Bemerkenswertes in einem der Aufrufe zur Revolutionären 1.-Mai-Demonstration 2001


In einem Aufruf der "Autonomen Kommunistischen Gruppen" unter der Überschrift "Erster Mai-Strasse frei! - Es gibt ein Recht auf 'Faulheit'!!!" wird der jüngste Angriff der Bundesregierung auf die Arbeitslosen attackiert (Auszüge):

"Gerhard Schröder ist ein Fleißiger. Die von ihm angeprangerten, die Arbeitslosen, das sind die immer noch beinahe vier Millionen erwerbslosen Menschen hierzulande, nach offizieller Statistik, wohlgemerkt. Wir wissen nicht, wieviele der derart gebranntmarkten "Faulen", die einfach zu faul, zu verwöhnt, zu träge sind, um z.B. einen der vielen Billigstjobs anzunehmen, sich bei Sklavenhändlern anzudienen oder eine Arbeit anzunehmen, die ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten überhaupt nicht entspricht, ihm und seiner Partei bei den letzten Wahlen ihre Stimme gegeben haben. Wir hoffen aber, dass zumindest einige der Betroffenen dies jetzt bereuen.

Als der Schwarzgeldverwalter und ehemalige Bundeskanzler Kohl vor einigen wenigen Jahren in einer Kampagne der CDU gegen die Arbeitslosen von einer "Hängemattenmentalität" und einem "Freizeitpark" sprach, hagelte es Proteste von gewerkschaftlicher, grüner und auch sozialdemokratischer Seite. Nach der letzten Wahl ist nun ein Sozialdemokrat Regierungschef, ein Grüner Außenminister, und ein ehemaliger Gewerkschaftsführer Arbeitsminister. Dementsprechend fielen die Reaktionen der entsprechenden Organisationen aus. Die Gewerkschaften hüllen sich in vages "damit sind ja nicht alle gemeint", die Sozialdemokraten schweigen sich aus, die Grünen haben schon lange ihr Faible für neoliberale Maßnahmen entdeckt und verfügen auch über die entsprechende Mitgliederklientel, die der FDP auch in dieser Beziehung längst Konkurrenz machen könnte.

Schröders Analyse heißt also: es ist die Faulheit der Menschen und nicht etwa Betriebsschließungen, Rationalisierungen, Konzernzusammenschlüsse, die die Arbeitslosigkeit im Kapitalismus ausmachen würde. Und da gibt es nur eine Lösung: Die Arbeitslosen müssen erst richtig hungern und frieren und in Lumpen herumlaufen, bis sie soweit sind, dass sie für 8,50 Mark brutto einen Job beim Sklavenhändler aufnehmen.

Vorher müssen sie aber richtig terrorisiert und weichgekocht werden, denn sie sind zäh, diese Arbeitslosen. Zu diesem Zweck hat die rot-grüne Regierung eine Ergänzung zum Arbeitsförderungsgesetz verabschiedet, dass den Druck auf die Arbeitslosen noch weiter erhöhen soll. Die Sachbearbeiter/innen in den Ämtern sollen verpflichtet werden, für jede/n Arbeitslosen ein "maßgeschneidertes Programm" zu entwerfen, um die Betroffenen - wie auch immer- aus der Statistik herauszukatapultieren. Dies soll von unsinnigen "Maßnahmen" über "Weiterbildungsangebote" bis hin zu ständigen "Vermittlungsangeboten" reichen. Wer die Stellenangebote in den Zeitungen studiert, weiß, dass speziell im industriellen, aber auch im Krankenpflege- und auch im Bürobereich fast nur noch Jobs mit dem Kürzel "AÜG", d.h., "Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaft", sprich Sklavenhändler, angeboten werden. Tariflöhne, die ohnehin nur ein Mindestlohnniveau absichern, gibt es da nicht, ebensowenig Betriebs-oder Personalräte, und schon gar nicht die Möglichkeit, mit Kolleginnen und Kollegen solidarisch gegen Schweinereien der Chefs vorzugehen, weil man/frau ja immer nur für kurze Zeit im Betrieb ist und auf Abruf woanders beschäftigt wird. In Berlin verfügen nach jüngsten Statistiken nur noch 50 Prozent der Beschäftigten über feste Arbeitsverträge, der Rest ist in Leiharbeit, ABM-, zeitlich befristeten oder 630-Mark-Verträgen, die nach der Gesetzesänderung der rotgrünen Regierung jetzt schlauerweise als versicherungspflichtige, also "richtige" Arbeitsverhältnisse gelten. Allen, die in solchen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten müssen, ist gemeinsam, dass sie untertariflich bezahlt sind und annsonsten vollkommen rechtlos der Willkür ihrer Ausbeuter ausgeliefert sind."

Zur Kritik an der Stellung der deutschen Gewerkschaften heißt es in dem Aufruf u.a.:

"Während zur Zeit in der BRD Hetze und Beleidigungen gegen Arbeitslose fröhliche Urständ feiern, und von der ArbeiterInnenbewegung erkämpfte Rechte nach und nach fallen, üben sich die Gewerkschaften hier im staatstragenden Schulterschluss. "Kollege Riester" ist schließlich Minister. "Kollege Steinkühler" bereicherte sich bzw. seine Nachkommenschaft auch reichlich an dem Insiderwissen, das ihm seine Aufsichtsratspositionen verschafften. Seitdem war von ihm nicht mehr viel zu hören. Sicherlich nagt er aber nicht am Hungertuch, also dem Schicksal, das sein Parteifreund Schröder den Millionen von Erwerbslosen androht, damit sie ihre "Faulheit" überwinden."

Dann wird ein Blick über die Grenzen geworfen:

"Anders als hier, wo Streiks höchstens noch als symbolische Maßnahme kurzzeitig und punktuell und in jedem Falle nie als sozialpartnerschaftsbedrohend durchgeführt werden, finden in anderen Ländern tatsächliche Streiks statt. Wie zum Beispiel jetzt in Belgien und Frankreich, wo in letzterem Fall zur Zeit massive Streiks für Lohnerhöhungen, für ein Rentenalter ab 55 Jahren, stattfinden, auch und trotz einer "linken" Regierung. Ganz zu schweigen von Südkorea, wo z.Zt auch wieder militante Arbeitskämpfe gegen Massenentlassungen, wie beim Autohersteller Daewoo, stattfinden. Arbeiterinnen und Arbeiter haben sich dort in ihren Betrieben verbarrikadiert, kämpfen mit Stahlrohren und Molotowcocktails gegen die anrückende Polizei, unterstützt von Studentinnen und Studenten. Es gab und gibt auch sehr militante Solidaritätsaktionen mit von Entlassung und Inhaftierung betroffenen StreikführerInnen und GewerkschafterInnen."

Man kann es nur begrüßen, wenn auf der Revolutionären Maidemonstration in Berlin, die sich früher nicht selten durch merkwürdige und im Grunde negative Haltungen zu den zentralen sozialen Auseinandersetzungen im heutigen Kapitalismus hervorgetan hat, nun solche aufgegriffen werden und die berechtigten Forderungen unterstützt werden.
- wgr -

Vollständiger Text abrufbar von der hp der AKG: http://akgOnline.r2u.de
Der Aufruf ist auch zu lesen unter www.der-erste-mai.de