Internet Statement 2006-09

 

Über die Orientierung der WPRM  (World People's Resistance Movement)*

10. Februar 2006          

I.

Die Widersprüche auf der Welt verschärfen sich erneut zur nächsten Zuspitzung. Wir sehen das an den Drohungen gegen den Iran, an den Erpressungsmanövern der Imperialisten gegenüber kleineren Staaten und daran, wie revolutionäre Bewegungen und Ansätze in verschiedenen Ländern zum Teil mit bewaffneter Gewalt unterdrückt werden.

Die WPRM führt eine Kampagne, um die internationale Bewegung auf den Kampf des nepalesischen Volkes und speziell auf den Kampf der KP Nepal, die sich auf Mao Zedong beruft, zu fokussieren, ja mehr noch, den Kampf aller revolutionären Kräfte auf der Welt in gewisser Weise auf die Revolution in Nepal als Maßstab festzulegen.

Nun gibt es bereits Erfahrungen aus der Vergangenheit mit nachhaltiger Wirkung, die uns veranlassen, eine Reihe von Fragen zu stellen:

Die Kommunistische Partei Nepals (M) hat sich mehrfach ausdrücklich auf das Vorbild der Kommunistischen Partei Perus - Leuchtender Pfad des José Carlos Mariátegui berufen. Von dieser KP Perus wurde im Jahre 1980 ein Volkskrieg ausgerufen, der sich auf eine bestimmte Form des militärischen Kampfes, auf bestimmte Anschlagtechniken konzentrierte. Er nahm aber für sich in Anspruch, den revolutionären Kampf auf der Welt im Sinne der chinesischen Revolution unter Mao Zedong fortzusetzen. Obwohl ein großer Teil der Revolutionäre in Peru sich entschieden für eine volksdemokratische Revolution einsetzte und grundlegende Änderungen in Peru herbeiführen wollte, so wurde doch ein Kampf geführt, der der Subversion des USA-Imperialismus eine Reihe von Pforten in Peru öffnete. Das wird am augenscheinlichsten an ihrem Ergebnis klar: in dem Moment, als der Vorsitzende dieser Partei 1992 von dem Fujimori- Montesinos-Regime gefangen genommen wurde, wurde von Seiten der Führung selbst auf die Liquidation des vorher so vehement propagierten Krieges  hingearbeitet.

Die Politik dieser Partei zeigt eine Reihe von idealistischen Zügen, auf die wir schon Mitte der neunziger Jahre hingewiesen haben. An der Erklärung der RIM (Revolutionary Internationalist Movement) von 1984 ist deutlich, daß sie grundlegenden Anschauungen des Marxismus zur nationalen Frage opponiert und indirekte Angriffe auch gegen die Außenpolitik der Volksrepublik China bis 1976 und gegen die Verbindung von legalem und illegalem Kampf, wie sie von Mao Zedong betrieben worden ist, enthält. Dies wurde auch von der PCP mitgetragen.

Im Jahre 1992 wurde der Vorsitzende der KP Perus von den Polizei- und Militärkräften des peruanischen Staates unter Fujimori gefangengenommen. Solch eine Gefangennahme im Falle einer militärischen Unterlegenheit oder auch von einzelnen taktischen Fehlern ist nichts Ehrenrühriges für einen Revolutionär. Es war jedoch so, daß direkt nach der Gefangennahme im Namen dieses Vorsitzenden der KP Perus verlangt wurde, daß der Kampf auf einen sogenannten „Friedensprozeß“ umgestellt würde. Die Kräfte der KP Perus spalteten sich in diejenigen, die behaupteten, daß dieser Aufruf eine Fälschung sei, und diejenigen, die diesen Aufruf umzusetzen gedachten. Im Laufe der Zeit rückte die RIM von der vehementen Zusicherung, daß es sich um eine Fälschung handelte, ab und läßt in ihren jüngeren Stellungnahmen zu Peru die Frage offen. Im Grunde bestreitet sie selbst nicht mehr, daß der Vorsitzende Guzman, genannt Gonzalo, tatsächlich diesen sogenannten Aufruf einer „Neudefinition des Kampfes“ herausgegeben hatte. Es kann wohl schwerlich sein, daß nach einem Kampf, der Zigtausenden Menschen das Leben gekostet hat, mit der Gefangennahme des Führers eine solche Erklärung verabschiedet wird. Es war behauptet worden, die militärischen Kräfte der KP Perus hätten strategisches Gleichgewicht in Peru gewonnen. Diese Behauptung zerrann wie eine Seifenblase, nachdem dieser Schlag gegen die KP Perus erfolgt war.

Die Gesamtheit der Umstände beim Kampf der KP Perus läßt darauf schließen, daß die Subversion des USA-Imperialismus bei dem Kampf dieser Partei trotz des Heldenmutes einer großen Zahl ihrer Mitglieder und des Widerstandswillens der peruanischen Bauern und sonstigen Werktätigen der breiten Landbevölkerung eine Rolle spielte. Es ist überall so, daß die USA und die modernen Revisionisten versuchen, den revolutionären Kampf vereinzelter Nationen, gerade auch im Falle von  kleineren Nationen, für sich zu funktionalisieren. Insbesondere auch die Revisionisten der früheren Sowjetunion handelten entsprechend.
Verschiedene Agenten auf internationaler Ebene versuchten, die internationale marxistisch-leninistische Bewegung auf eine Unterstützung genau dieses Kampfes der KP Perus international festzulegen. Dieser Vorschlag kam natürlich nicht von ungefähr.

Unsere Organisation hat, vertreten durch Klaus Sender, durch die Schrift ‚José Carlos Mariátegui und kulturelle Fragen der peruanischen Revolution’ Ende Juni1997 eine politisch und theoretisch in die Tiefe gehende Kritik veröffentlicht, um den Hintergründen und Grundlagen dieses Treibens wesentliche Elemente zu entziehen. Die Politik des früheren Revolutionärs Mariátegui (1894-1930) enthielt sowohl materialistische revolutionäre als auch idealistisch-reaktionäre Elemente. Zu behaupten, er stimme vollständig mit den Grundlagen des Marxismus-Leninismus überein, ist abwegig, entsprach dem eigenen Idealismus.

Die Kommunistische Partei Perus unter Guzman war es auch, die die Einführung des Begriffs „Maoisten“ in die marxistisch-leninistische Bewegung mit besonderem Nachdruck verfocht. Der Begriff „Maoisten“ wurde von der Volksrepublik China unter Mao Zedong nicht zufällig abgelehnt.  Es handelt sich bei der Lehre von Mao Zedong um keine grundsätzlich neue Stufe, die den Marxismus-Leninismus auf allen Gebieten weiterentwickelt. Es handelt sich vielmehr um eine Anwendung des Marxismus-Leninismus in einer bestimmten wichtigen Revolution, die auch wichtige neue Erkenntnisse und Prinzipien brachte, aber es nicht rechtfertigt, von einem neuen System zu reden. In unserem Land wurde der Begriff „Maoismus“ von Autoren des Revisionismus der DKP und trüben Quellen des Außengeheimdienstes „Bundesnachrichtendienst“ Ende der 60er Jahre aufgebracht und verbreitet. Es handelt sich also um einen Provokateurbegriff. Es gibt keinen Grund, einen solchen Begriff in die marxistisch-leninistische Bewegung einzuführen, wenn er zugleich auf keinen wirklichen wissenschaftlichen Grundlagen steht.

Die Kommunistische Partei Nepals hat diesen Begriff „Maoisten“ als Zusatz zur ausdrücklichen Kenntlichmachung ihrer politischen Richtung gewählt.

Nach den Erfahrungen der peruanischen Revolution und dem Ausgang der Dinge dort ist es doch das  Recht der gesamten marxistisch-leninistischen Bewegung auf der Welt, die Dinge nun zu hinterfragen. Wenn heute erneut erklärt wird, die internationale Bewegung soll sich auf den Kampf einer anderen Mitgliedspartei der RIM in einem bestimmten Land, diesmal Nepal, fokussieren, dann ist es unter den gegebenen Bedingungen selbstverständlich zu verlangen, daß  diese gravierenden Erfahrungen eine Berücksichtigung erfahren, und nicht einfach mit gleichen Verfahrensweisen wie damals die Dinge zu wiederholen.


II.

Nepal liegt sozusagen auf der Grenze zwischen zwei großen Staaten, der Volksrepublik China, die heute längst kapitalistisch umgestürzt ist, eine 25-jährige kapitalistische Entwicklung hinter sich hat, und Indien. Beide Staaten sind insbesondere seit 1999 und seit 2001 in tiefe Widersprüche mit den USA-Imperialisten verwickelt. Die gleichen USA-Imperialisten, die ihre subversive Tätigkeit in bald allen Winkeln der Welt entfaltet haben und faktisch in jede Bewegung einzudringen versuchen, streben auch danach, dieses wichtige Stück der Erde, Nepal an der Nahtstelle zwischen Indien und China, unter ihre Kontrolle zu bekommen. Die Außenpolitik einer revolutionären Partei kann dies nicht unberücksichtigt lassen.

Zweifelsohne gibt es in Indien insbesondere tiefe agrarische Widersprüche mit den dort bestehenden kapitalistischen Regimes und eine blutige Unterdrückung von Bauernaufständen an bestimmten Punkten in diesem Land, und es liegt in der Natur der Sache, daß die Widerstandsbewegungen in Nepal in einer engen Beziehung mit den nachbarlichen Bewegungen in Indien stehen. Es muß aber zugleich die internationale Stellung dieser Länder berücksichtigt werden. Es ist fundamental und war für den Erfolg der chinesischen Revolution grundlegend, daß sie sich immer mit den berechtigten demokratischen Bewegungen des Landes verband und die Hegemonie des Proletariats in dieser Weise verwirklichte. Die Kommunistische Partei Chinas unter Mao Zedong war meisterhaft darin, ein Vorreiter der nationalen Unabhängigkeit der damaligen früheren Halbkolonie China zu sein. Sie organisierte die Bauernschaft in der neudemokratischen Revolution und sie faßte alle wirklich nach nationaler Unabhängigkeit strebenden Kräfte in China selbst zusammen. Die KP Chinas war die große Führerin des chinesischen Volkes in dem nationalen Emanzipationskampf. Die Arbeiterklasse nahm diese Frage grundlegend in die Hand.

In Ländern wie Indien oder auch Nepal wie in vielen anderen Ländern der früheren kolonialen Welt stehen die Kommunisten grundsätzlich vor der gleichen Aufgabe. In Nepal kämpft die revolutionäre Partei gegen ein verknöchertes brutales neokoloniales und von den US-Imperialisten und Revisionisten angestiftetes Regime. Dagegen einen bewaffneten Kampf zu führen, ist unbedingt gerecht. Aber das allein reicht nicht zur politischen Beurteilung, wir haben auch die politische Grundlagen und die Bezugspunkte einer Partei zu beachten. Wir haben nach bald 40 Jahren  dieser marxistisch-leninistischen, aus der Kritik am modernen Revisionismus hervorgegangenen Bewegung Erfahrung genug mit allen möglichen Versuchen der USA wie anderer Imperialisten, sich in diese Bewegung selbst einzumischen und sie für sich zu instrumentalisieren. Diese Versuche gibt es bei allen Organisationen, relativ großen wie kleinen Gruppen. Überall strengen sich Revolutionäre unter Einsatz ihres Lebens an, und überall haben wir diese Subversion, wir haben hier genug Fälle, wo der imperialistische Staat oder äußere Mächte irgendwelchen Parteien auf ihre Weise „Unterstützung“ angedeihen lassen, um mit ihnen herumzuexperimentieren und die Dinge schließlich auf einem vollkommen falschen Gleis zu verzerren. Versteht doch bitte endlich einmal selbst, daß die revolutionären Parteien nicht jede Geschichte blauäugig annehmen können, sondern auch kritisch zu hinterfragen haben. Wir können angesichts der Vorgeschichte der RIM nicht umhin, diese notwendigen Fragen, die hier in diesem Schreiben aufgeworfen sind, zu stellen. Wir fordern, ja, wir verlangen sogar, daß alle Organisationen der RIM und die auf sie zurückgehenden Organisationen sich mit diesen imperialistischen und subversiven Aktivitäten des USA-Imperialismus und des modernen Revisionismus gegen die marxistisch-leninistische Bewegung in der Welt auseinandersetzen und somit zur wirklichen Festigung der Bewegung beitragen. Wir vermissen dieses grundlegende Element bei allen Aufrufen, die die VWBW (Volkswiderstandsbewegung der Welt) bzw. WPRM international erläßt. Es kann nicht sein, daß wir über eine 20- und 25-jährige Geschichte mit solchen fundamentalen Erfahrungen verfügen, und gleichzeitig hier Aufrufe erscheinen, die gerade so sind, als hätte es diese 25-jährige Geschichte nicht gegeben.

Die VWBW und die WPRM steht selbst vor der Notwendigkeit, die Fehler der Revolutionary International Movement, die Verletzungen des demokratischen Programms und der nationalen Frage, wie sie darin enthalten sind, aufzuarbeiten. Dies ist gleichzeitig eine der Voraussetzungen, die Hegemonie des Proletariats in der demokratischen Revolution richtig zu entwickeln.

Gruppe Neue Einheit

 

*)Name wurde nach Hinweis korrigiert. Nov.06 Red.NE

www.neue-einheit.com


neue-einheit.com

 


 

 

Klaus Sender:
José Carlos Mariátegui und kulturelle Fragen der peruanischen Revolution
Juni 1997

Probleme der internationalen kommunistischen Bewegung
Januar 2001

Über die Entwicklung der Auseinandersetzung mit der sogenannten RIM in unserer Organisation (Kurze Skizze)
Februar 1998

Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Perus (PCP), Gonzalo, über die MRTA und über Versuche, die revolutionäre Partei in Peru zu missbrauchen
Februar 1997