, so den großen Bauernkrieg, in dem sie von gesellschaftlichen Kräften im Stich gelassen wurden, die eigentlich ihre Verbündeten hätten sein müssen. Das wirkt mit Sicherheit bis heute nach.

 

Die bis heute Durchgekommenen, inzwischen natürlich Kleinbesitzer, die möglicherweise nichts wissen von den Anfängen mit Gemeinbesitz, zumeist sehr moderne Landwirte, ernährten heute mit äußerst effektiven Methoden pro Kopf mehr Menschen als je zuvor. Aber das große Kapital wird immer letztlich gegen sie arbeiten, so sehr die politischen Köpfe der herrschenden Klasse das auch abzuschwächen suchten. Bei der ergrünten heutigen Bourgeoisie bekommt man aber den Eindruck, daß nur noch ein kleiner Rest übrig bleiben soll. Soll dieses Land hier auch auf diesem Sektor noch mehr auf Kosten des Auslands leben? Was, wenn die Mehrheit auf der Welt da nicht mehr mitspielen will, wird man dann Kriege dafür führen? Nach allen historischen Erfahrungen ist das zu erwarten, denn das ist letztlich eine Konsequenz der grünen Politik, jenseits aller illusorischen Phrasen.

 

Die großen Finanzinvestoren wirken in Stadt und Land

 

Wenn ein Landwirt aufgibt oder seine Erben aufgeben, was sehr häufig ist – denn wer spannt sich gerne in ein solches Joch mit einem solchen Existenzdruck, es sei denn, er hängt eben an seinem Land und seinem Betrieb, für den er sein ganzes Leben gerackert hat, und vielleicht auch als letztes Glied einer Kette von Generationen – dann wird nicht selten alles von den gleichen internationalen Investoren aufgekauft, die auch in den Städten den Boden aufkaufen und die Preise des Wohnens dabei in die Höhe treiben. Die kaufen heute auf dem ganzen Globus Ackerland, machen es zum Spekulationsobjekt, um das billige schuldenbasierte Geld, das in die Wirtschaft der reichen Länder geblasen wird, in Sachwerte zu verwandeln, die einen realen Wert haben und Rendite bringen. In den USA ist zum Beispiel nach neuesten Meldungen Bill Gates der größte Besitzer von Farmland. Der Preis für Ackerland ist auch hierzulande schon auf das Mehrfache gestiegen. Das verhindert, daß andere Bauern den frei werdenden Boden bearbeiten, außer vielleicht noch im Dienste solcher Investoren, die auch schon mal einen ganzen Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Bauern an sich bringen. Es ist wohl absehbar, daß bei einer weiteren solchen Entwicklung z.B. auch große „Biofarmen“ entstehen, mit geschickter Abzocke von Staatssubventionen, deren Produkte dann bei Lidl und Aldi gekauft werden können. Oder gibt es das längst?

 

Damit aber die Bewegung der Mieter und der Bauern nicht zusammenfinden, die beide von der Bodenspekulation besonders betroffen sind, wird in beiden Bewegungen die Animosität bis Feindschaft gegenseitig gefördert, entweder mit der sogenannten Identitätspolitik, wo es um die eigene Abgrenzung als Gruppe geht, oder von äußersten Rechten, die natürlich versuchen, Einfluß in der Bauernbewegung zu gewinnen und dort die Animositäten gegen die Stadtbevölkerung, die sich zur Wehr setzt, zu schüren. Dabei kann man teilweise auch an den Instinkt von Kleinbesitzern anknüpfen, die sich noch Illusionen machen, im Kapitalismus vielleicht ja doch zu den Profiteuren gehören zu können. Aber damit muß man sich auseinandersetzen, wenn man das Selbstverständnis noch hat, daß man die ganze Gesellschaft verändern, revolutionieren will und nicht schon so weit herunter gekommen ist, daß man nur ein Ghetto mit weniger „Verwertungszwängen“ anstrebt, was 100 Prozent zum Scheitern verurteilt ist auf Dauer. Raus aus dieser Blase!

 

Unverständnis bei heutigen Linken
   

Als ich kürzlich diese Bauerndemonstrationen während einen linken Kundgebung zur Sprache brachte, die auch völlig berechtigte Anliegen vertrat, weshalb ich eben auch da war, sprach jemand von „rechten Bauern-Protesten“. Er habe auch irgendwo im Internet ein Foto von einem Traktor mit einer Reichskriegsflagge gesehen, oder davon gehört und diese Einschätzung gelesen, so zum Beispiel in der TAZ, die für manche längst die grüne Bildzeitung ist (Es ging wohl eher um die sogenannte „Landvolkfahne“, die eigentlich eine modernisierte Fassung von „Florian Geyers Fahne“ hatte werden sollen, zu diesem Thema später mehr. Die ist etwas ganz anderes, obwohl die Gleichsetzung mit einem rechten Symbol wohl in den Medien verbreitet ist.) So wie früher die Spießer gesagt haben, was in der Zeitung steht, müsse doch stimmen, gibt es heute grüne Spießer, die das inzwischen wieder bei bestimmten Zeitungen so praktizieren, insbesondere bei Meldungen, wo erkennbar grün argumentiert wird.

 

Das Motto „an allem ist zu zweifeln“ sollte wieder mehr in Mode kommen. Was wahr ist, wird sich dabei eher durchsetzen, als wenn man wie heute mehr darauf sieht, wer etwas gesagt hat. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, denn das bedeutet auch höchste Manipulierbarkeit durch mittlerweile staatstragende grüne Kräfte. Weiß keiner mehr, wie der grüne Außenminister und Vizekanzler Fischer die erste Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Verweis auf Auschwitz demagogisch rechtfertigte? Heute wäre er dabei in Übereinstimmung mit dem grünen Programm, denn längst wurde das „pazifistische“ Gewand abgelegt und die Grünen sind auch programmatisch für Interventionen an der Seite der USA, auch ohne UNO-Mandat, solchen wie die Aggression von damals allemal. Und wenn es einen neuen globalen Krieg gibt, dann finden wir sie ganz bestimmt auch an der Seite der USA. Sonst würden sie auch hierzulande überhaupt nicht der Kanzlerschaft für würdig befunden werden.

 

Als ich in der oben angeführten Diskussion Zweifel anmeldete, wie repräsentativ das für den Bauernprotest insgesamt wäre, wenn es denn wirklich stimmen sollte (und das mit der Reichskriegsflagge stimmte eben nicht), und darauf verwies, daß die Bauern doch ein berechtigtes Interesse haben, gegen die Bedrohung ihrer Existenz zu protestieren, oder auch – setze ich jetzt dazu, aber damals dauerte diese Diskussion auch nicht lange – die Spekulation mit Land, die ihnen mit der Verdreifachung der Preise (!) den Zukauf von Flächen übermäßig verteuert - da ließ mich mein Gegenüber einfach stehen und ging weg. So nach dem Motto: Wie kann dieser dumme Mensch denn nicht begreifen, was die gültige Parole ist? Wer dazugehören will, der darf doch so etwas nicht in Frage stellen. Da geht es eben offenbar nicht um die Veränderung der Gesellschaft, und was dafür notwendig ist, sondern um Zugehörigkeit zu einem Milieu und Abgrenzung gegenüber anderen.

 

Eine solche Zwischenschicht wie die Bauern ist natürlich auch nach verschiedenen Seiten beeinflussbar, (was übrigens nicht nur für diese gilt, auch für manche solche, wo sich heute viele für links halten) das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber grundsätzlich sollte man doch eine möglichst große Einheit aller derjenigen anstreben, die im heutigen Kapitalismus keine Perspektive mehr haben, um sich gemeinsam dagegen zu wehren, so sehe ich das in wohl unmoderner Weise. Und das heißt eben auch, sich mit Menschen auseinandersetzen, an ihre berechtigten Interessen anknüpfen, und im Sinne davon handeln. Da geht es nicht um Identität und Abgrenzung, sondern um gemeinsame Interessen, um soziale Fragen.

 

Übrigens: Als es um den „Kampf gegen Atomenergie“ ging, etwa um Gorleben, hat man sich auch mit Bauern der Landvolkbewegung verbunden, obwohl man auch die rechten Seiten der alten Landvolkbewegung kannte (die sie ja auch empfänglich dafür gemacht haben). Da hat das weniger gestört. Ich komme noch darauf zurück. Aber heute wollen manche diese Menschen einfach dem rechten Einfluß überlassen, den man so eben nicht wirklich bekämpft, sondern eher fördert.

 

Da hat man aus alten historischen Erfahrungen nichts gelernt und stürmt blindlings in Niederlagen, denn wenn man heute meint, mit der immer grüneren Bourgeoisie und den alten grünen und neu ergrünten Kräften aus dem Staatsapparat und den offiziellen Kräften des Politikbetriebs Rückenwind zu haben, dann ist das mehr als blauäugig, denn da weiß man in Wahrheit nicht, was dabei auf lange Sicht herauskommt, etwa im Falle erneuter globaler Kriege. Wer wird wohl dann die Errichtung eines Militärzuchthauses im ganzen Land als „alternativlos“ ansehen? Da ist Corona wie eine erste Übung zum Einstieg dafür.

 

Schluß mit den ständigen „Narrativen“

 

Es ist überhaupt eine ganz falsche Entwicklung, daß „Narrative“ ausgegeben werden, die nicht unbedingt auf Wahrheit beruhen müssen, sondern es müsse nur eine gute Geschichte erzählt werden können, die geglaubt wird und die richtige Schlußfolgerung transportiert, die gemeinsame gruppenspezifische Überzeugungen stützt. Das erinnert verdächtig an den sogenannten „Mythos“, eine theoretische Konzeption des Protofaschisten Georges Sorel (zuerst eher als Linker auftretend, der Marx reformieren will, aber dann wurde es immer offener Rechts, z.B. auch mit einer Verherrlichung des Krieges als solchem), die Standard-Repertoire der Faschisten wurde. Der „völkische“ Mythos von den Juden, die angeblich den Klassenkampf erfunden hätten und ihn von beiden Seiten aus anheizen würden, um die Nation zu spalten, ist auch so ein Mythos[Anm. 1], eine typische Narrativproduktion. Diese Anknüpfung an rückständiges Bewußtsein wurde schon zu Wilhelminischen Zeiten genutzt, um dem wachsenden Einfluß der damaligen Sozialisten entgegen zu wirken. Ein bekannter Vertreter war der evangelische Pfarrer Stoecker, ein Vertrauter Kaiser Wilhelms.

 

Für sich genommen ist das völlig absurd, knüpft aber an bekannte Einzelerscheinungen an, und es ist geeignet, bestimmte rückständige und reaktionäre Überzeugungen auf den Punkt zu bringen. In diesem Fall appelliert das an solche Kräfte, die den Klassenkampf einfach weg haben wollen und sich eine Lösung ohne Beseitigung von Ausbeutung und Klassenunterdrückung und ohne wirklichen Kampf gegen die herrschende Klasse dafür herbei wünschen, wozu man die Juden zum Urheber aller Übel des Kapitalismus erklärte, mit deren Beseitigung angeblich auch der Klassenkampf verschwinden würde und Unternehmer und Arbeiter einen „fairen Kompromiß“ finden könnten.

 

Damit holte man auch viele kleinbürgerliche Elemente, Kleinbesitzer und kleine Unternehmer in die Nazibewegung, die sich so eine Besserung sozialer Probleme erhofften. Auch war deren Antisemitismus nicht so radikal wie der Hitlers, traf sich sogar teilweise mit den Vorstellungen der deutschen Zionisten, die die Juden auch nicht als Deutsche ansahen und ihre Aussiedlung nach Palästina befürworteten. Deren politische Vertreter, wie Gregor Strasser als der Bekannteste, wurden dann 1934 aber teilweise mit ermordet, denn Hitler wollte mit dem Großkapital und der rechten Reichswehr einen Raubkrieg Richtung Osten führen, was von diesen Kräften nicht immer gewollt war, mit allen Folgen für die Bevölkerung und der entsprechenden Bereicherung des Großkapitals.

 

Dabei hatte Hitler anfangs auch die Unterstützung der Versailler Siegermächte, die ihm die Bedingungen des Versailler Regimes lockerten, denn sie wollten seinen Krieg gegen die Sowjetunion, wie sie auch seine versuchte Ausrottung der revolutionären Bewegung im Inneren wollten. Erst als Hitler die Hand biß, die ihn gefördert hatte, und sich nach Westen wandte, gepaart mit einem zeitweiligen Abkommen mit der Sowjetunion, weil er merkte, daß er in diesem Spiel am Ende auch selber über die Klinge springen sollte, wurden manche westlichen Mächtigen zu Nazigegnern, die es natürlich dann später schon immer gewesen sein wollten, während Faschismus nur bei der deutschen Ethnie möglich sei. Hier wird im Grunde selbst völkisch argumentiert. Bei Imperialisten wird Propaganda eben pragmatisch gemacht, was weiterbringt, wird genutzt, und die Masse ist zu betrügen. Solche Mittel sollten Linke möglichst nicht nutzen.

 

„Ökobauern“ als Lösung?

 

Die Bauernfrage ist eine komplizierte gesellschaftliche Frage, aber für manche seit Ewigkeiten grün Beeinflußte ist das heute einfacher. Da die Grünen gegen diese Proteste sind und mit Demonstrationen für „Öko“- und „Bio“-Landbau dagegen halten, ist das für sie klar, daß sie für „Öko“ und „Bio“ sind, also dann auch nach ihrem Verständnis gegen diese Bauern, die für die herkömmliche Landwirtschaft stehen. Eigentlich sollten doch alle Bauern mit ihnen sein, denken sie. Solche, die dagegen sind, können daher nur diejenigen sein, die falsch liegen. Daß wir viele Bauern brauchen, hier wie überall auf der Welt, wo einer 155 Menschen ernähren kann, wenn wir keinen Hunger wollen, so weit denken sie nicht. Essen kommt doch einfach aus dem Laden, und solange der Geldautomat funktioniert, ist es da, wie vieles andere. Daß das alles ohne menschliche Arbeit nicht da wäre, wer denkt immer daran? Geld ist genug da? Aber wo kommt es her?

 

Und in der Presse können sie eben Beiträge lesen, die ihnen anscheinend recht geben. Dabei hüten sich natürlich alle davor daran zu erinnern, daß grüne bzw. „alternative“ Kräfte die Bauern vom Typ Landvolk mit ihren Traktoren immer gern bei den Protesten gegen Gorleben oder überhaupt Atomkraft dabei hatten, daß die Grünen in manchen Bundesländern rechte Bauern unter ihren Vorläufern und frühen Aktivisten hatten, so den rechten „Ökobauern“ Baldur Springmann, eine Ikone der frühen Grünen, der später austrat und die ÖDP mit gründete, die Anfangs auch Verbindung zur NPD suchte. Aber was scheren sich manche denn um die Vorgeschichte von irgend etwas, wenn es nicht ins Bild paßt. Daß man heute die Bauern, die als Zwischenschicht eben auch teilweise ambivalent sind, den alten Rechten direkt in die Arme treibt, stört sie anscheinend auch nicht, solange sie sich dagegen als die „Besseren“ abgrenzen könne.

 

Man liest auch die Meinung, so bei dem Taz-Autor Jost Maurin, die Bauern hätten eben nicht so viel produzieren sollen, das habe eben die Preise gedrückt. Will er sagen, sie sollten es machen wie die Bio-Bauern: wenig produzieren und teurer verkaufen? Das ist typisch: Eine angebliche Lösung, die einen Teil vorgeblich „rettet“, indem er sich auf die Bedürfnisse der wohlhabenderen Schickeria spezialisiert, und den dann gegen die Mehrheit ins Feld führen. Die Masse der Verbraucher gibt aus guten Gründen nicht freiwillig mehr für ihre Grundbedürfnisse aus, als sie muß.

 

Und außerdem: Bio-Lebensmittel werden zunehmend für Einzelhandelsketten ein schönes lukratives Zusatzgeschäft, wo eben mehr Gewinnspanne drin ist; da nutzt man „Bio“ als Label, um teurer verkaufen zu können. Da wird es dann wieder Großunternehmer geben, die die kleinen schlucken, wenn das zum Beispiel für Finanzinvestoren interessant wird. Und Lebensmittel sind schon lange für sie interessant, denn die werden auch in der Krise gekauft. Das sind dann sogar subventionierte „grüne Finanzanlagen“, Aktien kommen in den „nachhaltigen DAX“, wovon ja manche Grünen heute schwärmen. Finanzausbeutung mit grünen Vorzeichen, wie traumhaft. Da braucht man nur Geld, nichts weiter, nichts was viele Emissionen macht. So was wollen sie doch, da können sich moderne Industrie und Landwirtschaft doch woanders auf dem Globus hin trollen – auch wenn die heutige Menschheit, auch sie selbst – ohne sie gar nicht existieren kann.

 

Daß die sogenannten Bio-Lebensmittel immer die besseren sind, wage ich zu bezweifeln, aber teurer sind sie sicher, und die stetig wachsende Zahl der Leute, die besonders aufs Geld sehen müssen, kann nicht das Teuerste kaufen, denn das bedeutet, woanders den Gürtel enger zu schnallen. „Bio“ bedeutet vor allem eines: „Teuro“. Die Monopole im Zwischen- und Einzelhandel und die Großinvestoren, die die Preise für die Bauern bis zur Schmerzgrenze drücken – und für den einen oder anderen dann eben auch darunter – im Interesse ihrer Profite, aber dann natürlich möglichst hohe Verbraucherpreise wollen, verdienen natürlich gerne mehr an „Bioprodukten“. Heute haben diese Monopolisten eine solche Marktmacht hierzulande, daß sie die Einkaufspreise für Konsumgüter – und dazu gehören eben auch Nahrungsmittel – bestimmen und Großhandelspreise drücken können. Manchmal schreiben sie Großaufträge im Internet aus, und wer das billigste Angebot abgibt, bekommt den Auftrag: da kann es um Bruchteile von Cent pro Einheit gehen. Da hilft weniger Produzieren einem Bauern, der viele Schulden abzuzahlen hat, Garnichts.

 

Wer es wissen will, der kann es längst wissen, sofern er es nicht sowieso am eigenen Leibe erfährt: Nach meinem Eindruck steigen die Endpreise für Lebensmittel gegenwärtig allgemein in besonderem Maß. Daß die Grünen für teurere Lebensmittel trommeln, ist nicht überraschend, das paßt vor allem für Grüne, die demnächst noch staatstragender sein wollen. Dabei subventionieren manche Hartz-IV-Haushalte schon die Miete mit einem Teil der Kosten für Konsumgüter, weil die über dem vom Amt bezahlte Satz liegt.

 

Überhaupt ist ein wachsender Anteil der Bevölkerung in einer Lage, an den Ernährungskosten sparen zu müssen, da die unteren Einkommen oder die Hartz IV-Sätze mit den Kosten insgesamt nicht mithalten. Das steht dem entgegen, daß alle teurere „Bioprodukte“ kaufen sollen. Oder haben wir dann bald die billigeren Bioprodukte für Ärmere, mit der billigeren Lohnarbeit enteigneter Bauern, auf riesigen Weltmarkt-Plantagen produziert? Das wäre dann ein Geschäftsmodell für die Finanzinvestoren, die ja sowieso tendenziell alle Grundbedürfnisse zu ihren Renditebringern machen wollen. Soll die Gesellschaft hier wieder ein Stück mehr auf Kosten der übrigen Welt leben?

 

Es geht immer wieder gegen Erzeuger und Verbraucher - und was ist mit den Kräften dazwischen in der Kette bis zum Verbraucher?

 

Es gibt das grüne Narrativ: Die Verbraucher sind schuld, neben den Erzeugern, weil sie nicht genug für ihr Essen zahlen wollen, weil sie nur nach der Devise „Geiz ist geil“ handeln wollten (als wenn alle viel Geld auf der hohen Kante hätten und es nur nicht hergeben wollten – der ärmere Teil eben nicht!). Die Lebensmittel seien zu billig. Das macht die wohlhabenden Anhänger aus dem Überbau zum Maßstab, die es sich leisten können und die das auch teilweise tun. Interessanterweise sind immer letztlich die beiden Endpunkte der Kette, die Erzeuger und die Verbraucher, die Schuldigen. Die kann man schön gegeneinander hetzen, während die Monopole im Handel und in der Weiterverarbeitung wie das Kapital, das da eben vermehrt werden soll und wird, dabei letztlich am besten wegkommen.

 

Deren Monopolstellung und deren Profite werden erstaunlich wenig thematisiert. Auch daß sie viele ursprüngliche Nahrungsmittel erst denaturieren und panschen, um dann z.B. mit eingedicktem Wasser, dem Aromastoffen zugesetzt werden, oder ähnlichem Betrug der Konsumenten, mehr Profit zu machen. Bei sogenannten „veganen“ Lebensmitteln wird das sogar zum Kult erhoben. Wie viele Kranke und Todesopfer eine solche denaturierte Ernährung wohl auf lange Sicht kostet, bei der minderwertige Nahrung extra teuer zu haben ist?

 

Das deckt sich übrigens auch mit der Logik des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Müller (CSU), der auch für den internationalen Handel empfiehlt, die Verbraucher sollten mehr bezahlen, damit davon angeblich die Löhne vor Ort etwas angehoben und Arbeitsbedingungen verbessert werden. Das glaubt der doch selber nicht. Die gnadenlose Preisdrückerei der großen international tätigen Konzerne, die bei der Ausschreibung von großen Aufträgen noch um Bruchteile von Cent feilschen, kommt doch wohl eher vom Streben nach Maximalprofiten. Daß das freiwillige Bezahlen von höheren Preisen auf Dauer mehr bewirken würde, als deren Gewinnspannen zu erhöhen, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Das ist fern der Realität. Heute kann ich längst Produkte auch viel teurer kaufen, die unter genauso miesen Bedingungen hergestellt sind, die aber teurer sind, weil ein angesagtes Label dran klebt. Das hilft den Menschen vor Ort so gut wie überhaupt nicht. Wirklich hilft nur, sie in ihrem Kampf für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu unterstützen. Ohne das, und letztlich ohne die Abschaffung von Ausbeutung, die eben im Kapitalismus systemimmanent ist, wird es keine wirkliche Verbesserung geben.

 

Da wirkt schon Schwarz-Grün. Den ganzen komplizierten Fragen im Zusammenhang mit der Bauernfrage heute geht man natürlich vermeintlich elegant aus dem Weg, wenn man den Bauernprotesten auf Grund irgendwelcher äußerer Merkmale das Etikett rechts und völkisch oder gar antisemitisch anhängen kann, und die Herren vom Verfassungsschutz helfen da sicher auch gerne aus und weisen ihre V-Leute in der „rechten Szene“ an, da die entsprechenden Bilder zu liefern, indem sie sich entsprechend mit passenden Symbolen darunter mischen. Die Legitimierung der Grünen ist da auch kein unwillkommener Nebeneffekt.

 

Indem man sich von den Bauernprotesten abwendet oder ihnen gar feindlich gegenüber steht, fordert man die alten Rechten doch regelrecht auf, ihrerseits auf den Zug aufzuspringen, denn sie werden da sicher gerne einspringen und den Bauern, die in solchen Dingen wohl nicht die Experten sind, bei der Organisation der Proteste helfen. Man erschwert den notwendigen Differenzierungsprozeß im Inneren und fördert eher einen Zusammenschluß ohne Differenzierung. Aber Differenzieren und Narrativproduktion passen auch überhaupt nicht zusammen.

 

 

Historische Erfahrungen mit der Landvolkbewegung

 

Daß in den Demonstrationen Symbole der Landvolk-Bewegung der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mitgetragen wurden, ein weißer Pflug mit einem roten Schwert auf einer schwarzen Fahne, soll angeblich ein Beweis für die rechte und völkische Ausrichtung sein. Mal abgesehen davon, daß man Landvolk-Bauern gerne als folkloristisches Element bei Anti-Atom-Demonstrationen dabei gehabt hat[Anm. 2], ist das auch eine Geschichtsklitterung. Jedenfalls ist das alte Symbol dieser Bewegung mit Pflug und Schwert objektiv auch eines, das an den großen Bauernkrieg erinnert, ein verdrängter Teil unserer Geschichte, als sich die Bauern gegen feudale Unterdrückung wehrten, und nicht ein „antisemitisches Symbol“. Die Farben Schwarz-Weiß-Rot findet man vielfach, sogar auch bei Antifa-Symbolen (schwarze und rote Fahne im schwarzen Kreis auf weißem Grund). Schwarze Fahnen sind immer wieder auch als Fahnen von Kampf und Rebellion genutzt worden.

 

Wikipedia schreibt in einem Artikel über schwarze Fahnen, daß das auch die Motivation des Schöpfers dieser Fahne war, der sie aufgrund der Schilderung von Zeitgenossen entwarf, auch wenn er aufgrund mangelnder historischer Kenntnisse einem Irrtum dabei unterlag. Ursprünglich wollte er einen Bundschuh auf schwarzem Grund darstellen, weil er sich so die Fahne von Florian Geyer, ein Anführer der Bauernkrieges, vorstellte. Dann wollte er sie mit Pflug und Schwert modernisieren, da der Bundschuh ein heute nicht mehr verstandenes Symbol ist. Hans Falladas Darstellung im Roman (!) „Bauern,Bonzen und Bomben“ entspringt wohl eher dichterischer Freiheit und Fantasie in diesem Punkt.

 

Natürlich haben auch rechte Kräfte nach Einfluß in dieser Bewegung gestrebt. Sie mögen dieses Symbol in ihrem Sinne gedeutet haben, und die Bauern mögen auch für solche Einflüsse empfänglich gewesen sein, aber ihre Erbitterung über ihre massenweise Ruinierung auch schon damals, 1928 bis 1930, war berechtigt. Der NDR beschreibt es so.:

„Schlechte Ernten, Importweizen überschwemmt den Mark, die Preise sind im Keller, die Zinsen und Steuern hoch. Die Weimarer Republik kommt den Bauern nicht entgegen. Im Gegenteil: Es wird hart durchgegriffen und versucht, Schulden zur Not mit Hilfe der Polizei einzutreiben. Am 1. August 1929 entlädt sich der Protest erneut in einer Demonstration. Etwa 3.000 Landwirte marschieren in Neumünster. Vorneweg - an einer Stange mit senkrecht angebrachter Sense - trägt Walter Muthmann eine schwarze Flagge mit weißem Pflug und rotem Schwert: das Symbol der neuen Landvolkbewegung. Dieses Symbol will die Polizei nicht sehen. Mit gezogenem Säbel drängen die grün uniformierten in den Protestzug. Es kommt zum Handgemenge, Blut fließt, am Ende ist die schwarze Flagge in der Hand der Polizei. Der Tag geht als "schwarzer Donnerstag" in die Neumünsteraner Stadtgeschichte ein.“[Anm. 3]

Die Bauern gehörten eher zu den konservativen Bevölkerungsschichten, die der Regierung treu sind und nicht demonstrieren. Traditionell standen sie zur jeweiligen Regierung, wenn diese sie in Ruhe ihre Landwirtschaft betreiben läßt. So waren sie im Grunde immernoch dem kaiserlichen Deutschland treu, das für sie Jahrhunderte einer legitimen politischen Ordnung verkörperte, und ihre Sprache und ihr Denken war noch sehr von dieser Zeit und dem entsprechenden Denken geprägt, so wie das auch in anderen Schichten der Bevölkerung noch der Fall war, wie auch im städtischen Kleinbürgertum, das Fallada nach Meinung von Kurt Tucholski meisterhaft schilderte in seinem Roman. Auch wenn sie jetzt aus der Not heraus ihre alten rebellischen Traditionen ausgruben, war das Denken erst einmal noch nicht in jeder Hinsicht völlig geändert. Legitime Herrschaft durch adlige Geburt, Standesdenken, auch Antisemitismus waren verbreitet, aber das war nicht nur bei den Bauern so. Daß sie aufstanden und sich gegen den Staat wehrten, war schon ein erstes Brechen mit dem alten Trott. Das hätte im Fortgang der Bewegung auch aus diesem Denken heraus führen können. Nur die organisierten Arbeiter stachen damals heraus und waren bewußtseinsmäßig in etwa auf der Höhe der Zeit.

 

Das nutzten rechte Kräfte aus, zunächst solche „Erhard-Leute, Oberländer, Stahlhelm-Aktivisten usw.“, die den Bauern erzählten: Seht ihr, jetzt wo die Roten regieren (die SPD war ja bis vor dem zweiten Weltkrieg eine Partei der Arbeiterbewegung mit einem revolutionären Anspruch im Programm gewesen, und so waren sie immernoch für viele „die Roten“), da geht es den Bauern an den Kragen. Und daß viele Juden in der bürgerlichen Gesellschaft wirtschaftlich besonders erfolgreich waren, während sie doch ihrer Geburt nach im ständischen Denken zu den Unterprivillegierten gehören mußten, wurde auch genutzt für rechte Beeinflussung. Die revolutionäre Linke hätte unbedingt da aufklärend hinein gehen müssen und an den neuen Erkenntnisprozeß anknüpfen, aufzeigen, daß man gegen die gleichen Gegner kämpfen muß. Die KPD tat das zum Teil und hatte, obwohl sie damit Neuland betrat und wohl nicht immer geschickt genug agierte, auch kleine Erfolge, aber das blieb weit hinter der Notwendigkeit zurück. Einzelne der Bauernanführer gingen nach dem Niedergang der Bewegung und wachsendem Nazi-Einfluß zur KPD über. Aber auch die kapselte sich möglicherweise damals zu sehr in ihrem Milieu ein.

 

Jost Maurin und sein Passend-Hindrehen der Fakten in der TAZ

 

Der TAZ-Autor Jost Maurin schreibt zu den jetzigen Bauernprotesten unter der Überschrift „Symbol von Naziwegbereitern“ einen völlig in die Irre gehenden Artikel. Gleich am Anfang heißt es:

„Hunderte Bauern formen mit ihren Traktoren Zeichen der „Landvolk“-Bewegung. Die verübte in den Zwanzigern Anschläge und wurde von der NSDAP vereinnahmt. [...]
Die Grünen in Nordfriesland bezeichneten die schleswig-holsteinische Landvolkbewegung als ‚eine antisemitische und völkische Bewegung, die in Schleswig-Holstein den Grundstein für den Durchbruch der Nationalsozialisten gelegt hat‘. In den Hochburgen der Bewegung habe die NSDAP bereits bei den Reichstagswahlen 1928 weit überdurchschnittliche Wahlergebnisse erzielt. [Als Splitterpartei erzielte sie zu dieser Zeit nur 2,6 Prozent oder 800000 Stimmen im ganzen Land, W.G.] ‚Die Übergänge zwischen Landvolkbewegung und NSDAP waren fließend, viele Landvolk-Akteure waren 1928 schon Mitglied der NSDAP.‘[?] Teile der Bewegung damals hätten mehrere Bombenanschläge auf Landrats- und Finanzämter in Norddeutschland verübt. Auch in den Privathäusern von Beamten seien Bomben deponiert worden. ‚Es ist nicht hinnehmbar, dass heute hier bei uns in Nordfriesland das Symbol einer terroristischen Gruppe, die den Nationalsozialisten mindestens sehr nahe stand, für eine bislang friedliche Protestbewegung genutzt wird‘, so Peter Schröder, Sprecher des Grünen-Kreisverbands.“

Im weiteren schafft es der Autor, erst die Äußerung wiederzugeben, die wichtigsten Anführer Claus Heim und Wilhelm Hamkens seien keine Nazis gewesen, aber dann zu sagen, sie wären unwillentlich Wegbereiter gewesen. Die Nazis hätten ihren Einfluß geltend gemacht und die Bewegung der Bauern sei zwar nicht von Vornherein die „Landtruppe der NSDAP“ gewesen, „Aber es gab massive Einflussnahmen seitens der Nazis. Sie schafften es, die Bewegung politisch aufzuspalten und zu vereinnahmen“, wird ein Geschäftsführer der Agrargemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft zitiert, wobei aber der zeitliche Zusammenhang und der mit anderen Entwicklungen und Gegenmaßnahmen des Staates, was dabei entscheidend ist, weggelassen wird. 1928 waren die Nazis tatsächlich noch eine Splitterpartei und keineswegs dominierend unter den rechten Gruppierungen.

 

Die Landvolk-Bewegung war kein Wegbereiter der Nazis, Wegbereiter waren vor allem Kräfte aus diesem Weimarer Staat selbst. Der „Bauerngeneral“ Claus Heim, der noch vor Wilhelm Hamkens als Kopf der Bewegung angesehen wurde, besonders was radikale Aktionen und zum Beispiel die Bombenanschläge und andere militante Aktionen betrifft, war ein schleswig-holsteinischer Bauernsohn, der in der Welt herumgekommen war in seinem teilweise abenteurlichen Leben, da hat er wahrscheinlich manches gelernt, was man im normalen bäuerlichen Leben nicht lernt; er hat sich nie mit den Nazis gemein gemacht, lehnte ihre Avancen ab, zum Beispiel für sie in den Reichstag zu ziehen. Erst als die Bauernbewegung einen Teil ihrer Köpfe verlor, weil sie wie Heim von dem Staat, in dem die alten halbfeudalen Beamten noch vielfach den Ton angaben, ins Zuchthaus gesteckt wurden, gewannen die Nazis mehr an Einfluß und machten sich den Mangel an Organisatoren zu nutze.

 

Als Heim und andere nach einer Amnestie 1932 wieder frei kamen, hatten sich die Verhältnisse geändert, da hatten die Nazis dann wirklich eine ganz andere Stellung in der Landvolk-Bewegung wie überhaupt im Land, aber gerade auch im Grunde mit Hilfe des Staates, in dem ihr Einfluß inzwischen, wie unter der herrschenden Klasse allgemein, auch gewachsen war. Heim gründete eine neue Bauernzeitung, „Dusendüwelswarft“ (Tausendteufelswarft, eine Anknüpfung an kämpferische Traditionen des Kampfes der Bauern in Schleswig Holstein), die im September 1933 von den Nazis verboten wurde. Wilhelm Hamkens, der schon vorher wieder tätig werden konnte, wird von Heim mehr als ein Mensch beschrieben, der gut reden kann und das auch gern tut, und nach dem Schlag gegen die Anführer eher passiv oder rednerisch agierte, aber die radikalen Aktionen nicht wieder vorantrieb. Während der Naziherrschaft zog sich Hamkens von politischer Tätigkeit zurück, vermerkt Wikipedia. Claus Heim blieb bis zu seinem Tod 1968 ein Gegner der Nazis, 1939 wäre er beinahe ins KZ gekommen, im praktischen Handeln ein unabhängig und originell denkender Kopf, manche würden auch „stur“ sagen, aber kein Linker, der sich auch keiner politischen Richtung anschließen wollte.

 

Die Nazis beteiligten sich in der Zeit der letzten Jahre, bevor sie die Regierung bekamen, auch an Aktionen wie Störung und Sprengung von Auktionen und Gerichtsverhandlungen, auf denen das Inventar von Bauern enteignet werden sollte, stießen in die durch das Fehlen von Führungsleuten ermöglichten Positionen hinein, dienten aber insgesamt eher als Ordnungsfaktor, der die Bauern befriedete und den Staat bei weitem nicht so beunruhigte, wie es vorher die genuinen Bauernführer getan hatten. Letztlich führten sie die Bauern wieder an den Staat heran und verhinderten eine Verbindung mit anderen radikalen Strömungen von Unten, was der Staat am meisten fürchtete. Die wirklichen Bauernführer hatten immer die größere Aufmerksamkeit der Staatsschutzkräfte als die rechten Kräfte, die Einfluß nehmen wollten, wie anfänglich Stahlhelm und andere aus den Freikorps und der „schwarzen Reichswehr“ hervorgegangene Verbände, die ja ihre Sympathisanten und sogar Hintermänner auch in der Armee und im Staatsapparat hatten.

 

Anfangs waren die Nazis keineswegs dominant in diesem Spektrum, aber sie wurden es nach dem Beginn der großen Wirtschaftskrise und dem Ausfallen anderer Anführer, weil sie sich radikaler gaben, bis hin zu angeblicher „antikapitalistischer Radikalität“ (Man hüte sich überhaupt vor dem Begriff „antikapitalistisch“, denn da ist nicht eindeutig, ob von Links oder von Rechts.) Die Strasserrichtung innerhalb der NSDAP, die in Norddeutschland lange dominant war, konnte durchaus eine radikal klingende „antikapitalistische“ Rhetorik entfalten, vor allem der jüngere Bruder Otto, der ausdrücklich wegen seiner radikal „antikapitalistischen“ Rhetorik und seiner Einstellung gegen die westlichen imperialistischen Mächte, schon 1930 von Hitler persönlich aus der NSDAP hinausgeworfen wurde. Sein Bruder Gregor Strasser, der weiter in der NSDAP blieb, arbeitete den Entwurf für ein Arbeitsbeschaffungsprogramm aus, das auch in herkömmlichen bürgerlichen Kreisen große Anerkennung erhielt, versuchte auch teilweise eine Koalition mit sozialdemokratischen Kräften wie auch der ADGB-Führung und anderen Parteien zu bilden, unter der Schirmherrschaft des 1934 im Rahmen der „Nacht der langen Messer“ ebenfalls ermordeten Reichswehrgenerals Schleicher, was nur am vehementen Widerstand Hitlers dagegen scheiterte, nicht aber an dem der potentiellen Koalitionspartner. (Was man sich im Hinblick darauf merken sollte, warum der DGB hoffte, unter den Nazis legal bleiben zu können und nach dem 1. Mai 1933 so wehrlos getroffen werden konnte.)

 

Solche großen Unterschiede innerhalb gab es also, was manche Seltsamkeit erklärt. Hitler dagegen hatte seine Karriere als V-Mann der Reichswehr begonnen und blieb der Richtung treu, auch wenn er solche Kräfte wie die Strasser-Brüder zur Verbreiterung der Basis nutzte, die illusorische Gegenmodelle zum Kapitalismus verbreiteten, wie z.B. den ständischen Solidarismus mit einem Staat als Schiedsrichter zwischen den Klassen, aber nach der Machtergreifung waren sie dann selber dran. Da ist die Nazipartei eine moderne Partei wie andere bürgerliche Parteien, die widersprüchliche Kräfte zusammenbringt, um ihre Basis zu erweitern. Das erklärt vor allem den immer wieder auffallenden Widerspruch zwischen einer teilweise auffallenden „antikapitalistischen“, das Kleinbürgertum ansprechenden Rhetorik und dem Agieren im Sinne des Großkapitals und der Revanchebestrebungen der Reichswehr. Auch den Krieg Richtung Osten wollten manche in der Nazipartei nicht. Übrigens versuchte die Illustrierte Stern Anfang der siebziger Jahre vergeblich, Otto Strasser wieder populär zu machen, indem sie sein neuestes Buch als Fortsetzungsserie brachte

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Auch in der Zeitung Landvolk (mit der Unterzeile Lewwer duad üs Slaaw! - Lieber Tot als Sklave!), die einen großen Einfluß bei der Formierung der Bauernbewegung hatte, arbeitete als Chefredakteur ein gewisser Bruno von Salomon, der ebenfalls vom Staat aus dem Verkehr gezogen wurde. Heim und von Salomon galten als die Anführer des „radikalen Flügels“. Er trat später sogar der KPD bei und wurde dort politisch aktiv, war Spanienkämpfer und Mitglied der französischen Résistance, kämpfte also aktiv gegen die Nazis, und er ist nicht das einzige Beispiel.

 

Es war eine Bauernbewegung, die Ende der zwanziger Jahre augenscheinlich aus der puren Bedrängnis geboren wurde und als ein vorher in wilhelminischen Zeiten eher staatstreuer Bevölkerungsteil, der eben auch bewußtseinsmäßig noch in dieser Zeit steckte, rebellisch wurde und auf die Barrikaden ging, sich dabei auch auf alte rebellische Traditionen stützte und stützen konnte. So auch mit der Fahne, die nämlich daran anknüpfen sollte und auch heute als provokatorisches Zeichen dient, damit die Proteste überhaupt wahrgenommen werden. Die als Wegbereiterin der Nazibewegung darzustellen, das fördert doch die Nazis und ihre sozialdemagogische Selbstdarstellung. So können sie besser in spontane Bewegungen eindringen, wenn sich die Linken peinlichst von ihr fernhalten. Waren nicht auch bei den Gelbwesten in Frankreich Rechte anfangs deutlich auszumachen?

 

Völlig daneben ist teilweise die Tendenz, die Bauern schon deshalb als Rechts zu bezeichnen, weil sie Behörden der Weimarer Republik angegriffen haben, zum Beispiel mit Bombenanschlägen. So demokratisch war die Weimarer Republik überhaupt nicht, die Beamten oder Richter waren großenteils noch die gleichen wie zu wilhelminischen Zeiten und hatten mit Demokratie nichts am Hut. Das Militär war noch immer von alten junkerlichen Traditionen geprägt, ein Staat im Staate, und sah die parlamentarische Ordnung als etwas, was nur ein zeitweiliges Zugeständnis an die Sieger des ersten Weltkrieges war. Und in den letzten Jahren war sie erst recht nicht demokratisch. Die Nazis sind doch nicht durch Wahlen an die Macht gekommen, weil sie angeblich die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatten. Bei freien Wahlen hatten sie nie die Mehrheit. Hitler wurde Reichskanzler, weil die entscheidenden Machtzirkel der Weimarer Republik ihm den Posten zugeschanzt haben in einer Zeit, als schon seit Jahren die Regierungen in Hinterzimmern mit dem Reichspräsidenten von Hindenburg ausgekungelt wurden, der diktatorische Sonderrechte hatte[Anm. 4] und nach Gutdünken das Parlament auch wieder auflösen konnte. Das geschah auch in Abstimmung mit internationalen Kräften des großen Kapitals, insbesondere der USA-Finanzkreise, deren wirtschaftlicher Einfluß enorm war. Natürlich hatten die Nazis zeitweise viele Stimmen bekommen, aber sie profitierten vor allem vom Niedergang anderer bürgerlicher Parteien. SPD und KPD zusammen hatten in etwa gleich viele Stimmen, mit einer allmählichen Verschiebung zur KPD hin.

 

Natürlich versuchen auch heute wieder herkömmliche rechte Kräfte Einfluß zu gewinnen, und haben evtl. auch Erfolge – was sonst? Und natürlich steckt dahinter auch heute zumindest teilweise ebenfalls der Staat selbst, der im Westen Deutschlands nach der Naziherrschaft innerlich kaum einen Bruch erlebt hat, dem die alten Nazitäter mittlerweile „biologisch“ auf allen Ebenen ausgegangen sind, der aber bei der Erhaltung der Neonazis eindeutig eine Rolle spielt. NSU ohne einen solchen Staat? - schwer denkbar.

 

Um die Stellung zu den Bauern gab es schon vor über 100 Jahren Auseinandersetzungen

 

Leider gab es schon in der früheren Sozialdemokratie, als sie noch eine linke sozialistische Arbeiterpartei war, also vor mehr als hundert Jahren, überwiegend die Ansicht, daß man der Ruinierung der Bauern zusehen sollte und darauf warten, daß sie danach als Arbeiter in den Fabriken auftauchen, denn dann würden sie sowieso Anhänger der Sozialdemokratie werden, wie das die Mehrheit der Fabrikarbeiter damals tat. Nicht einmal um die Landarbeiter, die noch durch eine „Gesindeordnung“ halbfeudalen Regeln unterworfen waren, wollte man sich ausreichend kümmern. Nach dem Ende des Sozialistengesetzes und seiner Verfolgungen gab es in der SPD eine Debatte, eine spezifische Landagitation zu entwickeln, die den besonderen Bedingungen dort Rechnung trägt, und einzelne Pioniere auf diesem Gebiet hatten auch vorgemacht, daß das Erfolg haben konnte. Das war damals noch Wichtiger als heute, denn damals war das ein viel größerer Teil der Bevölkerung. Aber am Ende ließ man die Landbevölkerung im Grunde als Reserve der Rechten. Und wenn die dann in die Fabriken kamen, wurden sie auch nicht unbedingt alle revolutionär gesonnene Arbeiter, so automatisch läuft das nicht.

 

Das war auch dem Einfluß der lassalleanischen Richtung geschuldet, die zwischen vorwärts gerichtetem Kampf gegen den Kapitalismus und dem rückwärtsgerichteten Kampf gegen den Kapitalismus keinen prinzipiellen Unterschied machte. Lassalle hatte eine Schwäche für adlige Kräfte und machte den Kampf um das Erbe einer adligen Freundin, der Gräfin Hatzfeld, zu seiner Hauptaufgabe für Jahre. Später knüpfte er als Vorsitzender der ersten deutschen Arbeiterpartei ADAV (Allgemeiner deutscher Arbeiterverein) geheime Beziehungen zu Bismarck an, dem Vertreter der ostelbischen Junker und des preußischen Königtums. Er wollte an gemeinsame Gegnerschaft zu bürgerlichen Kräften anknüpfen und versuchte von Bismarck Staatskredite für „sozialistische“ Genossenschaftsbetriebe zu erhalten, aus denen der Sozialismus entstehen sollte. Marx und Engels haben den Einfluß dieser Richtung erbittert bekämpft, aber die Führer der Sozialdemokratie, auch Wilhelm Liebknecht und, etwas schwächer, August Bebel wollten immer ihren Kompromiß damit machen. Heute hält die SPD Lassalle weiter hoch. Diese Konfusion wirkt sich bis heute in der hiesigen Linken aus.

 

Auch um die Zwischenschichten muß man sich kümmern, dort differenziert es sich. Manche können vom Kapitalismus auf Dauer nichts anderes als den Abstieg in die besitzlosen Verkäufer der eigenen Arbeitskraft erwarten. Sie haben auch ihre Vorurteile und können auch für eine rückwärts gerichtete Kapitalismuskritik gewonnen werden, nach dem Motto: Der Kapitalismus habe ihnen nur Perspektivlosigkeit gebracht, also war die Gesellschaft anscheinend vorher besser. Aber das war der Feudalismus eben für die Mehrheit nicht, und genau deshalb wurde er allgemein von der bürgerlichen Ordnung abgelöst. Die Menschen wissen schon, warum sie so etwas tun. Eine Lösung der Probleme, die der Kapitalismus verursacht, muß vor allem in einem Schritt vorwärts bestehen, in einer neuen sozialen Ordnung, die alle Klassenwidersprüche beseitigt, wozu der Kapitalismus wiederum Voraussetzungen schafft, die in der vorherigen Gesellschaftsordnung noch nicht vorhanden waren.

 

Genau deshalb wird die grüne Richtung heute immer mehr zur Mehrheitsrichtung innerhalb der herrschenden Klasse, denn diese will im Grunde in fundamentalistischer Weise Jahrhunderte der gesellschaftlichen Entwicklung rückgängig machen, statt weiter voran zu gehen, denn die politischen Köpfe der Herrschenden sehen auch die Bedrohung, daß die klassenlose Gesellschaft bei weiterer Entwicklung einfach ganz offenkundig die adäquate Gesellschaftsform ist. Und die herrschende Klasse will eben nicht die materiellen Voraussetzungen dafür schaffen. So schaffen sie hierzulande eine Gesellschaftsstruktur, die für sich genommen nicht lebensfähig wäre, die nur durch die internationale Ausbeutung bestehen kann, indem sie vieles an lebenswichtiger Ökonomie in andere Regionen verlagern, die in der Entwicklung noch zurück sind. Und diese Politik treibt wiederum die betroffenen Milliarden zum Aufruhr gegen diese Verhältnisse, auch wenn diese grün angestrichen und für unverzichtbar „wegen dem Klimawandel“ erklärt werden.

 

Eine klassenlose Gesellschaft ohne Ausbeutung kann auch eine Perspektive für die kleinen Bauern bieten, die im Kapitalismus auf Dauer zu Grunde gehen müssen, denn Landwirtschaft muß es auch in Zukunft geben. Und noch viel effektiver wird sie auch sein müssen – und kann sie auch – denn sonst wird der Hunger in der Welt nicht beseitigt werden können. Gesunde Lebensmittel herstellen kann sie allemal, wenn der Maximalprofit nicht an erster Stelle steht. Und das bedeutet in einer klassenlosen Gesellschaft eben nicht Ruin und Verschuldung für die Bauern, sondern Verbesserung auch des Lebens der Landbevölkerung. In der Übergangsphase des Sozialismus muß aber besonders darauf geachtet werden, daß diese Verbesserung auch in der Übergangszeit bis zur klassenlosen Gesellschaft, die eventuell noch sehr lang sein wird, der Landbevölkerung spürbar in Form von Verbesserungen zugute kommt.[Anm. 5]

 

Die Entwicklung des Revisionismus und ihr Einfluß auf die Stellung zu den Bauern

 

Daß man sich in der Vergangenheit in der deutschen Linken zu wenig um die Probleme der Bauern gekümmert hat, hängt auch damit zusammen, daß man überhaupt vielfach der Ansicht war, der Kapitalismus müsse sich erst „bis zu voller Reife“ entwickeln, bis zum großen „Kladderadatsch“ (so hieß es tatsächlich wörtlich), wo er an seinen eigenen Widersprüchen zu Grunde geht und nicht mehr weiter kann, und wonach man dann einigermaßen gemütlich die Machtpositionen übernehmen könne. Bis dahin müsse man vorwiegend die eigenen legalen Positionen innerhalb des Kapitalismus festigen und für Verbesserungen innerhalb der bestehenden Gesellschaft kämpfen. Da hatte man aber die Rechnung ohne die Bourgeoisie gemacht.

 

In der Ausnutzung der legalen Möglichkeiten war die deutsche Sozialdemokratie auch besonders geschickt, was international als vorbildlich galt, aber darin darf es sich eben nicht erschöpfen. Das Warten auf den „Kladderadatsch“ ist eine Klein-Fritzchen-Vorstellung, die längst durch die Realität widerlegt ist, und trotzdem aber auch heute noch anzutreffen ist. Als nach dem ersten Weltkrieg „die Kronen in den Rinnstein rollten“ (Rosa Luxemburg) und die Arbeiter und Soldaten eine Rätemacht bilden konnten (und mußten, aufgrund der Eskalation der Ereignisse), fehlte die Vorbereitung für diesen Fall, daß eine Machtergreifung möglich ist, und ebenfalls fehlte die Verankerung auf dem Land vielfach, so daß die Gegenreaktion sich dort vorzugsweise formieren konnte. Und die SPD-Führung hatte sich längst im Kapitalismus eingerichtet und seine Beseitigung als Utopie in eine ungewisse Zukunft verschoben. Da gibt es auch Parallelen zur heutigen Zeit und dem Zustand der Linken.

 

Diese Vorstellung, daß man bis zum Zusammenbruch des Kapitalismus an seinen eigenen Unzulänglichkeiten warten müsse, ist heute keineswegs tot innerhalb derer, die sich für links halten. Erst kürzlich hörte ich Jemanden sagen, der sich für links und besonders schlau hält, man brauche nicht dagegen kämpfen, daß der Imperialismus den kleinen Ländern die Unabhängigkeit nimmt, denn so habe sich dann die mißliche nationale Frage erledigt. Und wenn der Imperialismus die kleinen Länder geschluckt hat, müsse man nur noch „der Bestie den Kopf abschlagen“. Da ist das Prinzip ähnlich: Machen lassen und auf den „Kladderadatsch“ warten. Und warum meint man warten zu können? Weil man glaubt, in einem Land zu leben, wo die internationale Ausbeutung für bessere Lebensverhältnisse auf Kosten anderer Länder sorgt, und das Abwarten daher erträglich zu sein scheint. Also handelt man im Grunde im Sinne dieser „Bestie“, die natürlich, bevor sie sich den Kopf abschlagen läßt, lieber selbst millionenfach Köpfe abschlägt und die ganze Welt verwüstet. Was erlebten denn die Sozialdemokraten der zwanziger Jahre im Weiteren? Zuerst Posten und Pfründe, aber dann Weltkrieg und Faschismus. Warum soll das heute anders sein?

 

Man sieht den Splitter im Auge des anderen, aber nicht den Balken im eigenen. Das Messen mit zweierlei Maß

 

Würde man solche Anstrengungen, Rechte und antisemitische Einflüsse auszumachen, bei den Grünen anwenden, käme Erstaunliches heraus. So ist gerade erst eine gewisse Ursula Haverbeck wegen „Holocaustverleugnung“ verurteilt worden, eine alte „Lebensschützerin“, was durch alle Medien ging. Nicht erwähnt wurde normalerweise: Diese Ursula Haverbeck tummelte sich zusammen mit ihrem Mann, der eine wichtige Rolle spielte, und seinem „Weltbund zum Schutz des Lebens“ auch bei der Gründung der Grünen. Auch eine Petra Kelly, die Politik bei den Demokraten in den USA gelernt hatte, arbeitete mit ihr zusammen in „Frauenprojekten“. Da bewahren aber unsere Medien jetzt diszipliniert Stillschweigen über solche Fakten, die dem „Narrativ“ der Grünen über sich selbst widersprechen. Die immer grünere Bourgeoisie möchte doch die Grünen unbedingt in der Regierung haben.

 

Rechte Elemente, die teilweise auch eine gewisse Nazi-Vorgeschichte hatten, tummelten sich vielfach in der alten bundesrepublikanischen Naturschützer-Szene und eben auch bei der Gründung der Grünen, so der „biologisch-dynymische“ Bauer Baldur Springmann („Er war seit den 1970er Jahren unter anderem in der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) und im Weltbund zum Schutz des Lebens (WSL) aktiv, 1978 Gründungsmitglied der Grünen Liste Schleswig-Holstein und im Januar 1980 der Partei Die Grünen“, so Wikipedia), war also sehr beteiligt am Entstehungsprozeß der Grünen. Und ein Rudolf Bahro produzierte in Büchern, die er herausgab, Konzepte daß man die entsprechenden Teile der Rechten – auch der ganz extremen – und Linken zu einer neuen Bewegung zusammenbringen müsse. Die Partei AUD, ihres Zeichens „erste Umweltschutzpartei Deutschlands“, entstammte dem gleichen rechten Pool der Nachkriegszeit wie die NPD, bemühte sich in der Anfangszeit auch noch um ein koordiniertes Vorgehen. Deren Vorsitzender Haußleiter gehörte zu den ersten Führungsfiguren der Grünen. Anthroposophen, die eine rassistische und esoterische preudoreligiöse Lehre vertreten – die aber nur in einem inneren Kreis behandelt wird und nach außen nicht kommuniziert wird – vermittelten zwischen Rechts und Pseudolinks. Und da war auch mancher weitere ganz Rechte alter Facon dabei, denn bei denen gab es schon die Ausrichtung gegen Atomkraft, bevor es die Grünen gab.

 

Anfänglich waren es rechte und teilweise auch klerikale Kräfte[Anm. 6], die die Trommel gegen die Kernkraft rührten. Und manche von dieser Richtung haben dann auch die Grünen mit initiiert. Das alles verdient einmal noch ausführlicher behandelt zu werden, weil die Grünen in ihrem Programm genau die Art von Vergangenheitsbewältigung betreiben, die sie selbst niemandem anderen durchgehen lassen würden. So faßte ein Toni Hofreiter das einmal so gerafft so zusammen: Erst gab es im neunzehnten Jahrhundert Naturschützer, die einzelne Naturdenkmäler schützen wollten, dann in den siebziger Jahren gab es ein paar linke Spinner und heute gibt es die Partei die Grünen. Die ganze Verstrickung rechter „Naturschützer“ in der deutschen Geschichte fällt raus. Wem sonst würde man das heute durchgehen lassen?

 

Nicht vergessen werden sollten auch die pseudolinken Anführer von Organisationen wie der KPD (AO), dem KBW und anderer Organisationen, die alle zusammen daran gewirkt hatten, daß der mit der Gründung der KPD/ML Ende 1968 begonnene, im Prinzip richtige Ansatz zerstört wurde, und Zehntausende gutwillige und opferbereite Menschen in die Irre geführt wurden. Ihre eigene üble, verlogene und spalterische Tätigkeit als Karrieristen auf dem Rücken einer Bewegung nehmen sie heute zum Anlaß, gegen die damalige Bewegung zu hetzen, die doch nicht zuletzt durch ihre eigene Tätigkeit zerstört und teilweise auch diskreditiert wurde, als die Bedingungen für den Kampf durch große internationale Umwälzungen, wie den bürgerlichen Umsturz in China, schwerer wurden und deshalb viele wankend wurden.

 

 

*

 

Wenn man von einem Standpunkt ausgeht, daß es eine neue Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung geben soll, und wenn man eben nicht von einem Standpunkt ausgeht, daß man in einem reichen Land wie diesem schon irgendwie einen gedeckten Tisch und alles andere bekommt, weil einem irgend jemand in der Welt das schon für den in Geldform mobilisierbaren angesammelten Reichtum liefern wird, dann muß man auch darüber nachdenken, wie die Zukunft der Bauern aussehen soll, wenn sich dieses Land im Prinzip selbst ernähren will. Selbst ernähren soll nicht heißen, daß man nur von eigenen Produkten lebt, aber das Geben und Nehmen sollte international ausgeglichen sein, im gegenseitigen Interesse aller, wenn es eine annehmbare internationale Ordnung geben soll.

 

Wenn man also den internationalen Ausbeuter-Standpunkt ablehnt, daß wir reich sind und deshalb die übrige Welt uns für unseren gehorteten Geldreichtum zu beliefern hat, möglichst noch alles das, wovon die Menschen dort zu wenig haben, dann eben hat dieses Land auch seinen Beitrag zur Lebensmittel-Versorgung der Welt zu leisten, denn es hat eine sehr moderne und effektive Landwirtschaft entwickelt. Die wird auch woanders gebraucht, um die wachsende Weltbevölkerung in einer akzeptablen Weise zu ernähren. Wir werden für die notwendigen sozialen Umwälzungen viele Menschen gewinnen müssen, die jetzt eine solche Veränderung für illusorisch halten, die rückwärts gerichtete Lösungen suchen, die sich abfinden wollen. Aber sich in ein Milieu abkapseln, scheinbar aus den Strukturen ausklinken, und dann zufrieden denken, daß man nicht zu den Sündern gehört – und dabei macht die Ausplünderung anderer das möglich, an der man partizipiert, wenn auch vielleicht auf bescheidenem Niveau - das ist keine irgendwie zu akzeptierende Perspektive. Eine solche Ordnung wird von den Milliardenmassen auf der Welt nicht dauerhaft akzeptiert werden, zumal auch um die Pfründe dieser Ordnung sich längst ein verschärfter Kampf anbahnt, der das Potential zu einem Weltkrieg enthält. Grundsätzlich gilt noch immer: Entweder die Revolution kommt dem Krieg zuvor oder der Krieg wird die Revolution auslösen. Aber welche Folgen ein solcher Krieg heute haben wird, dagegen werden die Greuel vergangener Kriege noch vergleichsweise milder sein.

 

 

 

 

 

 

 

 


Anmerkungen

 

[Anm. 1] Hitler und sein damaliger Mentor Dietrich Eckart verfaßten zusammen 1923 eine Broschüre mit dem Titel „Der Bolschewismus von Moses bis Lenin“. Dort heißt es auf Seite 49: „Alle, aber auch alle sozialen Ungerechtigkeiten von Bedeutung die es auf der Welt gibt, gehen auf den unterirdischen Einfluß des Juden zurück.“ Diese Absurdität wird in dieser Broschüre, in der Form teilweise pseudowissenschaftlich, zu begründen versucht. Immerhin schafften es die Nazis, daß zur Zeit ihrer Herrschaft in Deutschland Derartiges als „Wissenschaft“ galt und Gegenstimmen zum Schweigen gebracht wurden. Deshalb sollte man niemals damit zufrieden sein, daß etwas richtig sein soll, weil „die Wissenschaft“ das angeblich so sagt, sondern dem Wahlspruch treu bleiben „an allem ist zu zweifeln“. Aber den Zweifeln muß man dann auch ernsthaft nachgehen.

 

[Anm. 2] So schrieb in der Zeitschrift „Autonomie“- Materialien gegen die Fabrikgesellschaft“ Nr. 1978-12 ein Autorenkollektiv über die „Landvolkbewegung“: 
   

«An der Landvolkbewegung in Schleswig-Holstein 1928-32 haben uns zuerst die regionalen autonomen Strukturen interessiert; die Steuerstreiks als Verweigerung gegen den Weimarer Staat und als Kampf gegen die Wirtschaftskrise, die Notgemeinschaften als partielle Gegenverwaltung und schließlich die demonstrativen Bombenattentate als Antwort auf die zentralistisch-bauernfeindliche Politik und die Repression nach den ersten Widerstandsaktionen gegen die Zwangsversteigerungen verschuldeter Höfe. [...]

Falladas „Bauern, Bonzen und Bomben“ und auch Paetels Buch zeigen – mit schweren Verstellungen – sehr eindrucksvoll auf, wie sich ein Konglomerat von Erhard-Leuten, Oberländern, Stahlhelm-Aktivisten usw. bemühte, die Aktionen der Bauern in ihr Modell der „konservativen Revolution“ einzuschleusen. [...]

“...ist uns klargeworden, wie stark die autonome Tradition der schleswig-holsteinischen Westküste, besonders Dithmarschens eine Rolle gespielt hat („Lewwer düd üs Slaw“) und wie sehr die Notlage der Bauern das zündende Moment gewesen ist: „Wir mußten handeln, weil es den Bauern schlecht ging“. [...]

Die Tradition der Bauernkriege hat für die Landvolkbewegung eine wesentliche Rolle gespielt. Sie ist ebenfalls Ausdruck einer „ungleichzeitigen“ Ideologie. ‚Wird Florian Geyers Fahne noch einmal über das Hakenkreuz siegen?‘ – diese Frage löste bei der Gestapo sofort eine rege Tätigkeit aus. Es reicht nicht, eine Bewegung als ‚rechts‘ oder ‚links‘ zu klassifizieren und sie dann zu verklären oder fallenzulassen. [...]

Es fällt auf, daß den Reden der Bauern selber, insbesondere denen von Hankens [gemeint ist wohl Hamkens, W.G.], auch vom Staatsschutz mehr Gewicht beigemessen wurde als denen der rechtsradikalen Agitatoren, die sich bald der Bewegung zugesellten.»

 

So ein paar bemerkenswerte Feststellungen aus diesem Dokument. So differenziert konnte man damals urteilen, als diese Bauern als Verbündete in Frage kamen. Den Artikel der heute noch im Internet zu bekommen ist, siehe Link oben, halte ich übrigens heute durchaus immernoch für sehr informativ und nützlich, auch wenn ich nicht gerade Anhänger der von dieser Zeitschrift vertretenen Richtung bin .

 

 

[Anm. 3]   https://www.ndr.de/geschichte/schauplaetze/1929-Der-schwarze-Donnerstag-in-Neumuenster,neumuenster608.html

 

[Anm. 4]   Diese Sonderrechte gehen mit auf den ersten Reichspräsidenten Ebert (SPD) zurück, der am liebsten den Kaiser auf dem Thron gelassen hätte und das Amt als eine Art „Ersatzkaiser“ auskleidete. Die Sondervollmachten wollte er vor allem dafür nutzen, um gegen die revolutionären Sozialisten vorgehen zu können, wenn sie Wahlerfolge erzielten. Insofern war die Installation Hitlers kein völliger Bruch damit, nur daß es dann auch die SPD selbst war, die mit zu Fall kam. „Man liebt den Verrat aber nicht den Verräter“.

 

[Anm. 5]   Die russische Revolution hätte nicht gesiegt, wenn nicht Lenin erkannt hätte, daß die Bauern die wichtigsten Verbündeten waren. Er setzte ein Agrarprogramm durch, das eine Abkehr vom vorher mehr von der alten Sozialdemokratie beeinflußten Programm darstellte. Auch die „Neue Ökonomische Politik“, die Lenin noch durchsetzte, berücksichtigte sehr die Interessen der Bauern. Leider wurde Lenin in einer entscheidenden Phase der Revolution erst weitgehend arbeitsunfähig und starb schließlich. Seine Nachfolger wichen von dieser Orientierung zu sehr ab.

 

[Anm. 6] So zum Beispiel Günther Schwab, dessen Buch „Der Tanz mit dem Teufel“ 1958 schon in der siebten Auflage erschien, wo die Nutzung der Atomenergie als eine List des Teufels dargestellt wird, um die Menschen „sittlich zu verderben und zu entarten“. Das ist die Hauptsache der Handlung. In dieser siebten Auflage schreibt er (1958) im Vorwort:

„Zeitungen,die heute schon mit Selbstverständlichkeit über die ernsten Probleme des Lebensschutzes, über die steigende Verderbnis von Luft, Wasser, Boden, Nahrung und Volksgesundheit, über die Erkrankung und Entartung des Geistes, über die Bevölkerungsexplosion usw. schreiben, konnten noch vor wenigen Jahren, als dieses Buch zum erstenmal erschien, sich in ihren Rezensionen darüber lustig machen, es als übertrieben, utopisch, pessimistisch, unwissenschaftlich und verfehlt hinstellen.“

Ich finde, diese Diktion ist erstaunlich aktuell.

 

 

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