Internet-Recherche 2005-92

 

Fragen zur Aufklärung des schweren Unfalls mit 4 Toten
in Biogasanlage bei Zeven im Bremer Umland
- und zum offensichtlichen "Desinteresse" der Medien

E.Wald 17.11.05

Durch den tragischen Unfall am 8.11.05 in einer Biogasanlage in Rhadereistedt bei Zeven/Niedersachsen sind bis heute 4 Menschen durch Vergiftung mit extrem giftigem hochkonzentriertem Schwefelwasserstoff ums Leben gekommen.

Ein solches Unglück verlangt zwangsläufig nach gründlicher öffentlicher Aufklärung und Information und wirft auch verschiedene kritische Fragen auf.
Wir hatten aber bereits am 8.11.05 feststellen müssen, daß die Medien kaum darüber berichtet haben. [Internet Statement 2005-87] Dies hat sich nach über einer Woche nicht wesentlich geändert. Man kann im Internet nur sehr mühsam in stundenlanger Sucharbeit die eine oder andere meist einheitliche und relativ kurze Meldung finden - und dabei werden anscheinend auch noch wichtige Details weggelassen. Warum dieses Verschweigekartell der Medien?
Dennoch werden einige wichtige Umstände bekannt.


Zur Ursache des Unfalls:

"Die Ursache des Unfalls ist nach Angaben des Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven weitgehend geklärt. 'Wir gehen davon aus, dass beim Entleeren eines Tankfahrzeugs mit gehäckselten Schweinedärmen eine Schwefelwasserstoffwolke in ungewöhnlich hoher Konzentration frei geworden ist', sagte der Sprecher der Behörde, Jörg Hoppe. . . . Auf Störungen in der Anlage selbst weise bisher nichts hin" (Berliner Tagesspiegel 9.11.)

Den tödlichen Unfall habe eine

"chemische Kettenreaktion ausgelöst. In einem unterirdischen Auffangbehälter hatten mehrere Substanzen miteinander reagiert. Dadurch entstanden giftige Schwefelwasserstoffdämpfe" (Radio Bremen 17.11.)

In einem unterirdischen Auffangbehälter befanden sich

"Reste einer Lieferung vom Vortag - tierische Abfälle und Molkereiprodukte mit niedrigem ph-Wert. Die Ladung aus Holland - aus der Pharmaindustrie stammende Schweinedärme - war hingegen stark sulfidhaltig, mit hohem, also alkalischem ph-Wert. Sie hatte sich zudem während des Transports auf 60 Grad erwärmt. 'Diese beiden Mischungen haben sofort miteinander reagiert und tödlichen Schwefelwasserstoff frei gesetzt', erklärte gestern Detlev Kaldinski, Rotenburger Polizeisprecher ...
'Wahrscheinlich wurde der Unfall durch einen Defekt begünstigt', so Kaldinski. Der Elektromotor einer großen Entlüftungsklappe habe nicht ordnungsgemäß funktioniert.
" (Bremer Nachrichten online 17.11.)

Welche giftigen Gase sind ausgetreten?

"Nach ersten Erkenntnissen waren in der Anlage im niedersächsischen Rhadereistedt Gase aus einem Leck ausgetreten, darunter Methangas, Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid und Ammoniak" (AOL-Newsticker 8.11.05)

Wie giftig war der Schwefelwasserstoff?

" 'Wer das zwei Mal einatmet, hat keine Überlebenschance mehr', sagte Hoppe. Die Konzentration des giftigen Gases müsse den Messungen zufolge 5000 Mal höher gewesen sein als der Schwellenwert, bei dem das Gas wahrgenommen werden kann." (Berliner Tagesspiegel 9.11.)

Wie steht es um Sicherheitseinrichtungen?

Dazu schweigt man sich aus, aber ein gravierender Mangel ist doch durchgesickert.

"Außerdem stand wegen eines Defektes eine große Klappe offen, so dass die Absauganlage der Halle möglicherweise nicht richtig zog "(Radio Bremen 16.11. 20:05Uhr)

Radio Bremen online verschweigt aber in seiner Meldung am 17.11. 5:54Uhr sogar diesen gravierenden Sicherheits-Mangel der defekten Klappe! (Andererseits brachten sie aber eine Meldung über erwartete Proteste entlang der Strecke eines völlig sicheren Castor-Transports)
Keine kritische Frage, keine Analyse, kein Kommentar - Stillschweigen!

" 'Wahrscheinlich wurde der Unfall durch einen Defekt begünstigt', so Kaldinski. Der Elektromotor einer großen Entlüftungsklappe habe nicht ordnungsgemäß funktioniert." (Bremer Nachrichten online 17.11.)

Was taten und tun die Behörden?

"Nach dem tödlichen Betriebsunfall in einer Biogasanlage in Rhadereistedt bei Zeven lässt das Land Niedersachsen alle vergleichbaren 40 Anlagen überprüfen. Das Umweltministerium in Hannover forderte die Betreiber zu besonderen Sicherheitsmaßnahmen auf "(Radio Bremen 10.11.)

"Das Landwirtschaftsministerium in Hannover hat nach dem Unfall angekündigt, alle Biogas-Anlagen zu überprüfen, die mit vergleichbarer Technik wie die Zevener Anlage laufen. Davon sind 40 der 400 Anlagen im Land betroffen"
(newsklick -Braunschweiger Zeitung 11.11.)

"Der zuständige Referent im Ministerium, Dr. Gerd Carsten Höher, beruhigt dennoch: 'Zu Panik gibt es keinen Anlass. Wir haben strenge Regeln für den Betrieb von Biogas-Anlagen.' " (newsklick -Braunschweiger Zeitung 11.11.)

Was sagen andere "Experten" dazu?

" 'Wer in der Nähe einer Biogas-Anlage wohnt, muss keine Angst haben', erklärte Markus Ott, stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbands für Biogas in Freising. Der tödliche Unfall sei vermutlich nicht auf einen Fehler in der Anlagen-Technik zurückzuführen. . . .
Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt geht davon aus, dass die Wolke nicht aus der Anlage selbst, sondern aus einem Tankwagen entwichen ist. . . . ." (newsklick -Braunschweiger Zeitung 11.11.)

Welche "Biomasse" wurde denn in dieser Anlage verarbeitet?

"Die Biogasanlage verarbeitet Bioabfälle aus der Landwirtschaft und privaten Haushalten, flüssige Schlachtabfälle sowie Produktionsreste aus der Lebensmittel- und Pharmaindustrie " (Welt.de 10.11.)

Der Öffentlichkeit wurde doch bisher immer eingehämmert, wie "bio", wie umweltfreundlich, wie klimafreundlich die Stromerzeugung mit solchen "Erneuerbaren" Energien sei, im angeblichen Gegensatz zum Beispiel zur Kernenergie. Und nun solch ein schwerer Unfall.
Und viele ungeklärte Fragen.

Warum lassen die Medien das Thema faktisch von der Tagesordnung verschwinden?
Warum erfüllt Radio Bremen als nächstgelegener öffentlich-rechtlicher Sender, der auch von unseren Gebühren mitfinanziert wird, nicht im Geringsten seine Journalistenpflicht der Recherche, Hinterfragung, Information, Aufklärung und Grundsatzdiskussion?
 
Wie kann es überhaupt sein, dass doch angeblich so harmlose Bio-Stoffe in "Kettenreaktion" schnellstens allergiftigste Gase bilden können? Was wurde da denn wirklich verarbeitet?
Sind denn die Risiken eines solchen chemischen Betriebes nicht vorher analysiert, behördlich geprüft und genehmigt worden? Oder kann da jeder Beliebige seinen Abfall abkippen, Hauptsache er deklariert ihn als "bio"?
In jeder Chemiefabrik müssen die Arbeitsstoffe, Gefahrstoffe, Risiken usw. genau analysiert werden, es müssen genaue Arbeits- und Verfahrensweisen festgelegt werden, Technische Sicherheits- und Schutzvorrichten sowie persönliche Schutz- und Gesundheitsmaßnahmen werden festgelegt, dokumentiert und von Betrieb und Behörden regelmäßig geprüft. Warum nicht hier?
Wie kann es sein, dass durch den Defekt einer Abluftklappe mit verursacht, Menschen sterben? Gab es da keine technischen Sicherheitseinrichtungen, die bei jedweder Störung, die Mensch oder Umwelt gefährden könnte, sofort die Anlage zwangsweise abschalten, das Personal warnen und Hilfskräfte alarmieren?.
Zu fragen wäre auch: wenn im Normalbetrieb die Luftabsaugung funktioniert, werden dann die giftigen Gase und andere Schadstoffe einfach ständig in die Luft geblasen? Durch einfache Filter könnten sie wohl kaum zurückgehalten werden, und verbrannt wird ja wohl nur Methangas zur Strom- Wärmeerzeugung. Was ist mit den anderen Giftgasen?
Sind die Behörden des Landes Niedersachsen überfordert, weil das ganze Land mittlerweile mit über 400 Biogas-Anlagen überschwemmt wurde, oder werden die Risiken vernachlässigt und der Bevölkerung verschwiegen, weil ja "bio" ?
Bei den Biogasanlagen handelt es sich doch angeblich um dezentrale Anlagen, wieso werden da Produktionsabfälle eines niederländischen Pharmaunternehmens verarbeitet und welche chemischen Prozesse haben die vorher durchlaufen? Oder wird hier gar billige Sondermüllentsorgung betrieben - alles unter dem Vorzeichen "bio" ?
Welche Erklärung gibt es dafür, daß offensichtlich in dem Tankwagen während des Transportes aus den Niederlanden bereits chemische Reaktionen abgelaufen sein müssen, denn die Ladung hatte sich nach Behördenangaben auf 60 Grad erwärmt? Haben sich da schon die Giftgase gebildet? Und was wäre gewesen, wenn es unterwegs ein Leck gegeben hätte, hätten dann Menschen vergiftet werden können?
Wie kommt es, dass in dieser Hinsicht auch bei den Grünen, bei Umweltverbänden und sonstigen sich doch angeblich so um die Natur, Umwelt und unsere Gesundheit mühenden Gruppierungen anscheinend Windstille herrscht? Paßt ihnen wohl nicht ins Konzept!

Fragen über Fragen!

PS: Alle Zitate sind kursiv wiedergegeben

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