Internet Statement 2008-17

 

Das Bochumer Nokia-Werk wird Ende Juni geschlossen

- einige Fragen, die sich dabei stellen

Uwe Müller,  9..4.08    

Nokia stellt 200 Millionen € für einen Sozialplan zur Verfügung - so lautete gestern die Meldung des Tages. Die Betriebsratsvorsitzende Achenbach und die IG Metall-Vertreter werteten das Verhandlungsergebnis der Belegschaft und der Presse gegenüber als vernünftig, zufriedenstellend und positiv:

„Die Betriebsratsvorsitzende Achenbach erinnerte daran, daß Nokia 'uns mit 70 Millionen abspeisen wollte', die Eckpunkte des Verhandlungsergebnisses seien deshalb zufriedenstellend….
'Die Kollegen wollen weg von Nokia, sie sind fertig mit Nokia.' Auch deshalb sei es jetzt zu der 'Kompromißlösung gekommen, die zu den besten, bisher getroffenen Vereinbarungen in Deutschland zähle.'“    IG Metall-NRW 8.4.08

Auch die Presse stellte naturgemäß die Zahl von 200 Millionen in den Vordergrund. Die Schlagzeilen hätten ehrlicherweise lauten müssen: Das Bochumer Nokia-Werk wird Ende Juni geschlossen.

Der IGM-Bezirksleiter von NRW, Burkhard, sprach gar direkt von einem Erfolg der Belegschaft. Liest man noch die letzte IG Metall-Info zu Nokia (Nr.4 vom 27.Februar), dann prangt darüber noch die fette Überschrift: „Der Erhalt der Arbeitsplätze steht an erster Stelle“. Davon hat man gestern nichts mehr gemerkt. Natürlich bemühe man sich ja mit Nokia zusammen weiterhin um Ersatzarbeitsplätze. Was bei so etwas aber herauskommt, das kennt man allerdings schon zur Genüge.

Da fragt man sich unweigerlich: Erfolg für wen? Für die Belegschaft? Für die Region?

In erster Linie ist es ein Erfolg für Nokia. Wenn Nokia nun bereit ist, sich die Schließung 200 Millionen kosten zu lassen, dann haben sie das vorab schon voll mit einkalkuliert und berechnet, wie lange in Rumänien produziert werden muß, um diese Millionen wieder hereinzuholen.

In zweiter Linie mag es für etliche betroffene Beschäftigte ein individueller „Erfolg“ sein, eine solch hohe Abfindung (im Schnitt an die 80.000 €) zu bekommen – zumindest für all jene, die jetzt schnell wieder einen neuen Job finden werden oder für diejenigen, die sich damit in die Rente hinüberzuretten hoffen.

Für die Belegschaft insgesamt aber, für die Jugend und Arbeitslosen, für die Zulieferer und für die gesamte Region ist die Liquidation des Bochumer Werks und der Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen (inklusive denjenigen bei den Zulieferern und Leihfirmen) absolut kein Erfolg, sondern eine schwere Niederlage und eine echte Katastrophe.


Was ist los in diesem Land, daß solch eine Liquidation moderner Produktion so einfach vollzogen werden kann?

Daß Nokia ein modernes, profitables und rentables Werk aus reiner Profitgier und Jagd nach Maximalprofit zumacht, ist ein Skandal (s.a. Nokia - oder wie der Kapitalismus wirklich ist ). Daß Nokia damit so leicht durchkommt und sich quasi mit Hilfe der Gewerkschaft freikaufen kann, ist auch ein Skandal.

Was ist das für eine Belegschaft und für eine IG Metall, die gegen die Schließung und Verlagerung keinen wirklichen und wirksamen Kampf geführt haben? Warum sind sie nicht fähig bzw. nicht willig, den Kampf dagegen Hand in Hand mit anderen Belegschaften und breiten Teilen der Bevölkerung zu führen? An breiter Unterstützung hat und hätte es nicht gefehlt. Wieso wird so oft das Kampfziel -mehr oder weniger offen- reduziert auf das Erreichen einer möglichst hohen Abfindungssumme?

Wie viele Schließungen und Verlagerungen sollen denn noch „sozial verträglich“ abgewickelt werden!? Mit was für Angriffen seitens des Kapitals soll man sich denn noch „abfinden“?

Diese Fragen sind zu stellen und zu diskutieren, man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Nokia ist beileibe kein Einzelfall, es ist nur ein Fall unter vielen. Der Trend, Produktion aus Deutschland und Westeuropa nach Osteuropa und Asien zu verlagern, ist ungebrochen, die industrielle Basis im Lande wird immer weiter ausgehöhlt.


 

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